„Annehmen statt wegsehen“ – Theologe Feige über echte Reformen und neue Horizonte

Der Freiburger Theologe Feige hat ein Bild von einer lebendigen Kirche in der Minderheit vorgestellt. (Foto: Simon Wiggen | Bistum Essen)
Der Termin steht jedes Jahr fest im Kalender der Seelsorgenden im Bistum Essen, jedes Mal steht ein anderes Thema im Fokus des „Tages der pastoralen Dienste“. In diesem Jahr lag der Schwerpunkt der Veranstaltung im Essener Hotel Franz auf dem Programm „Christlich leben. Mittendrin.“ (CLM) und dessen Auswirkungen auf die pastoralen Mitarbeitenden. Es geht um Rollenverständnis, Gottesbilder, Evangelisierung, Sozialformen von Kirche und vor allem um das „Warum“.
Evangelium auf dem Marktplatz: Overbeck über neue Formen kirchlicher Präsenz
Gleich zu Beginn hat Bischof Overbeck in seiner Eröffnung das theologische Fundament dargelegt – nicht nur für den Tag, sondern für das ganze Programm, das nach und nach im gesamten Bistum die Kirche von Grund auf verändern wird. „Alles was wir tun, muss der Evangelisierung dienen“, sagt Bischof Overbeck. Das Programm dürfe nicht nur organisatorische Auswirkungen haben. „Wir müssen die Menschen aufrütteln mit der Botschaft Gottes.“ Das Evangelium müsse mitten im Alltag präsent sein, in Familien, Schulen, auf dem Marktplatz, in Kultur und Arbeitswelt. „Christliches Leben findet überall dort statt, wo Menschen sich im Geist Jesu engagieren – in den Pfarreien, aber ebenso in Schulen, Kitas und sozialen Einrichtungen. Solche Präsenz zu fördern, ist Teil von Evangelisierung: Christsein mitten im Leben der Gesellschaft.“ Darum darf – so Overbeck - ein Strukturprozess niemals an der Gemeinschaft vorbeiplanen. „Christlich leben mittendrin muss bedeuten: in neuen Strukturen Formen lebendiger Gemeinschaft zu fördern.“
Von der Steckdose zum Reiseadapter: Wie Kirche anschlussfähig bleiben kann
Andreas Feige vom Lehrstuhl für Pastoraltheologie in Freiburg hat in seinem Vortrag ein neues Bild von Kirche gezeichnet, die lebendig ist, obwohl sie in der Minderheit ist. Dabei legte er auf dem Weg dorthin den Fokus auf das „Annehmen“ und das „Umziehen“. „Die Reform der Kirche stockt nicht wegen mangelnder Erkenntnis, sondern am fehlenden Annehmen der Wirklichkeit.“ Nur wer sich mit der Wirklichkeit konfrontiert, könne zu neuen Horizonten kommen, so der Pastoraltheologe weiter. Wie die Kirche hinter diesen Horizonten aussehen könnte, erläuterte Feige am Bild der Kirche als Steckdose, die sich über die vergangenen Jahre hinweg hin zu einer Steckerleiste entwickelt habe, aber eigentlich wie ein Reiseadapter sein müsse. Statt mit normierten Vorgaben an wenigen Orten zu sein, müsse die Kirche pluraler werden. Feiges Idee von Kirche: „Wir müssen anschlussfähig für verschiedene Gottesbilder sein - genauso wie für verschiedene Sozialformen von Kirche. Manche mit weniger Bindung, manche sehr eng und regelmäßig, andere spontan und zufällig.“
Impulse von außen: Kirche soll Orientierung geben und Allianzen suchen
Wie sich jemand diese Pluralität vorstellen könnte, der nicht für die Kirche arbeitet, zeigten drei ganz unterschiedliche Gäste in ihren kurzen Statements. Irene Wollenberg, die sich in Essen-Steele für ein buntes Miteinander und gegen den Rechtsruck der Gesellschaft engagiert, wünschte sich von Kirche mehr Engagement und eine engere Zusammenarbeit für eine offene Gesellschaft. David Lüngen, Stadtdirektor in Mülheim, machte deutlich: „Kirche wird gebraucht, weil sie den Blick auf den Menschen legt. Bleiben Sie nah an den Menschen, bieten Sie weiterhin Orientierung und suchen Sie sich Allianzen – nur so kann etwas Wertvolles entstehen.“ Auch Jennifer Poschen, Schulleiterin in Duisburg-Hochfeld und selbst aus der Kirche ausgetreten, legte den pastoralen Mitarbeitenden nahe: „Die Kirche ist doch für die Menschen da.“
Dass die „Musik vor Ort“ spiele, machte Programm-Manager Günther Eilers noch einmal im Themenblock „Christlich leben. Mittendrin“ mit Generalvikar Klaus Pfeffer deutlich. „Wir wollen mit dem Programm die Rahmenbedingungen für das Gute vor Ort schaffen.“ Björn Szymanowski (Bereichsleiter Pastoralentwicklung), Jessica Lammerse, Ausbildungsleitung Pastorales Personal, und Kai Reinhold, Personalbereichsleiter, gingen der Frage nach, welche Rolle man selbst in diesem Veränderungsprozess und darüber hinaus einnehmen möchte und wie das Programm CLM dabei unterstützt.
Noch konkreter wurde es am Nachmittag in zehn verschiedenen Workshops, wo es unter anderem um Crossmedialität in der Glaubenskommunikation, Netzwerken in Stadt- und Kreis(kirche), Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder um die Gestaltung von Lebenswenden ging.