von Thomas Rünker

Bischof Overbeck will kirchliches Arbeitsrecht reformieren, aber erhalten

Die Diskussion „Arbeit fairteilen“ auf dem Stuttgarter Katholikentag schlug einen Bogen von prekären Arbeitsverhältnissen in der Fleisch- und anderen Branchen über den Streit um einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Pflege bis zu Fragen des kirchlichen Arbeitsrechts.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat sich dafür ausgesprochen, besonders umstrittene Regeln im kirchlichen Arbeitsrecht abzuschaffen, die sich etwa um das Beziehungsleben der Beschäftigten drehen. Das besondere Arbeitsrecht der Kirchen als solches solle aber erhalten bleiben. „Ich finde es wichtig, dass wir uns beim kirchlichen Arbeits- und Dienstrecht neu aufstellen“, sagte Overbeck am Donnerstag auf dem Katholikentag in Stuttgart. Insgesamt habe das Arbeitsrecht aber viele Vorteile, „deshalb werbe ich dafür, den sogenannten dritten Weg zu erhalten“. Overbeck sprach auf dem Podium „Arbeit fairteilen“, das die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) ins Katholikentags-Programm eingebracht hatte.

Die evangelische SPD-Politikerin Kerstin Griese, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, verwies auf das Vorhaben der Ampel-Koalition, „das kirchliche Arbeitsrecht gemeinsam mit den Kirchen weiterzuentwickeln“. In Richtung der Kirchen betonte sie: „Ich glaube, dass Sie keinem Menschen mehr vermitteln können, dass Sie die persönliche Lebensführung sanktionieren.“ Sie plädierte dafür, über Änderungen bei den – im Ruhrbistum und anderen katholischen Diözesen bereits abgeschafften – Regeln zur persönlichen Lebensführung hinaus weitere Punkte zu ändern, zum Beispiel beim bislang untersagten Streikrecht: „Mein Herz schlägt wirklich für kirchliche Einrichtungen, aber warum sollten Menschen nicht auch dort das Recht haben, für bessere Arbeitsverhältnisse einzutreten?“

Neuer Anlauf für allgemeinverbindlichen Pflege-Tarifvertrag

Griese zufolge will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in diesem Jahr einen neuen Anlauf starten, den Tarifvertrag in der Pflege als allgemeinverbindlich zu erklären, um das Lohnniveau in der Pflege insgesamt zu erhöhen. Dieser Versuch war im vergangenen Jahr am Widerstand der Caritas-Arbeitgeber gescheitert. Dieser Schritt der Caritas habe in der Politik „Vertrauen erschüttert“, so Griese. Auch Bischof Overbeck erklärte, dafür wenig Verständnis zu haben.

„Moderne Sklaverei“ in der Fleisch- und anderen Branchen

Jenseits kirchlicher Arbeitsverhältnisse lenkte Pfarrer Peter Kossen aus dem Bistum Münster den Blick auf prekäre Arbeitsverhältnisse – „moderne Sklaverei“, wie er sagt – vor allem in der Fleischindustrie. Zwar habe sich die Situation der überwiegend aus dem ost- und südosteuropäischen Ausland kommenden Beschäftigten nach dem öffentlichen Aufschrei im Zuge massiver Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen im vergangenen Jahr durch neue gesetzliche Regelungen ein Stück weit verbessert. Doch diese Regelungen gälten nur in einzelnen Arbeitsbereichen der Schlachthöfe – und zum Beispiel nicht für das Reinigungspersonal. Zudem gebe es andere Branchen, die sich „die Fleischindustrie zum Vorbild genommen haben“, so Kossen, und Beschäftigte ähnlich ausbeuteten, zum Beispiel Paketdienste, Glasfaserausbau oder Gebäudereinigung. Auch Staatssekretärin Griese nannte das Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischindustrie „einen ersten Anfang“, der nur durch die politischen Mehrheiten möglich gewesen worden sei, die nach dem öffentlichen Aufschrei in der Corona-Pandemie entstanden seien. „Es gibt da noch viel mehr zu tun.“

Angesprochen auf das Engagements Kossens für bessere Arbeitsbedingungen verwies Bischof Overbeck auf die „Tradition im Ruhrbistum“, dass sich die Kirche gerade in den großen Konzernen im Revier für den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze einsetzt. Er würdigte das Engagement von katholischen Verbänden wie KAB, Kolping, der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) und verschiedenen Jugendverbänden und Jugendberufshilfeeinrichtungen, die sich vielfach und oft tatkräftig für menschenwürdige Arbeit engagierten. Overbeck sagte aber auch, dass es nicht viele Priester oder Bischöfe gebe, die sich stark in diese Bereich einbrächten.

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