Abschied von der St.-Gertrud-Kirche und Neuanfang am Essener Dom

Foto: Oliver Müller | Bistum Essen
1887 geweiht, nach schweren Kriegs-Schäden wiederaufgebaut, jahrzehntelang Glaubens-Heimat für Generationen von Katholikinnen und Katholiken – und nun auf dem Weg zur „Kreativ-Kathedrale“: In einer letzten Heiligen Messe mit Bischof Franz-Josef Overbeck hat sich die Innenstadtpfarrei St. Gertrud am Sonntag, 22. Juni 2025, von ihrer Pfarrkirche verabschiedet. Mit diesem Gottesdienst endet die Geschichte dieses Gebäudes als Gotteshaus. Die Pfarrei hat die stadtbildprägende Immobilie am Viehofer Platz verkauft und feiert ihre Gottesdienste künftig – neben den anderen Gemeindestandorten in Huttrop, Holsterhausen und dem Südostviertel – am Dom in der Anbetungskirche St. Johann. Aus der St.-Gertrud-Kirche wird ein Zentrum für Kunst, Bildung und Kultur, dessen Hauptnutzer die Hochschule der bildenden Künste (HBK) wird, die bislang in Essen-Kupferdreh zu Hause ist. Bereits im Herbst möchte die Hochschule dort starten. Baulich soll an der Kirche nur wenig verändert werden.
Für die Mitglieder der Pfarrei stand schon lange fest, dass die Kirche als Gottesdienstort aufgegeben wird. Dennoch war die Feier für viele Gläubige ein emotionaler Moment, in dem Trauer und Abschied im Vordergrund standen, in Liedern und Texten aber auch der Aufbruch der Gottesdienstgemeinde hin zur neuen Heimat am Dom betont wurden.
„Wenn wir im Anschluss an die Hl. Messe die Eucharistie in einer Sakramentenprozession in die St. Johanneskirche, die neue Pfarrkirche der Innenstadtpfarrei von Essen, tragen, dann ist dies ein Zeichen, dass wir zwar an einem anderen Ort, aber doch in der Mitte der Stadt und so mitten unter den Menschen, das Geheimnis der Wandlung Tag für Tag weiter feiern und so das Leben prägen können“, bekräftigte Bischof Overbeck in seiner Predigt. Dies sei ein Hinweis darauf, dass mitten in der Stadt Wandel stattfinde, mitten in einer Welt unterschiedlichster Menschen und Gläubiger. Overbeck ermutigte dazu, „Menschen zu sein, die in diesem Wandel Mut haben zu hoffen.“
Nach dem feierlichen Gertrud-Lied und letzten Gebeten von Bischof Overbeck und dem Pfarrer und Dompropst Michael Dörnemann in St. Gertrud wurden zum Zeichen des Abschieds alle Kerzen in der Kirche gelöscht. Das Allerheiligste – die geweihten Hostien – wurde aus dem Tabernakel genommen und, begleitet von Priestern und Gläubigen, in einer Prozession über die Viehofer Straße zur neuen Heimat der Pfarrei getragen. „In dieser Kirche St. Johann, der Anbetungskirche, sind wir um Jesus Christus versammelt. Er ist die Mitte und unser Begleiter, dem wir auch den Neuanfang an diesem Ort anvertrauen können“, sagte Bischof Overbeck dort, bevor sich die Gläubigen nach einem feierlichen Segen auf dem Domhof versammelten, um den gelungen Umzug zu feiern.
INFO: St. Gertrud: 765 Jahre Pfarrei-Geschichte, davon viele Jahrhunderte ohne eigene Kirche
Eine Gemeinde ohne echte eigene Pfarrkirche – das hat für die Pfarrei St. Gertrud gewissermaßen Tradition: Erst im Jahr 1887 wurde die heutige, nach massiven Schäden im Zweiten Weltkrieg deutlich umgebaute neugotische Kirche am Viehofer Platz geweiht. Der Bau war seinerzeit eine Reaktion auf den dramatischen Bevölkerungszuwachs durch die Industrialisierung. Bis dahin haben die Angehörigen der Pfarrei St. Gertrud ihren Glauben seit der Reformation praktisch ohne ein eigenes Gotteshaus gelebt und sich die Pfarrkirche mit der Pfarrei St. Johann geteilt (heutige Anbetungskirche).
Ursprünglich war die – heute evangelische – Marktkirche der Hl. Gertrud geweiht. Ein erster Kirchbau an dieser Stelle könnte bereits 1043 entstanden sein. Zur Pfarrkirche erhob Äbtissin Berta von Arnsberg das zentrale Gotteshaus im Jahr 1260. Als sich in der Reformation 1563 der Rat der Stadt hinter die Bürger stellte und am 1. Mai einen lutherischen Prediger an der Gertrudiskirche einführte, hoffte man anfangs auf eine friedliche Koexistenz der beiden Glaubensrichtungen – bis der katholische Pfarrer am 11. November gewaltsam aus der Kirche gedrängt wurde. Seitdem trafen sich die Pfarrangehörigen zur Feier der Gottesdienste vor allem in der heutigen Anbetungskirche St. Johann – und ab 1827 (nach der Auflösung des Frauenstifts) in der Münsterkirche, dem heutigen Essener Dom. Dort und in der Anbetungskirche werden nun künftig wieder die Gottesdienste der Pfarrei St. Gertrud gefeiert.
Predigt Bischof Overbeck im Wortlaut (PDF)