von Thomas Rünker

Bistum veröffentlicht Untersuchungsbericht zu Missbrauchstäter

Unabhängige Studie einer Anwaltskanzlei offenbart Fehler im Umgang mit dem aus Köln stammenden Priester A., der von 2002 bis 2015 in Bochum-Wattenscheid gelebt hat. Bischof Overbeck nennt den Bericht „beschämend“. Man hätte A. auch noch 2010 nach seinem Amtsantritt als Bischof abziehen müssen, so Overbeck. „Das war mein Versäumnis.“

Untersuchungsbericht kritisiert fehlende Akten und mangelnde Absprachen mit den beteiligten Bistümern

Das Bistum Essen wusste früher als bisher bekannt von A's Vorgeschichte

Overbeck: "Ich hätte den Handlungsbedarf erkennen müssen"

Das Bistum Essen hat das Ergebnis einer unabhängigen Untersuchung veröffentlicht, warum der aus Köln stammende Priester A. trotz mehrerer Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs zwischen 2002 und 2015 in die Bochum-Wattenscheider Gemeinde St. Joseph ziehen und dort als Ruhestandsgeistlicher tätig werden konnte. Der Bericht offenbart im Ruhrbistum deutliche Fehler im Umgang mit dem Geistlichen und stellt unter anderem fehlende Akten, mangelnde Absprachen mit den anderen beteiligen Bistümern und eine frühere Information der Essener Personalverantwortlichen als bisher bekannt fest.

Das nun vorliegende Ergebnis „beschämt mich sehr“, schreibt Overbeck in einem Brief an die Gemeinde St. Joseph, der er diese Untersuchung im vergangenen Jahr persönlich zugesagt hatte. Insgesamt offenbare der Umgang mit A. „bis in die jüngste Vergangenheit hinein erhebliche Mängel an Professionalität, Kooperation, Transparenz, Kommunikation und Sensibilität“, fasst Overbeck zusammen. „Für die Verkettung von Fehlleistungen, die Versäumnisse und Missstände, die jetzt offenbar geworden sind, entschuldige ich mich ausdrücklich und persönlich“.

A., der in den 1970er und 1980er Jahren wegen Missbrauchstaten im Erzbistum Köln und im Bistum Münster verurteilt worden war, hatte sich 2001 an das Bistum Essen gewandt, um dort seinen Ruhestand zu verleben. Anders als bislang gedacht, müsse man heute „mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass die Personalverantwortlichen in unserem Bistum bereits frühzeitig – nämlich schon im Februar 2001 – die Vorgeschichte des Geistlichen zumindest in Teilen kannten, also auch von Vorstrafen wussten“, so Bischof Overbeck. Eine „aus heutiger Sicht angemessen differenzierte und professionelle Abwägung möglicher Gefährdungen und Risiken“ habe auch dann nicht stattgefunden, als spätestens ab August / September 2002 die gesamte Personalkonferenz des Bistums Essen über den Fall A. Bescheid gewusst habe.

„Ich hätte den Handlungsbedarf erkennen müssen“

„Aus heutiger Sicht unverständlich“ bleibe auch, weshalb Anfang 2010, als alle Akten zu den damals bekannten Missbrauchsfällen im Bistum Essen durchgesehen wurden, „hier kein Handlungsbedarf gesehen wurde“, so Overbeck. Dass man A. auch dann nicht die Wahrnehmung priesterlicher Dienste untersagt hat, „war auch mein persönliches Versäumnis“, schreibt Overbeck, der damals erst wenige Tage im Amt war. „Als Bischof hätte ich den dringenden Handlungsbedarf erkennen und entsprechend handeln müssen“. Ähnlich äußert sich Overbeck auch in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der „ZEIT“-Beilage „Christ & Welt“: „Ich habe Schuld auf mich geladen“, sagt der Bischof in dem am Donnerstag erschienenen Beitrag.

Aufarbeitung und Prävention weiter vorantreiben

Heute bestärkten ihn die Missstände, die durch die Untersuchung des Falls A. ans Licht gekommen sind, umso mehr, die Aufklärung von Missbrauchsfällen im Bistum Essen weiter voran zu treiben und durch eine passgenaue Präventionsarbeit künftige Taten von sexualisierter Gewalt zu verhindern, so Overbeck. In diesem Zusammenhang steht die im Frühjahr beauftragte, unabhängige und ergebnisoffene Untersuchung verschiedener Missbrauchsfälle in der Geschichte des Ruhrbistums durch das renommierte Institut für Praxisforschung und Projektbegleitung (IPP) in München. Ziel dieser Untersuchung sei es, „genauer zu verstehen, welche Strukturen die Missbrauchsfälle in unserem Bistum begünstigt haben, und weshalb Täter so vorgehen konnten, wie sie vorgegangen sind“, skizziert der Bischof. Auch der Fall von Priester A. wird Thema der Studie sein.

Mehrere Projekte als Folge der „MHG-Studie“

Zudem hat Overbeck im Ruhrbistum eine ganze Reihe von Projekten ins Leben gerufen, die als Konsequenz aus der sogenannten „MHG-Studie“ zum sexuellen Missbrauch durch Geistliche in Deutschland vor allem mit den „systemischen“ Ursachen und Hintergründen befassen. Unter der Überschrift „System Kirche prüfen und verändern“ stehen dabei vier Arbeitsgruppen, die sich mit der Sexualmoral, dem Weiheamt sowie Fragen von Macht und Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche beschäftigen – vier Themen, die auch die zentralen Themen des derzeit laufenden bundesweiten Reformdialogs in der Kirche sind, dem Synodalen Weg. Hinzu kommen im Ruhrbistum fünf weitere Projektgruppen, bei denen es unter anderem auch um eine Optimierung der Präventionsarbeit, Verbesserungen beim Umgang mit Betroffenen und Beschuldigten in Missbrauchsfällen oder eine Überprüfung und Weiterentwicklung der Personalarbeit geht.

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