Bischöfe wollen Mitgliederorientierung der Kirche stärken
Erste rein digitale Vollversammlung der knapp 70 deutschen Bischöfe
Kirche soll stärker Menschen ansprechen, die nicht von der normalen Gemeindearbeit erreicht werden
Bischöfe wählen neuen Chef für Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat
Nach dreitägigen Debatten ist die erste digitale Bischofs-Vollversammlung am Donnerstag zu Ende gegangen. Nach der Wahl von Beate Gilles zur neuen Generalsekretärin der Bischofskonferenz standen Zukunftsfragen im Mittelpunkt, etwa das Aufarbeiten des Missbrauchsskandals, die hohe Zahl der Kirchenaustritte und die künftige Seelsorge angesichts sinkender Zahlen von Priestern und Gläubigen. Überschattet wurde das Treffen von anhaltender Kritik an den Vorgängen im Erzbistum Köln und am dortigen Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki.
Geistlicher Missbrauch
Für Opfer von sogenanntem Geistlichen Missbrauch, wollen die Bischöfe Ansprechpartner in den einzelnen Bistümern benennen, erklärte der Bischofskonferenz-Vorsitzende Bischof Bätzing. Unter „Geistlichem Missbrauch“ werden die Leiden von Menschen zusammengefasst, die von Seelsorgern etwa bei der Beichte oder im Rahmen religiöser Lebensbegleitung manipuliert oder unter Druck gesetzt wurden.
Als Vorsitzender der Bischofskonferenz verteidigte der Limburger Bischof Georg Bätzing die Missbrauchs-Aufarbeitung gegen Kritik. In der öffentlichen Wahrnehmung scheine es mitunter, „als ob sich die Kirche überhaupt nicht bewege“, sagte er am Donnerstag zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung. Tatsächlich habe das Thema aber auch auf dem nun beendeten Bischofstreffen hohe Priorität gehabt. Bätzing verwies unter anderem auf Überlegungen, die kirchliche Strafprozessordnung zu ändern, eigene Strafgerichte einzurichten und die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche zu reformieren. Diese Überlegungen seien weit gediehen und müssten nun mit Rom abgestimmt werden.
„Ein skandalöse Bild von Kirche, was wir derzeit abgeben.“
Alle Bischöfe stünden in der Verantwortung; die Aufarbeitung sei noch lange nicht abgeschlossen, fügte Bätzing hinzu. Mit Blick auf die hohen Kirchenaustrittszahlen im Erzbistum Köln als Folge der Kritik an der Aufarbeitung des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki fügte Bätzing hinzu: „Kirchenaustritte nehmen wir wahr als eine Reaktion auf das skandalöse Bild von Kirche, was wir derzeit abgeben.“
Bereits Monate vor der aktuellen Zuspitzung der Situation in Köln hatten sich die Bischöfe für den gestrigen Mittwoch zu einem eigenen Studientag zu den „Erfahrungen mit Kirchenaustritten und Kirchenverbleib“ verabredet. Eine der Gast-Referentinnen dieses Studientags war am Mittwoch Regina Laudage-Kleeberg, Referentin für Organisationsentwicklung im Bistum Essen und Mitherausgeberin der Studie „Kirchenaustritt – oder nicht? Wie Kirche sich verändern muss“. In dieser Untersuchung hatte sich das Ruhrbistum bereits 2018 mit Konsequenzen aus Kirchenaustritten und einer stärkeren Mitgliederorientierung beschäftigt. Sie habe „sehr nachdenkliche, fragende Bischöfe erlebt“, sagte Laudage-Kleeberg nach einem Workshop mit zehn der insgesamt knapp 70 deutschen Bischöfe. Sie habe versucht, „die Bischöfe zu ermutigen, stärker vom Anderen her zu denken“. Dabei sei es aus ihrer Sicht für die Geistlichen „durchaus souverän, sich als Fragende zu präsentieren“.
Menschen ansprechen, die die Gemeindeseelsorge nicht erreicht
Dass diese Haltung auch zu neuen Wegen des Kircheseins führen kann, hat bereits die Essener Studie angedeutet – und am Mittwoch auch die Bischöfe bewegt: „Unterschiedliche Studien aus den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass die Gemeinde- beziehungsweise Territorialseelsorge den weitaus größeren Teil von Katholiken nicht mehr erreicht“, erklärte der Vorsitzende der Pastoralkommission der Bischofskonferenz, der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. Die Kirche müsse den Blick weiten auf Menschen, die sich in der klassischen Pfarrgemeinde nicht mehr beheimatet fühlten und doch noch etwas von ihrer Kirche erwarteten.
Es gelte, auch ihre Perspektive einzunehmen und ihre Sprache zu verstehen, sagte der Konferenzvorsitzende Bätzing. „Das wünschen sich vor allem Menschen mit Brüchen in der Biographie, Menschen, die nicht selten auch durch lehramtliche Aussagen oder Ausschlüsse vom kirchlichen Leben sehr verletzt wurden.“
Bischöfe beteiligen sich an Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung
Die Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort brauchten dafür ein Signal der Bischöfe, dass neue Wege, Kreativität und Offenheit möglich seien, ohne gleich zu wissen, was dabei herauskommt. „Dabei ist uns sehr bewusst, dass uns dies nur ökumenisch, mit den Christen der anderen Konfessionen gelingen kann“, betonte Bätzing. Deshalb werde sich die Bischofskonferenz künftig an der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) der Evangelischen Kirche beteiligen. Sie analysiert die Haltung und Auffassungen ihrer Mitglieder seit 1973 in Form von Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen.
Bätzing: „Mehr Vielfalt und Ungleichzeitigkeiten ermöglichen.“
Bätzing betonte, die Bischöfe müssten bereit sein, mehr Vielfalt und Ungleichzeitigkeiten zu ermöglichen und auszuhalten – „auch in den Glaubenswegen, in den Formen von Kirchesein, in der Offenheit der Lebenswege und der Wahrheitssuche von Menschen“. Der Limburger Bischof weiter: „Wir befinden uns in einem epochalen Umbruch von Kirche und Christsein heute. Wir merken, dass die alten Bilder von Seelsorge und auch von Leitung in der Kirche nicht mehr tragen, aber wir haben noch keine neuen Bilder.“
Scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik der EU
Die Bischöfe nahmen auch gesellschaftspolitische Themen in den Blick. Sie kritisierten die EU scharf. In Bosnien-Herzegowina und Griechenland harrten Flüchtlinge unter erbärmlichen Bedingungen in Lagern aus. „Vor unserer Haustür geschieht Menschenverachtendes“, sagte Bätzing. „Die mangelnde Solidarität unter den EU-Mitgliedstaaten und eine bewusste Politik der Abschreckung haben zu dieser Situation entscheidend beigetragen. Damit muss Schluss sein.“
Ablehnende Haltung gegenüber Suizidbeihilfe
Erneut bekräftigte die Konferenz ihre ablehnende Haltung gegenüber jeder Form der Suizidbeihilfe. „Wir können uns nicht damit abfinden, dass dies ein Angebot in unserer Gesellschaft wird“, so der Limburger Bischof. Stattdessen forderte er von der Politik, die Palliativarbeit stärker auszubauen. Auch die Kirche wolle die Begleitung von alten und kranken Menschen in der letzten Lebensphase verbessern, sagte er zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung, die im nächsten Jahr in Vierzehnheiligen im Erzbistum Bamberg stattfinden soll.
Neuer Hauptgeschäftsführer für Adveniat
Bei ihrem Frühjahrstreffen haben die deutschen Bischöfe auch einen neuen Chef für das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat gewählt. Der Jesuit Martin Maier wird neuer Hauptgeschäftsführer des in Essen ansässigen Werks. Der promovierte Theologe wird damit Nachfolger von Pater Michael Heinz, der nach fünf Jahren als Leiter von Adveniat nach Lateinamerika zurückkehren wird. Maier hat im mittelamerikanischen El Salvador studiert und als Priester gearbeitet. „Mit P. Dr. Martin Maier steht erneut ein ausgewiesener Lateinamerika-Kenner an der Spitze von Adveniat“, betont Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck. „Ich bin sicher, dass er mit seinem großen Erfahrungsschatz die Arbeit von Adveniat sehr bereichern und wirksam voranbringen kann. Mit P. Dr. Maier und Frau Tanja Himer, die bereits seit dem 15. Februar in der Adveniat-Geschäftsstelle verantwortlich tätig ist, hat unser katholisches Lateinamerika-Hilfswerk eine starke und fachkundige Geschäftsführung.“