von Thomas Rünker

„Betroffene zeigen Gesicht!“ sensibilisiert für das Thema sexualisierte Gewalt in der Kirche

Das ökumenische Café Mary & Joe am Oberhausener Centro zeigt ab Sonntag, 19. Januar, die Ausstellung „Betroffene zeigen Gesicht!“ über sexualisierte Gewalt in der Kirche. Mit den Fotos und Texten sowie zahlreichen begleitenden Veranstaltungen möchten die Organisatoren für das Thema sensibilisieren und Betroffene ermutigen, sich helfen zu lassen.

Die Fotos zeigen Kinder in Erstkommunionkleidern und -anzügen, Ministranten in Gewändern oder eine Teenagerin in ihrem Zimmer. Sie sind schwarz-weiß oder farbstichig, so dass man ihnen ihr Alter ansieht wie in einem Familienalbum. Verstörend werden die Fotos in den hellen hölzernen Rahmen erst durch die kurzen Texte, die darunter abgedruckt sind: In wenigen Zeilen berichten die auf den Fotos abgebildeten Kinder und Jugendlichen, welches Leid ihnen Priester, Ordensleute, Jugendleiter oder Mitarbeitende in kirchlichen Kinderheimen durch sexualisierte Gewalt angetan haben. Die Taten liegen Jahrzehnte zurück, doch die Berichte sind – anders als die Fotos – aktuell, verfasst von Menschen, die heute erwachsen oder schon im Rentenalter sind. „Dieses Ausmaß des Leids, dieses lebenslange Leiden, das ist mir erst durch diese Ausstellung so richtig bewusst geworden“, sagt Martin Fey von der Oberhausener Initiative „Kirche vor Ort verändern“.

Mit ihrer ehrenamtlichen Initiative aus der Oberhausener Pfarrei St. Marien haben Martin und Ele Fey die 2022 in Süddeutschland erstellte Ausstellung Betroffene zeigen Gesicht!” jetzt ins Ruhrgebiet geholt: Ab Sonntag, 19. Januar, ist sie bis zum 14. Februar im ökumenischen Kirchenzentrum am Platz der Guten Hoffnung in Oberhausens Neuer Mitte zu sehen. Wird sonst beim Thema sexualisierte Gewalt in der Kirche oft über Zahlen und Strukturen gesprochen, „steht hier die Perspektive der Betroffenen im Mittelpunkt“, erläutert Fey. Das soll Menschen die Augen vor allem für die langfristigen Folgen öffnen, die sexualisierte Gewalt für die Betroffen hat, „wir möchten mit der Ausstellung aber auch Betroffenen Mut machen, sich Hilfe zu suchen“, so Fey – gerade Menschen, die ihre leidvolle Geschichte bislang nur mit sich selbst ausmachen.

Das betont auch Claudia Marcinek, die den Betroffenenbeirat im Bistum Essen vertritt. „Den Betroffenen ist es wichtig, ihr Leid öffentlich zu machen, um andere zu ermutigen, sich zu öffnen.“ Unter den 15 Leidensgeschichten der Ausstellung sind auch welche aus dem Bistum Essen – darunter die von Johannes Norpoth aus Gelsenkirchen.

Ein ökumenisches Projekt – und eine Verantwortung der Gesellschaft

Der Betroffenenbeirat im Bistum Essen ist einer der Partner bei dem Ausstellungsprojekt. Hinzu kommen neben der Pfarrei-Initiative „Kirche vor Ort verändern “ und dem Kirchenzentrum mit dem Café Mary & Joe die Stadtkirche Oberhausen mit dem Katholikenrat und der Evangelische Kirchenkreis Oberhausen. Der Katholikenrats-Vorsitzende Thomas Gäng hebt hervor, dass sich auch die evangelische Kirche an dieser Ausstellung beteiligt, obwohl diese primär Betroffene aus katholischen Umfeldern zeigt: „Dabei geht es nicht darum, unsere katholische Schuld zu reduzieren, sondern zu zeigen, dass wir bei diesem Thema als Gesellschaft eine Verantwortung haben“, macht Gäng deutlich. Oberhausens Superintendent Joachim Deterding ergänzt, es handele sich bei sexualisierter Gewalt in den Kirchen „um eine gemeinsame Schuld. Wir sind in den Grundlagen anders als die katholische Kirche, aber nicht besser“.

Öffnungszeiten und Kontakt

Innerhalb des Café Mary & Joe im Ökumenischen Kirchenzentrum am Centro Oberhausen ist die Ausstellung „Betroffene zeigen Gesicht!“ vom 19. Januar bis 14. Februar zu folgenden Zeiten geöffnet:

  • montags, 16 bis 20 Uhr
  • dienstags, 10 bis 14 Uhr
  • donnerstags, 16 bis 20 Uhr
  • freitags 10 bis 14 Uhr
  • samstags, 12 bis 16 Uhr

Das Thema der Ausstellung bringt Besonderheiten mit sich, die „Betroffene zeigen Gesicht!“ von anderen Ausstellungen unterscheiden. So darf im Raum der Stille des Kirchenzentrums, in dem die Bildtafeln stehen, nicht fotografiert und gefilmt werden – die Betroffenen haben darum gebeten, ihre Fotos und Geschichten nur im Kontext der Ausstellung zu veröffentlichen. Zu den Öffnungszeiten der Ausstellung wird immer eine Ansprechperson vor Ort sein. So können sich Gäste – wenn gewünscht – direkt über ihre womöglich aufwühlenden Eindrücke austauschen. Außerdem können gegebenenfalls Betroffene über diese Person direkt Kontakt zu Hilfseinrichtungen erhalten. Auch zahlreiche Informationsblätter mit Hilfs- und Beratungsangeboten liegen bereit.

Umfangreiches Begleitprogramm

Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm, das ebenfalls das Ziel hat, Menschen für das Thema und vor allem die Sicht der Betroffenen zu sensibilisieren.

Folgende Programmpunkte sind im Café Mary & Joe geplant:

  • Ausstellungseröffnung am Sonntag, 19. Januar, 15 Uhr, mit Begrüßungsworten der an der Ausstellung beteiligten Organisationen,
  • Frühstück von und mit Betroffenen, jeweils dienstags (21. und 28. Januar sowie 4. und 11. Februar) von 10 bis 12 Uhr,
  • „Lebenslang – das Leben nach dem Missbrauch“, ein moderiertes Gespräch mit von sexualisierter Gewalt Betroffenen, am Donnerstag, 23. Januar, 18 Uhr,
  • „Schutz vor sexualisierter Gewalt“, Informationen zu Präventionsmaßnahmen und Ansprechstellen mit Dorothé Möllenberg, Präventionsbeauftragte im Bistum Essen und Nadine Multhoff von der psychologischen Beratungsstelle der Stadt Oberhausen, Dienstag, 28, Januar, 18 Uhr,
  • „Hilfe und Unterstützung für Betroffene von sexualisierter Gewalt“, Informationen zur Aufarbeitung und zu Verfahren zur Anerkennung des Leids mit Martin van Ditzhuysen, Ansprechperson für Betroffene (Bistum Aachen und Ordensgemeinschaft der Redemptoristen), Dienstag, 11. Februar, 18 Uhr,
  • Finissage am Freitag, 14. Februar, um 18 Uhr mit einem Gastvortrag von Matthias Katsch, Geschäftsführer des Vereins „Eckiger Tisch“.

Geschäftsführende Referentin Betroffenenarbeit

Claudia Marcinek

Zwöfling 16
45127 Essen

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen