Bischof Felix Genn wird 75: Ein Leben zwischen Glauben und Strukturwandel

Bischof Felix Genn. Archivfoto: Bistum Münster
Er ist ein mitfühlender Seelsorger, ein tief vom Glauben geprägter Kirchenmann und alles andere als ein knallharter Manager – und doch wird er wohl auch künftig vor allem mit dem größten Strukturwandel verbunden bleiben, den das Ruhrbistum bis dato mitgemacht hat. Felix Genn war vom 6. Juli 2003 an der dritte Bischof von Essen, bis ihn der Papst knapp sechs Jahre später zum Leiter des Bistums Münster machte. Am Donnerstag, 6. März 2025, wird Genn 75 Jahre alt und hofft darauf, damit Tag in den Ruhestand gehen zu können. Papst Franziskus, den er als Mitglied verschiedener Gremien im Vatikan gut kennt, hat er bereits im Oktober den für Bischöfe vor ihrem 75. Geburtstag üblichen Antrag übergeben. Seitdem hat Genn mehrfach betont, wie sehr er sich auf den Ruhestand freut: „Ich bin 75, ich spüre die Grenzen des Alters und ich denke, es ist jetzt gut“, sagte er jüngst dem Münsteraner Internetportal kirche-und-leben.de.
„Persönlich, als Bischof von Essen, aber auch als Katholischer Militärbischof danke ich Bischof Dr. Felix Genn für das gute und vertrauensvolle Miteinander, für die von Verlässlichkeit geprägte Zusammenarbeit sowie für unser gemeinsames Beten und Ringen darum, das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Zeit zu erkennen“, erklärte Bischof Franz-Josef Overbeck – Genns Nachfolger als Essener Bischof – zum Geburtstag seines Vorgängers. „In allen unseren Begegnungen konnte ich durchgehend spüren, wie groß die Bedeutung von Theologie und Spiritualität für Bischof Genn ist. Diese Perspektiven des Denkens und Betens, des Theologischen und Spirituellen, stärken den Glauben und machen die Kirche lebendig“, betonte Overbeck und wünschte Genn „einen guten und gesegneten Übergang in eine neue Lebensphase, dabei Gesundheit, Wohlergehen, Gelassenheit und ganz viel Zufriedenheit.“
Vom Saarland ins Ruhrgebiet
Wie sich eine Industrieregion wandelt und was es für eine Gesellschaft bedeutet, wenn Arbeitsplätze und andere lang gewohnte existenzielle Sicherheiten wegfallen, hat der in der Eifel aufgewachsene und 1976 in Trier zum Priester geweihte Genn schon in seiner Heimat kennengelernt. Als Weihbischof war ab 1999 der saarländische Teil seines Heimatbistums Trier sein Visitationsbezirk – eine Region, die mit einer großen industriellen Vergangenheit mit Stahlwerken und Kohlezechen bis heute viele Parallelen zum Ruhrgebiet aufweist. Dennoch war es für alle Beteiligten – und vor allem ihn selbst – eine große Überraschung als er, Weihbischof in Deutschland ältestem Bistum, 2003 zum Bischof der jüngsten nordrhein-westfälischen Diözese ernannt wurde. Am 6. Juli des Jahres wurde er in einem feierlichen Gottesdienst im Essener Dom als dritter Bischof des Ruhrbistums und Nachfolger des im Vorjahr in den Ruhestand gewechselten Hubert Luthe in sein Amt eingeführt.
Eher ein ruhiger Typ: „Frömmigkeit ist sozusagen sein Beruf“
An Rhein und Ruhr, Emscher und Lenne lernten die Leute Genn schnell als bedächtigen, freundlichen und den Menschen zugewandten Mann kennen, den ein erstaunliches Namens-Gedächtnis auszeichnet. Eher ein ruhiger Typ der leisen Töne als ein katholischer Laut-Sprecher; einer, der erst einmal zuhört und hinschaut. „Frömmigkeit ist sozusagen sein Beruf“, hatte man schon in Trier über ihn gesagt.
Doch Genn war in Essen nicht nur ein Mann des Glaubens, sondern ein Mann der Kirche mitten in der Welt. Denn gerade viele Wirtschaftsthemen aus dem Saarland blieben ihm im Ruhrgebiet erhalten: Was dort Saarstahl hieß, war nun ThyssenKrupp. Und so wie dort war die Kirche in Genns Bischofszeit auch im Ruhrgebiet immer wieder gefordert, sich an die Seite von Menschen zu stellen, deren Arbeitsplätze bedroht waren. Die Bochumer Werke von Opel und Nokia gehörten zu den namhaftesten Unternehmen, die seinerzeit für schlechte Nachrichten sorgten. Oft organisierte der 2022 verstorbene Essener Weihbischof Franz Grave zusammen mit Genn die kirchliche Solidarität für die von Arbeitslosigkeit bedrohten oder bereits konkret Betroffenen.
Ein Strukturwandel, der das Bistum einschneidend veränderte
Umso sensibler schaute die Öffentlichkeit auf das Bistum, als dieses – nicht einmal eineinhalb Jahre nach Genns Amtseinführung – selbst einen Strukturwandel einleiten musste, der die Diözese einschneidend veränderte und dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind. „Doch angesichts der zurückgehenden Zahl von Katholiken und aktiven Priestern im Bistum Essen sowie drastisch gesunkener Kirchensteuereinnahmen sind wir zum Handeln gezwungen“, begründete Bischof Genn im Januar 2005 seine Entscheidung, 259 Gemeinden zu 42 Pfarreien zusammenzulegen, 96 Kirchengebäude aufzugeben, Personal abzubauen und Dienstleistungen im Essener Generalvikariat zu zentralisieren. „Wir haben in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass das Kleid, das wir tragen, zu groß ist.“
Damit legte Genn vor 20 Jahren das Fundament für die bis heute geltende Bistums-Struktur, die sich seitdem stets weiter verändert hat: In den Pfarreientwicklungsprozessen haben sich die – mittlerweile 40 – Pfarreien von weiteren Kirchen und anderen Gemeindeimmobilien getrennt, weil die Zahl der Gläubigen seit Genns Zeit in Essen noch einmal um mehrere hunderttausend Kirchenmitglieder gesunken ist. Zugleich hat das Bistum Essen im vergangenen Jahr unter der Überschrift „Christlich leben. Mittendrin.“ einen Prozess gestartet, der durch eine Bündelung der katholischen Einrichtungen und Organisationen in einer Stadt anstelle der Sparkurse der vergangenen Jahre vor allem auf mehr Effizienz und Zusammenarbeit setzt. Genns Zitat aus seiner Essener Zeit gilt dabei bis heute: „Wir müssen diese große pastorale Herausforderung annehmen und den Umbruch der Kirche gestalten. Die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden hat eine Sendung zu erfüllen - auch mit weniger Mitteln.“ Es gehe darum, „dass Christen sich wieder sammeln, um aus der Sammlung in die Sendung zu gehen“, beschrieb Genn damals, was in den Pfarreien, Gemeinden und Verbänden des Bistums Essen bis heute als eine zentrale Aufgabe angesehen wird.
Gottesdienst zum 75. Geburtstag
Zum 75. Geburtstag seines Bischofs feiert das Bistum Münster am Sonntag, 9. März, um 14 Uhr einen Gottesdienst mit Bischof Genn im Münsteraner Paulus-Dom. Wegen des erwarteten Andrangs wird der Gottesdienst live in die Lambertikirche übertragen sowie auf den YouTube- und Facebook-Kanälen des Bistums Münster. In dem Gottesdienst wird der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterović, die Antwort des Papstes auf Genns Antrag bekannt gegeben, nun mit 75 Jahren in den Ruhestand wechseln zu dürfen.
Ausflugstipp: Besuch am Essener Grab des ersten Bischofs von Münster
Als Genn 2009 Bischof von Münster wurde, sprach mancher von einer „katholischen Rochade“ als kurz darauf der damalige Münsteraner Weihbischof Franz-Josef Overbeck Genns Nachfolger in Essen wurde. Verbunden sind beide Bistümer durch den Heiligen Ludgerus (742-809), der das Bistum Münster gründete – Genn ist sein 75. Nachfolger –, nach seinem Tod aber doch lieber in dem von ihm aufgebauten Benediktinerkloster im heutigen Essen-Werden begraben werden wollte. Falls der künftige Ruheständler Genn, der schon angekündigt hat, in Münster wohnen bleiben zu wollen, demnächst einmal einen entspannten Wander-Ausflug plant, ließe sich ein Besuch am Grab des Heiligen Ludgerus in Essen Werden gut mit einer Etappe auf dem Pilgerweg des Bistums Essen verknüpfen. Und womöglich kennt der versierte Weinliebhaber Genn auf dem Weg von der Ludgerus-Basilika zum Essener Dom auch noch einen angemessenen Zwischenstopp für ein gutes Gläschen.