Bischof Overbeck weiht Andreas Geßmann zum neuen Weihbischof in Essen

Wie ein Dach halten zwei Diakone das Evangelien-Buch über Andreas Geßmann, während die Bischöfe das Weihegebet sprechen. Foto: Nicole Cronauge | Bistum Essen
Über 500 Menschen feiern seltene Liturgie im Essener Dom
Overbeck betont die Kirche als Begegnungsgemeinschaft
Geßmann will eine hörende, demütige und einladende Kirche mit offenen Toren gestalten
Wie ein Dach halten ihm die beiden Diakone das aufgeschlagene Evangelienbuch über dem Kopf. So, als sollte Andreas Geßmann, der darunter kniet, durch den goldenen Buchdeckel geschützt werden und zugleich all die Glaubens- und Lebensweisheit der Bibel in diesem Moment auf ihn niederregnen. Währenddessen spricht Bischof Franz-Josef Overbeck zusammen mit allen anwesenden Bischöfen das feierliche Weihegebet – und dann ist Andreas Geßmann der neue Essener Weihbischof. Wenig später steht er mit Overbeck an der obersten Altarstufe und tosender Beifall brandetet im Essener Dom auf.
Über 500 Menschen sind am Maria-Lichtmess-Nachmittag, Sonntag, 2. Februar, gekommen, um dieses Fest mitzufeiern. Über zehn Jahre nach der letzten Bischofsweihe – damals wurde Geßmanns Vorgänger Wilhelm Zimmermann Weihbischof – wollen sie bei dieser seltenen und ungewöhnlichen Liturgie dabei sein. Zugleich zeigt sich an der Gästeschar der lange Weg, den der aus Wesel stammende Geßmann seit seiner Priesterweihe 2003 im Ruhrbistum zurückgelegt hat. Vor allem aus der Essener Pfarrei St. Laurentius, die der 56-Jährige seit 2016 geleitet hat, nahmen zahlreiche Menschen an der Feier teil – neben Angehörigen und Freunden des neuen Bischofs sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Kirche, Politik und Gesellschaft.
Overbeck: Kirche ist die Begegnungsgemeinschaft
Bischof Overbeck stellt seine Predigt unter den Gedanken der Begegnungen: „Die Kirche ist die Begegnungsgemeinschaft von Gott und Mensch und von Menschen untereinander“, sagt er. Der heutige Alltag eines Bischofs sei wesentlich von solchen Begegnungen bestimmt und brauche „eine Glaubwürdigkeit der Nähe zu den Menschen wie den Willen, davon Zeugnis zu geben“. Overbeck verweist auf den Namenspatron des neuen Weihbischofs, den Heiligen Andreas, von dem die Bibel erzählt, wie er den späteren Apostel Petrus zu Jesus führt. Der Name sei ein Hinweis darauf, wozu das Amt, das Geßmannn „durch die Bischofsweihe übertragen wird und zu einem besonderen Jünger- und Aposteldienst bevollmächtigt, dient: Menschen zu Jesus zu führen“, betont Overbeck. „Der Bischof ist Glaubenszeuge, der selber aus der Begegnung mit dem lebendigen Christus lebt, was unmittelbar Folgen für die Wahrheit und die Freiheit hat, die er lebt und bezeugt, gestützt und motiviert von den zahllosen Begegnungen mit Menschen.“
Aufgaben und Rolle eines Weihbischofs
Der Weihbischof, auch Hilfs-, Auxiliar- oder Titularbischof genannt, steht dem Diözesanbischof in der Leitung der Diözese zur Seite. Weihbischöfe tragen ebenfalls die bischöflichen Amts- und Ehrenzeichen wie Ring, Hirtenstab und Mitra und haben als Mitglieder des Kollegiums aller Bischöfe Teil an der Lehrvollmacht der Gesamtkirche, wie sie etwa bei den Beratungen und Beschlüssen eines Konzils zum Ausdruck kommt. Die Weihbischöfe in den deutschen Bistümern nehmen außerdem an den Beratungen der Deutschen Bischofskonferenz teil. In einem Bistum übernimmt der Weihbischof als Bischofsvikar eigenverantwortlich einen besonderen Aufgabenbereich im Namen des Diözesanbischofs. Im Bistum Essen ist zum Beispiel Weihbischof Ludger Schepers Bischofsvikar für Weltkirche und Mission, für Geistliche Gemeinschaften und Bewegungen und Ordensgemeinschaften.
Entwickelt hat sich die Rolle des Weihbischofs im 13./14. Jahrhundert, als immer mehr Bischöfe aus dem Orient vertrieben und im Abendland aushilfsweise mit bischöflichen Weihehandlungen betraut wurden. Seither trägt jeder Weihbischof als Titel den Namen einer untergegangenen Diözese. So ist der Essener Weihbischof Ludger Schepers Titularbischof von Neapolis in Proconsulari (Nordafrika) und der jetzt zum Weihbischof ernannte Dr. Andreas Geßmann Titularbischof von Castro di Sardegna in Italien. Die Bezeichnung „Weihbischof“ ist seit jeher nur im deutschen Sprachraum gebräuchlich und beruht darauf, dass der Dienst bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1958-1963) lediglich die Weihen etwa von Priestern, Kirchen, Altären sowie die Spendung des Sakraments der Firmung umfasste. (lou)
Overbeck spricht über die großen Umbrüche in der Kirche: „Wir stehen an einer historischen Schwelle, die tiefer greift als die Reformation vor gut 500 Jahren und uns in eine neue kulturelle Welt einführt.“ Hinter diesen Veränderungen stehe „eine große spirituelle wie intellektuelle Aufgabe, die den Herausforderungen am Anfang unserer Glaubensgeschichte im Evangelium gleichkommt. Ohne dass Menschen zu Jesus Christus geführt und in eine lebendige existenzielle Beziehung, das heißt Begegnung mit Folgen, geleitet werden, wird es kein Christsein geben, das auf Dauer Bestand hat.“
Neunfaches Treueversprechen. „Ich bin bereit“
Mit einem neunfachen „Ich bin bereit“ gibt Geßmann zu Beginn der Weihe sein Versprechen ab, das überlieferte Glaubensgut zu bewahren und das bischöfliche Amt zu übernehmen. Dann legt er sich flach auf den Boden des Altarraums, während die Gläubigen lange und feierlich die Allerheiligenlitanei singen, also um die Hilfe aller Heiligen für Geßmann bitten. Schweigend legen ihm anschließend erst Bischof Overbeck, dann die beiden Weihbischöfe Ludger Schepers und Wilhelm Zimmermann und schließlich alle weiteren Bischöfe, die den Gottesdienst mitfeiern, die Hände auf den Kopf. Unter anderem ist der Bischof von Münster, Felix Genn, im Gottesdienst, der zuvor Bischof von Essen war und Geßmann 2007 mit der Promotion beauftragt hat. Zudem feierte Martin Krebs den Weihegottesdienst mit, der aus Essen stammende Bischof ist heute der päpstliche Nuntius für die Schweiz, Liechtenstein und Monaco. Dann schlägt Overbeck das Evangelien-Buch über Geßmann auf und reicht es den beiden Diakonen.
Das Buch bekommt Geßmann wenig später überreicht, ebenso wie die Insignien, die Kennzeichen, die ihn als Bischof erkennbar machen: die Mitra, den Hirtenstab, den Bischofsring, später trägt er auch das Brustkreuz. Dann ist endlich Gelegenheit für erste Glückwünsche seiner Bischofskollegen – und den Applaus der Festgemeinde. Als Bischof richtig in Aktion tritt Geßmann dann am Ende der Feier: Nach Kommunion und „Großer Gott, wir loben dich“, zieht er begleitet von den beiden Weihbischöfen Schepers und Zimmermann, einmal segnend durch die Kirche.
Dankesworte und Blick auf eine demütige Kirche
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In seinen Dankesworten – zum Beispiel an seine verstorbenen Eltern „die mich haben erahnen lassen, dass es einen lebendigen Gott gibt“ – deutet Geßmann bereits an, wie er sich die Kirche vorstellt, in der er nun an verantwortlicher Stelle mitarbeitet: Er spricht von einer „hörenden Kirche, eine Kirche des Gebets“. Sie solle zudem „dienend und demütig sein, mit offenen Toren und einladend“. Er selbst möchte in seiner neuen Rolle „Brücken bauen und vermittelnd tätig sein“. Die Essener Bürgermeisterin Julia Jacob (CDU) würdigt in ihrem Grußwort, das sich Geßmann zur Aufgabe gemacht habe, „Hoffnungsbotschaften zu verkünden. Hoffnung ist das, was wir in diesen Zeiten gebrauchen können!“, so Jacob. Für die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen betont der evangelische Pfarrer Fritz Pahlke, dass es für Kirchen derzeit zwar viel Gegenwind gebe, „und doch brauchen die Menschen unseren Dienst. Wir müssen uns nicht verstecken, wir haben den Menschen die beste Botschaft der Welt zu verkünden!“
„Sie suchen nach einem echten Konsens!“
„Wir freuen uns, mit Ihnen einen neuen Weihbischof im Bistum Essen zu haben“, betont die Co-Vorsitzende des Diözesanrats der katholischen Frauen und Männer im Bistum Essen, Klaudia Rudersdorf. Zugleich macht sie deutlich, dass es zum Beispiel mit dem Prozess “Christlich Leben. Mittendrin.” oder dem Gemeinsamen Rat im Bistum Essen „in Zukunft viele Herausforderungen gemeinsam zu meistern gibt“. Geht es nach Christiana Meier-Happe und Michael Filthaut, die abschließend für Geßmanns bisherige Pfarrei St. Laurentius sprechen, ist der neue Weihbischof gerade für solch womöglich schwierige Diskussionen der richtige Mann: Meier-Happe würdigte Geßmanns „respektvollen und wertschätzenden Umgang, gerade wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Sie suchen nach einem echten Konsens!“
Nach knapp drei Stunden sind Gottesdienst und Ansprachen beendet. Im langen Auszug von Fahnenabordnungen, Messdienerinnen und Messdienern, Ehrengardisten, Altfridbrüdern, Priestern, Diakonen und Bischöfen gibt es immer wieder Applaus für den neuen Weihbischof – für den dann das große Händeschütteln beginnt. Erst rund um den Dom, dann beim Empfang im Generalvikariat erwartet Geßmannn einen wahren Gratulationsmarathon – und ein fröhliches Fest.