Auf den Spuren des Heiligen Franziskus: Wallfahrende unterwegs in Assisi
Vor der Abschlussmesse erklärt Bruder Thomas von den hiesigen Franziskanern den Pilgernden aus dem Ruhrbistum die Kunstwerke in der Basilika San Francesco in Assisi. Fotos: Simon Wiggen | Bistum Essen
Als die zehn Reisebusse auf die nächste große Kreuzung im römischen Stadtverkehr abbiegen, zeigt sich den Pilgernden am frühen Morgen der beleuchtete Petersdom nochmal in seiner beeindruckenden Größe. Bevor die Stadt wieder im Trubel zwischen hupenden Rollern, pfeifenden Carabinieri und vielen Gläubigen und Touristen erwacht, machen sich die rund 330 Menschen aus dem Bistum Essen auf den Weg nach Assisi. Der kleine, mittelalterliche Ort 180 Kilometer weiter nordöstlich ist das Ziel für die letzten zwei Tage der Wallfahrt.
Direkt hinter den hohen, steinernen Torbögen der Oberstadt steigen die schmalen Straßen steil an, umrahmt von eng aneinandergereihten sandfarbenen Häusern mit Holzfensterläden, unter denen immer wieder Blumen in die Gassen ranken. Für viele Pilger ist Assisi so bedeutsam, weil hier der Heilige Franziskus begraben liegt, bekannt als Begründer des Franziskanerordens und seinem freiwillig gewählten Leben in Armut. An einem der Häuser steht eine Tür offen, eine ältere Frau kommt mit einer Mülltüte heraus und ermöglicht einen kurzen Blick in ihr Wohnzimmer, bevor sie die Tür wieder vor den Augen der fremden Menschen auf den Straßen schließt. Zwischen die Wohnhäuser reihen sich kleine Eiscafés, Handarbeitsläden und Souvenirshops ein und lenken den Weg der Pilgernden weit hinauf durch den Ort.
Bergauf und bergab durch das herbstliche Umbrien
Immer wieder treffen die Menschen der Essener Wallfahrt auf dieser Straße aufeinander, legen spätestens auf dem Piazza del Comune eine Pause in kleinen Gruppen ein. Auch Jil Hußlein aus Wattenscheid sitzt vor einem Becher Spaghettieis. Für sie ist es die erste Wallfahrt, auf die Reise gemacht hat sie sich mit ihrer Mutter Anja. An ihrem Tisch sitzen andere Pilger aus dem Ruhrgebiet, kennengelernt haben sie sich schon beim Vorbereitungstreffen der Wallfahrt, machen immer mal wieder gemeinsam Pause und kommen ins Gespräch: Über das Erlebte hier vor Ort, aber auch die verbindende Heimat zuhause und alltägliche Dinge dort. Einige Meter weiter ist auch Jonathan unterwegs, der die Herbstferien mit seinen Eltern hier verbringt. Für den Achtjährigen gab es schon viele Highlights auf dieser Reise. „Ich fand die Katakomben toll, weil man da sehen konnte, wie es früher war. Der Petersdom war auch sehr schön, aber ich wusste fast gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll“, sagt er.
15 Kilometer entfernt macht sich der andere Teil der Gruppe in Valfabricca zu Fuß auf den Weg nach Assisi. Rund 90 Pilgernde sind hier auf den Spuren des Heiligen Franziskus unterwegs. Es geht bergauf und bergab durch das herbstliche Umbrien – mal durch Birkenwälder, dann wieder vorbei an Wiesen, Feldern und Weinbergen. Irgendwann taucht zwischen den Zypressen der Turm der San-Francesco-Kirche in Assisi auf und wird langsam größer. Ein letzter Anstieg und nach gut fünf Stunden Wanderung ist die Gruppe in der Wirkungsstätte des Heiligen Franz von Assisi angekommen. Unter ihnen auch Emile Rijcken, der mit 87 Jahren der älteste Teilnehmer der Wallfahrt ist. „Was für ein tolles Erlebnis!“, sagt er. „Eine wunderschöne Wanderung in einer beeindruckenden Landschaft. Ich konnte unterwegs sogar viele Fotos machen.“
Zu Ehren des Franziskus': Eine Kirche um die Kapelle gebaut
Am letzten Tag der Wallfahrt sind dann alle Pilgernden nochmal rund um Assisi unterwegs. In der Basilika Santa Maria degli angeli bestaunen die Pilgernden die „Kirche in der Kirche": Die kleine Portiuncula-Kapelle hat der Heilige Franziskus selbst wieder aufgebaut und wurde zum Zentrum seines Franziskaner-Ordens. Der Legende nach starb er im Jahr 1226 auf dem nackten Steinboden dieser Kapelle. Jahrhunderte später ließ Papst Pius V. die imposante Barock-Kirche Santa Maria degle angell um die winzig wirkende Kapelle herumbauen.
Betrachtet man die Oberstadt von Assisi in ihrer länglichen Form von Westen bis Osten, sind beide Seiten von zwei weiteren für den Ort wichtigen Kirchen geprägt. Die Basilika von Franziskus im unteren Stadtteil ist die Grabeskirche des Heiligen, weiter oben in der Stadt liegt die der heiligen Klara von Assisi geweihte Basilika Santa Chiara – beide stehen für das Wirken der Heiligen als Ordensbegründer und ihren gewählten Leben in Armut. Ein Ort, an den Franziskus immer wieder kam, um sich zurückzuziehen und zu beten, ist die Einsiedelei Eremo di caceri: Der Weg von Assisi durch die Steineichenwälder ist nicht weit, hat es aber mit 400 Höhenmetern in sich. Spektakuläre Ausblicke über das Tal belohnen für den Schweiß am Anstieg. Angekommen in der Einsiedelei erwartet die Pilgernden ein sehr ruhiges und idyllisches Fleckchen Erde.
Etwa eine halbe Stunde Busfahrt von Assisi entfernt liegt die Stadt Spoleto. Sie durchqueren die Reisenden der Wallfahrt auf alten Handelswegen und engen Gassen, einige lassen sich Geschichte und Architektur von Reiseführern erklären, andere erkunden die Stadt selbst. Zu ihnen gehört auch Gesine Komander, die mit ihrer Freundin und deren Schwester und Mutter auf Wallfahrt ist. Als erste Wallfahrt ist die Reise etwas Besonderes für sie, auch wenn sie in diesem Jahr bereits in Taizé unterwegs war. „Das hier hat aber nochmal einen ganz anderen Charakter. Hier fühle ich mich ganz anders nach oben zu Gott verbunden, kann auch Kraft tanken“, sagt die 45-jährige Essenerin. Für sie steht schon jetzt fest: „Ich würde auf jeden Fall nochmal mitfahren.“
"Hoffnung ist nicht nur ein schöner Gedanke, sondern Kraft, die uns trägt"
Am letzten Abend kommen alle Pilgernden noch einmal in der Kirche San Francesco zusammen, feiern gemeinsam mit Bischof Franz-Josef Overbeck und Weihbischof Ludger Schepers den Abschlussgottesdienst der Wallfahrt. „Äußerlich kehren wir als die gleichen Menschen nach Hause zurück“, sagt Schepers zu den Menschen, mit denen er die vergangenen sechs Tage in der Heiligen Stadt und der Wirkungsstätte des Heiligen Franziskus unterwegs war. „Aber vielleicht dankbarer, gelassener, vertrauter.” Alle gemeinsam hätten in Rom und Assisi viel erlebt an Orten, an denen Menschen schon immer den sie verbindenden Glauben gelebt haben, hätten durch das Pilgern gelernt, mit offeneren Augen und dankbarem Herzen durch das Leben zu gehen.
„Auch wenn wir uns in wenigen Stunden alle wieder auf den Weg nach Hause machen, lassen wir die Hoffnung nicht hier. Denn sie ist nicht nur ein schöner Gedanke, sie ist Kraft, die uns trägt. Und wer hofft, lebt schon heute anders“, sagt Schepers. Ein Gedanke, den die 330 Pilgernden spätestens beim Verlassen der Franziskuskirche nochmal verinnerlichen, als die Lichter der Stadt Assisi ihnen hoch oben entgegenfunkeln, wie tausende kleine Hoffnungsschimmer.











