von Cordula Spangenberg

„Zukunft braucht Herkunft“

400 Gäste widmeten sich beim Jahresempfang des Bischofs und der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" dem Abschied von der Kohle und der Zukunft an der Ruhr. Zu Gast: RAG-Vorstand Bernd Tönjes, Gewerkschafter Michael Vassiliadis, Regissseur Werner Kubny und Ruhrbischof Overbeck.

Eine Portion Bergbau-Nostalgie bestimmte den diesjährigen Jahresempfang von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck und der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ im Jahr des Abschieds von der Kohle. Vor rund 400 geladenen Gästen blickten am Montagabend, 15. Januar, in Mülheim Vertreter von Wirtschaft, Gewerkschaft, Kirche und Kultur mit wehmütiger Sympathie zurück auf die goldenen Jahrzehnte des Bergbaus und mit optimistischer Hoffnung vorwärts auf den Wandel der Region hin zur Wissensgesellschaft der Zukunft.

„Zukunft braucht Herkunft“, sagte Bernd Tönjes, Vorstandsvorsitzender der RAG: „Von den 500.000 Bergleuten im Jahr 1957 sind heute 5.000 übrig geblieben. Dafür haben wir jetzt 260.000 Studenten im Ruhrgebiet.“ Die sollten in der Region gehalten werden, damit sie auf den 10.000 Hektar an brach liegenden Bergbauflächen neue Unternehmen gründen, möglichst viele neue Arbeitsplätze schaffen und im Gegenzug von gutem, günstigen Wohnraum in einer attraktiven Metropole profitieren könnten. Tönjes selbst erlebte mit 14 Jahren bei seiner ersten Grubenfahrt erstmals die Gefühle und Gerüche in der Grube: „Sowas vergisst man nicht.“

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, stammt ebenfalls aus einer Bergarbeiterfamilie. In keinem anderen Beruf, so Vassiliadis, erlebe man einen so starken Zusammenhalt wie unter Tage: „Im Bergbau wurde ein Wertekonsens gelebt. Ich wünsche mir, dass man auf diese Zeit mit seinen Loyalitäten wertschätzend zurückschaut.“ Für die Zukunft wünscht der Gewerkschafter sich „eine Allianz für mehr Loyalität zu den Stärken dieser Region“.

Auch Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck, aus Marl stammend, hat persönliche Erfahrungen mit dem Bergbau machen können, nämlich als Theologiestudent im Industriepraktikum auf der Zeche Auguste Victoria, wo allerdings die Azubis angesichts seiner geringen technischen Begabung „zu Recht über mich gelacht haben“. Gut 30 Jahre später sagt der damalige Industriepraktikant und heutige Sozialbischof Overbeck: „Auch nach dem Ende des Bergbaus bleibe ich der ‚Ruhrbischof‘ in einem Bistum in Bewegung, dass von Anfang an auf soziale Verantwortung setzte.“ Für Overbeck bedeutet das, als Kirche mit den anderen Akteuren der Region, die vielleicht anders oder gar nicht glauben, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

Der Vierte im Bunde auf dem von Akademiedirektor Dr. Michael Schlagheck moderierten „Wolfsburg“-Podium, der Regisseur und Produzent Werner Kubny, hat zwar keine Kohle im Blut, hegt aber nach eigenem Bekunden seit 30 Jahren große Zuneigung für das Ruhrgebiet. In seinem Film "Der lange Abschied von der Kohle" gibt er eine Antwort auf die Frage, warum Bergleute so stark an ihrem anstrengenden, gefährlichen Job festhalten: „Die Bergleute mit ihrem Zusammenhalt sind die letzten Arbeiter der deutschen Industrie, die ein politisches Bewusstsein pflegen.“

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