von Lisa Myland

Bibel-Lettering: Gedanken, die zu Kunst werden

Ruhig, aber freundlich und bestimmt begrüßt Rebecca Weidenbach die Zuschauerinnen und Zuschauer ihres Live-Videos auf dem Instagram-Kanal des Bistums Essen, die wie oft am Donnerstagabend ab halb neun eintrudeln – Menschen, die ihr regelmäßig zuschauen, aber auch immer wieder Neugierige, die wissen möchten, was genau sie da eigentlich macht. Die Gemeindereferentin hat sich an diesem Abend für Psalm 34 aus der Bibel entschieden, für Zeilen, die sehr deutlich machen, welche Gedanken die 31-Jährige seit rund zwei Wochen beschäftigen. „Meide das Böse und tu das Gute, suche den Frieden und jage ihm nach“, liest sie laut vor. Die Kamera ihres Smartphones zeigt jetzt auf die quer auf dem Tisch liegende Bibel. Sie hat besonders dickes Papier, viel freien Platz rund um die Absätze. Mit einem grauen Buntstift fängt Rebecca an, rechts neben die Textzeilen zu malen.

Sich selbst fokussieren und andere inspirieren

„Als morgens die ersten Nachrichten über den russischen Angriff auf die Ukraine in meinen Apps aufgetaucht sind, hat mich das sehr geschockt. Ich habe schnell gemerkt, dass es mir schwer fällt mit dieser Kriegssituation umzugehen, habe das so ja noch nie erlebt“, teilt sie ihre persönlichen Gedanken mit den Zuschauerinnen und Zuschauern. Nach einigen Minuten befinden sich auf der Seite ihrer Bibel sieben graue Teile von Buchstaben. „Ich habe immer wieder überlegt, wie ich meinen eigenen Alltag trotz dieser Nachrichten meistern kann und wie ich die Menschen unterstützen soll.“ Weidenbach malt mit einem roten Stift den oberen Teil des Buchstabens „F“, nimmt dann einen durchsichtigen Plastikstift dazu. „Das ist ein Wassertankpinsel, damit könnt ihr die Farben verblenden“, erklärt sie kurz, bevor sie mit orange, gelb, grün, blau und lila sechs weitere Buchstaben malt.

Ihr erstes Lettering malte sie vor einigen Jahren als Leiterin auf einer Jugendfreizeit, entdeckte kurze Zeit später das Lettern in einer Bibel bei Instagram und stellte schnell fest, dass sie auf diese Art ihre eigene Ausdrucksform zum Bibel lesen und deuten gefunden hatte. „So kann ich meine Gedanken in Worten ausdrücken, die dann zu Kunst werden. Ich kann immer wieder Verse finden, die für mich eine besondere Bedeutung haben, aber auch andere zum Nachdenken anregen können“, sagt sie. “Außerdem habe ich eine sehr schlechte Handschrift, aber hier werden die Buchstaben zu etwas Schönem.” Seit letztem Sommer teilt sie ihre Leidenschaft regelmäßig Donnerstagabends aus ihrem Wohnzimmer über den Instagram-Kanal des Bistums Essen. Zwischendurch sind es auch mal über 100 Menschen, rund 25 sind immer dabei, hören einfach zu oder machen selbst mit beim kreativen Malen und Skizzieren. „Am Anfang war es schon komisch, so ins Handy zu quatschen, ohne die anderen zu sehen“, erzählt Rebecca. „Aber ich sehe ja die Reaktionen direkt live, bekomme Likes oder Nachrichten mit Fragen.“ Auch nach den Videos melden sich die Instagram-Nutzer bei ihr, fragen nach der Technik oder Stiften oder wollen sich einfach nochmal zum Thema austauschen.

Feedback von Nutzern über die Bistumsgrenzen hinaus

Dabei erreicht sie auch Menschen, die aus ganz Deutschland kommen. „Das ist das Tolle, dass diese Abende nicht auf das Bistum begrenzt sind und wir uns über diese gemeinsame Leidenschaft vernetzen können“, sagt Rebecca. Die Live-Videos sind für sie eine echte Multi-Tasking-Aufgabe zwischen erklären, malen und Gedanken sortieren, die sie mittlerweile entspannt angeht, bei der sie selbst zur Ruhe kommen, sich aber auch nochmal sehr fokussiert mit Themen auseinandersetzen kann. “Wenn ich die Bibel immer mal wieder zwischendurch in die Hand nehme und durchblättere, weiß ich beim Blick auf die gemalten Worte sofort, worum es ging und was mich an diesem Thema bewegt”, sagt sie. “Das ist eine ganz andere, sehr schöne Art der Erinnerung, fast wie ein Tagebuch.”

Mit sanften Strichen hat Rebecca die Farben der Buchstaben ineinander fließen lassen. Rund 20 Minuten sind seit dem Start ihres Live-Videos vergangen. Bunt leuchtet neben dem Bibelpsalm das Wort, nach dem sie sich in den vergangenen Tagen immer mehr sehnt: „Frieden.“

Pressestelle Bistum Essen

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