von Thomas Rünker

Bistum Essen setzt auf geteilte Leitung an der Spitze des Generalvikariates

Neue Strukturen im Bischöflichen Generalvikariat sorgen ab 1. Februar für neue Zuständigkeiten und sollen Prozesse verbessern. Künftig führt Generalvikar Pfeffer die Verwaltung als Teil eines fünfköpfigen Leitungsteams. Zehn Jahre nach der letzten Umstrukturierung möchten Bischof Overbeck und Generalvikar Pfeffer die Bistumsverwaltung „fit“ für immer schnellere Veränderungsprozesse in Kirche und Gesellschaft machen.

Schnellere Entscheidungswege, klare Zuständigkeiten und eine gemeinsame Leitungsverantwortung in Teams: Mit neuen Strukturen im Bischöflichen Generalvikariat reagieren Bischof Franz-Josef Overbeck und Generalvikar Klaus Pfeffer auf die sich weiter zuspitzenden Herausforderungen, die den Veränderungsdruck im Bistum Essen erhöhen. „Wir müssen in unserer Verwaltung flexibler werden und schneller entscheiden, um rasch die vielen und oft komplexen Veränderungsprozesse bewältigen zu können“, sagt Generalvikar Klaus Pfeffer. In einem Interview erläutert er die Umstrukturierung, die im Generalvikariat ab dem 1. Februar umgesetzt werden.

Warum braucht das Essener Generalvikariat eine neue Struktur?

Generalvikar Klaus Pfeffer: In der aktuellen Struktur arbeiten unsere rund 400 Beschäftigten in Generalvikariat und Bischofshaus in der Essener Innenstadt sowie in der Mülheimer Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ und dem Jugendhaus St. Altfrid in Essen-Kettwig seit rund zehn Jahren zusammen. Hinzu kommen die vielen Mitarbeitenden in unseren Schulen und in der KEFB gGmbH, die ebenfalls mit der Struktur verbunden sind. In dieser Zeit hat sich in unserem Bistum viel verändert: Die Zahl der Kirchenmitglieder ist deutlich kleiner geworden und auch unsere Pfarreien-Landschaft sieht nach Zusammenschlüssen und Kirchenschließungen heute anders aus. Zugleich haben wir – inspiriert durch unser Zukunftsbild – viele innovative und erfolgreiche Projekte und Angebote gestartet, die oft am Rande unserer etablierten Strukturen laufen. Darüber hinaus wird unsere Arbeit immer stärker durch die Digitalisierung beeinflusst. Wir haben viel geschafft in diesen zehn Jahren – aber der Veränderungsdruck steigt weiter. Eine Zeit, in der es mal wieder ruhig wird, wie sich mancher erhofft, und in der alles bleiben kann, wie es gerade ist, kommt nicht wieder. Vielleicht gab es eine solche Zeit auch nie. Im Moment jedenfalls spitzt sich die Krise der katholischen Kirche dramatisch zu. Wir erleben einen geradezu epochalen Umbruch. Deshalb müssen wir in unserer Verwaltung noch mehr lernen, schnell und flexibel mit den Entwicklungen umzugehen.

Was bedeutet diese Umstrukturierung für die Mitarbeitenden?

Pfeffer: Umstrukturierungen lösen oft Ängste um den Arbeitsplatz aus. Darum gilt zuerst: Niemand muss derzeit um seinen Arbeitsplatz fürchten. Wohl aber verändern sich Arbeitsweisen und natürlich auch manche Themen und Inhalte – das ist nicht wirklich neu, allerdings nimmt die Geschwindigkeit zu. Gerade deshalb brauchen wir jede Frau und jeden Mann, um gemeinsam an einer anziehenden und anschlussfähigen Kirche an Rhein, Ruhr und Lenne zu bauen. Unsere Ressourcen werden zweifellos geringer – das setzt uns unter Druck und verlangt auch effizientere Arbeitsweisen. In erster Linie werden sich die Bezüge zwischen einzelnen Arbeitseinheiten sowie manche Zuständigkeiten für bestimmte Themen ändern. Aus unseren bisher drei Hauptabteilungen werden künftig vier Ressorts. Dabei nehmen die Ressorts „Kirchenentwicklung“ und „Kulturentwicklung“ die zentralen inhaltlichen kirchlichen Aufgaben in den Blick. Dabei unterstützt werden sie von den Ressorts „Finanzen und IT“ sowie „Personalmanagement und Interne Services“, die als Unterstützungsdienste die Grundlagen für die inhaltliche Arbeit schaffen. Hinzu kommen die Stabsbereiche „Recht“, „Kommunikation“ und „Projektmangement“, die Querschnittsaufgaben für die gesamte Organisation wahrnehmen. 

Neu ist vor allem die Leitungsebene: Gemeinsam mit den vier Leiterinnen und Leitern der neuen Ressorts bilde ich ein neues Leitungsteam, das gemeinsam die Steuerung der gesamten Bischöflichen Verwaltung verantwortet. Als Generalvikar will ich damit die bisher auf mich konzentrierte Macht und Leitungsverantwortung teilen. Die Ressortleitungen erhalten eine hohe Eigenverantwortung – orientiert an Vorstandsmodellen anderer Organisationen. So wollen wir künftig vor allem schneller zu Entscheidungen kommen. Das bedeutet auch: Nicht alles muss von allen beraten werden. Und nicht alles und jedes muss über den Schreibtisch des Generalvikars oder Bischofs gehen, bevor es getan werden darf. Deshalb müssen wir uns darin üben, gut zu unterscheiden: Was ist wichtig für das „große Ganze“ und braucht deshalb die gemeinsame Abstimmung bis zur höchsten Ebene, und wo darf und muss in den Ressorts oder weiteren Bereichen auch eigenverantwortlich entschieden und gehandelt werden? Wir können uns nicht mehr so viele endlose „Beratungsschleifen“ leisten, bevor wir ins Handeln kommen!

Die Leiterinnen und Leiter der neuen Ressorts:

„Leitung im Team“ – droht da nicht ein Entscheidungschaos?

Pfeffer: Zugegeben, gerade für die hierarchisch strukturierte katholische Kirche klingt „Leitung im Team“ ungewöhnlich. Wir sind es gewohnt, dass an der Spitze der Kirche stets die letzte Entscheidung fällt – das führt aber auch dazu, dass innerhalb der Organisation stets „nach oben“ geblickt wird: „Was will denn der Bischof? Was will denn der Generalvikar?“ Das lähmt in vielen Prozessen und verhindert eigenverantwortliches Denken und Handeln. Auch für die Kirche gilt, dass die Zeit der „einsamen Helden“ vorbei ist, die herrschaftlich ein Unternehmen führen. Die Herausforderungen, die heute zu bewältigen sind, erweisen sich als hochkomplex und erfordern so viel Fachwissen, dass Organisationen deutlich flexibler aufgestellt sein müssen. Auch im Gespräch mit meinen Kollegen aus anderen Bistümern spüre ich, dass es in unserer Kirche auch in Bezug auf die Führung und Steuerung nicht mehr weitergeht wie bisher.

Ich will deshalb meine Verantwortung teilen – und weiß, dass ich das sicher auch noch üben muss. Das Generalvikariat steht also künftig unter der Leitung eines fünfköpfigen Gremiums – und ich freue mich sehr, dass zwei Frauen diesem Team angehören. Wir werden uns zunächst einarbeiten – auch mit Beratung von außen – und im Laufe der nächsten Zeit unsere Arbeitsweise noch klären. Wichtig ist aber: Wir wollen keine „Black Box“ sein, in der alles und jedes diskutiert und entschieden wird. Vieles wird auch in oder zwischen den Ressorts eigenständig geregelt. Und selbstverständlich werden wir die Arbeit in vielfältig besetzten Projekten fortsetzen und weiterentwickeln. Was im Stabsbereich „Strategie und Entwicklung“ in den vergangenen Jahren grundgelegt wurde, ist dazu eine wichtige Basis für die weitere Arbeit im Stabsbereich Projektmanagement. Kurzum: Es kommt darauf an, offen und wachsam auf neue Entwicklungen zügig zu reagieren, in Krisensituationen kurzfristig umzuschalten und auch den Mut zu haben, Dinge loszulassen, die keine Zukunft mehr haben.

Vier Ressorts statt drei Hauptabteilungen, Haupt- und Unterstützungsdienste … – das klingt nicht gerade nach schlanker Verwaltung.

Pfeffer: Unser Ziel ist eine verbesserte Zuordnung der unterschiedlichen Themen und Aufgaben, damit sie möglichst effizient bewältigt werden können. Das Organigramm sagt allerdings noch nichts darüber aus, ob und wie die tägliche Arbeit gelingt. Entscheidend wird sein, dass wir eine Kultur voranbringen, die sich in einem deutlichen Wir-Gefühl ausdrückt. Strukturen sind kein Selbstzweck, auch nicht in einem Generalvikariat. Sie sollen den Menschen in unserer Kirche dienen, dem „großen Ganzen“ des Ruhrbistums. Deshalb gelten Strukturen auch immer nur auf Zeit und können jederzeit geändert werden. Wichtig ist, dass wir gemeinsam für die Menschen und für das gesamte Bistum dienlich sind.

Unsere neuen Ressorts signalisieren, worauf es in den kommenden Jahren ankommt: Wir wollen „Kirchenentwicklung“ betreiben und das Zukunftsbild konsequent weiter umsetzen – im Blick auf die Entwicklung der Pfarreien, aber auch im Blick auf neue und alternative Orte und Formen des Kircheseins. Und wir wollen zur „Kulturentwicklung“ in unserer Gesellschaft beitragen, indem wir Orte sichern und weiter entwickeln, an denen durch eine vielfältige Bildungsarbeit unsere Werte und Orientierungen gelernt und gelebt werden. Die Ressorts „Finanzen und IT“ sowie „Personalmanagement und Interne Services“ sorgen für die Grundlagen unserer gesamten inhaltlichen Arbeit. Deshalb meint die Rede von den „Unterstützungsdiensten“ keineswegs eine Bewertung als „Dienst zweiter Klasse“, sondern beschreibt eine Differenzierung zu den sogenannten „Hauptdiensten“: Sie gehören nicht selbst zum „Kerngeschäft“ des Bistums, sorgen aber dafür, dass dieses „Kerngeschäft“ läuft. In diesem Bewusstsein arbeiten wir mit allen Beschäftigten gemeinsam daran, dass die Menschen in unserer Region unsere Kirche als eine attraktive Organisation wahrnehmen, die ihnen in ihrem Leben hilft. Zugleich sind wir im Generalvikariat so Dienstleister für die katholischen Pfarreien, Einrichtungen und Organisationen in unserem Bistum. Und: Wir sind selbstverständlich auch weiterhin Partner für die ebenfalls zum Bistum gehörenden großen Träger zentraler kirchlicher Aufgaben – was wäre unser Ruhrbistum beispielsweise ohne die Caritas mit ihren vielen Einrichtungen und ohne den KiTa Zweckverband

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