Ausstellung in Essener Kirche zeigt weitere Entwürfe zum „Denkort Corona“
Seit dem Frühjahr lädt im Essener Stadtteil Bedingrade eine künstlerisch gestaltete Sitzbank – die sich beim näheren Hinschauen als Krankentrage entpuppt – als „Denkort Corona“ dazu ein, sich mit den Folgen der Pandemie zu beschäftigen. Anstelle der Bank könnte aber auch eine begehbare Konstruktion aus Stahlrohren an der Frintroper Straße stehen, die an eine Dornenkrone erinnert – schließlich beschreibt der Ausdruck „corona de spinis“ aus der lateinischen Bibelübersetzung eben dieses antike Folterinstrument aus der Leidensgeschichte Jesu. Oder es könnte ein 2,40 Meter hoher und 9,90 Meter breiter Paravent dort stehen, der an die Spuckschutzwände erinnert, die seit der Pandemiezeit Menschen auf Abstand halten und für Ansteckungsschutz sorgen. Dies waren zwei weitere der 60 Einsendungen, mit denen sich Künstlerinnen und Künstler aus ganz Deutschland am Wettbewerb „ars LITURGICA“ beteiligt haben. 15 Beiträge hat die Jury nun für eine Ausstellung ausgewählt, die seit Freitag in der Kirche St. Franziskus, Rabenhorst 2 in Essen, zu sehen ist, keine 100 Meter vom tatsächlich realisierten „Denkort Corona“ mit dem Titel „Gemeinschaftstrage“ entfernt. Die Ausstellung mit Skizzen und Modelle ist bis Sonntag, 15. September, montags bis freitags von 15 bis 18 Uhr geöffnet sowie sonntags ab 10.45 Uhr im Anschluss an den Gottesdienst.
Overbeck: Bewältigung der Corona-Herausforderungen ist bleibende Aufgabe
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, Schirmherr des „ars LITURGICA“-Wettbewerbs, warb in seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung intensiv für Denkorte wie die „Gemeinschaftstrage“ zur Unterstützung der Aufarbeitung der Pandemie. Viel zu schnell werde ausgeblendet „dass die ,Bewältigung‘ der ökonomischen, gesellschaftlichen und vor allem sozialen Herausforderungen der Pandemie eine bleibende Aufgabe ist“. Man könne die Pandemie nicht „als abgeschlossene Krise begreifen und zu einer scheinbaren ,Normalität‘ zurückkehren“. Denkorte wie der an der Frintroper Straße „durchkreuzen Bewältigungsversuche, die Krisen eben bloß als ,Störfälle des Alltags‘ begreifen und das oft verklärte Vergangene unkritisch wieder ins Recht setzen wollen“.
„Wir haben einiges gelernt – und wir haben manches viel zu schnell wieder vergessen“, sagte die Sabine Lethen Pfarrbeauftragte der Pfarrei St. Josef, mit Blick auf Lockdowns und die Hochphase der Coronazeit. Deshalb seien Erinnerungsorte so wichtig, „ich bin glücklich, dass wir einen solchen Ort in unserer Pfarrei haben“.
Die Initiative „ars LITURGICA“
Die Initiative „ars LITURGICA“ verfolgt das Ziel, zeitgenössische Gestaltungsformen von Sakralobjekten zu fördern. Ins Leben gerufen vom damaligen Kunstverein im Bistum Essen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Liturgischen Institut in Trier und dem Liturgiewissenschaftlichen Lehrstuhl an der Bochumer Ruhr-Universität lädt sie seit 2010 – dem Jahr als Essen Kulturhauptstadt Europas war – immer wieder zu Wettbewerben ein. Themen der bisherigen Wettbewerbe waren unter anderem ein Fastentuch für die Heilig-Kreuz-Kirche in Gladbeck, das Vortragekreuz für die Essener Pfarrei St. Josef Frintrop und eine Weihnachtskrippe für die Gelsenkirchener Propsteikirche St. Augustinus.
Arnd Brechmann, Vorsitzender Stiftung St. Josef und laut dem „ars LITURGICA“-Sprecher Pater Philipp Reichling „der Motor“ des Essener Denkorts Corona, Verwies auf den bewusst gewählten Standort der „Gemeinschaftstrage“ nahe der Frintroper / Ecke Aktienstraße: „Zwischen einem Altenheim, einer Schule, einer Kirche, einer Kita – und in der Nähe eines Baumarkts“ – alles Orte mit einer besonderen Bedeutung und Rolle in der Pandemie. Und er verwies auf die ganz individuellen Erfahrungen während der Corona-Pandemie und deren Auswirkungen bis heute.
Einer, der an ganz konkreten medizinischen Auswirkungen von Corona leidet, ist just der Schöpfer der „Gemeinschaftstrage“: Der Berliner Künstler Peter Sandhaus konnte wegen „long covid” nicht bei der Ausstellungseröffnung dabei sein.