Wissenschaftler holen Theologie aus dem Hörsaal

Vortragsreihe der Ruhr-Universität Bochum in Szenebar „Goldkante“. Diskutiert wird bei Kaffee und Bier an der Theke und auf dem Sofa.

„Oh mein Gott dieser Himmel, wie komm ich da bloß rein?“ Die Textzeile des Musikers Marteria dröhnt aus den Boxen, die neben dem 60er Jahre Sofa stehen. Die Stehlampe gleicher Epoche verteilt ihr schwaches Licht im Hinterzimmer der Bochumer Szenebar „Goldkante“.

Die schwarzen Vorhänge lassen keinen Sonnenstrahl hinein. So also sieht es aus im „Theologischen Salon“, der vierteiligen Vortragsreihe mit acht Nachwuchswissenschaftlern der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.

Absichtlich haben sie die Hörsäle für diese Abende verlassen. Franziskus Siepmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kirchengeschichte und mitverantwortlich für die Vortragsreihe, begründet die ungewöhnliche Ortswahl: „Ich habe Spaß daran, Theologie in öffentlichen Räumen zu betreiben, die nicht nach Theologie riechen.“ Und nach Theologie riecht es an diesem Abend erstmal nicht. Stattdessen nach frischem Kaffee, Bier und Club-Mate. Neben Franziskus Siepmann sitzt auf dem Sofa Annegret Sock, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Philosophisch-Theologische Grenzfragen. Beide arbeiten an einer theologischen Promotion und stellen sich an diesem Abend der Frage des deutschen Rappers Marteria – und das riecht dann doch sehr theologisch.

Annegret Sock referiert darüber, ob Neandertaler in den Himmel kommen. Die Theologin hat selbst auch Biologie studiert und beantwortet die ungewöhnliche Frage differenziert und mit Hilfe der Methoden ihrer beiden Fachdisziplinen: „Ich möchte Werbung machen für meinen Forschungsansatz und zeigen, dass es möglich ist, gleichzeitig Naturwissenschaftlerin und Geisteswissenschaftlerin zu sein.“ Den etwa 30 Zuhörern erläutert sie den Reiz ihrer Fächerkombination. Die Wissenschaftlerin „zwischen den Welten“, wie sie sich selbst nennt, erläutert anhand archäologischer Funde den Bestattungskult der Neandertaler. Über lange Strecken riecht ihr Vortrag wenig theologisch, bis auf den Schluss: „Der Neandertaler kommt in den Himmel.“ Gott sei Dank.

Oder besser: Er könnte in den Himmel kommen, denn Franzikus Siepmann spricht über die Kriterien für den Eintritt in denselbigen. In seinem Vortrag mit dem passenden Titel „Du kommst hier nicht rein“ nimmt der Kirchenhistoriker die Zuhörer mit auf einen „Husarenritt durch 150 Jahre katechetisch-katholische Publizistik“. Und dabei wird eines deutlich: Die Türsteher des Himmels haben strenge Regeln, wen sie reinlassen und wen nicht. In den Katechismen ginge es jedoch nicht um „falsche Schuhe und richtige Hemden“, um den Eintritt nicht in irgendeinen „x-beliebigen Club, sondern um den Himmel“.

Der junge Theologe gibt leider keine konkreten Handlungsanweisungen, dazu fehle ihm als Kirchenhistoriker das nötige Handwerkszeug. Stattdessen nimmt er die Zuhörer in seinem frischen Vortrag mit in eine theologische Vorstellungswelt scheinbar längst vergangener Zeiten. Am Ende erinnert er hoffnungsvoll an die Güte Gottes: „Keine Schuld ist so groß, dass Gott sie nicht vergeben kann. Auch der schlimmste Sünder kann mit Gottes Hilfe neu anfangen.“

Nach gut zwei Stunden „Theologischem Salon“ sind Kaffee und Bier leer, an der Theke wird Nachschub geordert und weiter diskutiert: Hatte es der Neandertaler nun leichter in den Himmel zu kommen, weil es zu seiner Zeit noch keinen Katechismus gab? Eine abschließende Antwort wird auch an der Theke nicht gefunden.

Für die Betreiber der Goldkante sind die Theologen im Hinterzimmer und an der Theke kein Problem – im Gegenteil. „Warum denn nicht?“, fragt Tobias Pfaff zurück, „wir wollen hier ein breites Spektrum ansprechen“. Und so reiht sich die Katholisch-Theologische Fakultät in Bochum auch an zwei weiteren Abenden zwischen Fußball WM, Autorenlesungen und Indie-Rock ein. (dg)

Weitere Termine in der Goldkante, Alter Hattinger Straße 22, 44789 Bochum:

Mittwoch, 2. Juli, 19.45 Uhr:
Thema: Tod und Hoffnung

Mittwoch, 16. Juli, 19.45 Uhr:
Humor und Religion

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