von Thomas Rünker

„Wir sind mehr, die auf den Hass mit Liebe antworten“

Bei der Demonstration für Frieden, Freiheit und Menschenwürde zeigen katholische und evangelische Christen am Donnerstag eine sichtbare Präsenz und bereichern den Abend auch inhaltlich – nicht nur mit dem ökumenischen Friedensgebet in der überfüllten Marktkirche.

6000 Menschen haben am Donnerstag in Essen gegen Hass und Rassismus und für Frieden, Freiheit und Menschenwürde demonstriert

Weit mehr als 500 katholische und evangelische Christen sind nach einem Friedensgebet vor der Demonstration gemeinsam mit Fahnen und Transparenten zur Kundgebung gezogen

Dompropst Thomas Zander und Superintendentin Marion Greve waren an der Spitze der Demonstration mit dabei

Für die Pfadfinder aus St. Nikolaus ist es „Ehrensache“, am Donnerstagabend mit dabei zu sein. Sie haben extra ihre Gruppenstunde verlegt, um gemeinsam mit rund 6000 Männern, Frauen und Kindern unter der Überschrift „#wirsindmehr“ gegen Hetze und für Frieden, Freiheit und Menschenwürde zu demonstrieren. Für Essener Demo-Verhältnisse sind es außergewöhnlich viele Menschen, die sich ab 18 Uhr auf dem Willy-Brandt-Platz versammeln und nach einer kurzen Kundgebung von dort aus eine rund einen Kilometer lange Runde durch die City gehen – und es sind diesmal außergewöhnlich viele Christen dabei. Nicht nur die katholischen Pfadfinder und Vertreter anderer katholischer und evangelischer Jugendverbände, auch Caritas und Diakonie, der Essener Diözesanrat, Beschäftigte von evangelischer Stadtkirche, Generalvikariat, Domschatzkammer oder der Bank im Bistum, mehrere Seelsorger und viele weitere Menschen ohne Fahne oder Plakat sind dabei, als kurz vor dem offiziellen Beginn weit mehr als 500 Menschen von der Porschekanzel gemeinsam zum Demo-Start am Hauptbahnhof ziehen.

Ökumenisches Friedensgebet zum Demo-Auftakt

Sie hatten die Demonstration auf ihre Weise begonnen – mit einem ökumenischen Friedensgebet in der evangelischen Marktkirche. Gemeinsam machen dort der katholische Cityseelsorger Bernd Wolharn, die junge evangelische Pfarrerin Hannah Jacobs („Raumschiff Ruhr“) und ihr Kollege Johannes Heun aus Essen-Königssteele deutlich, weshalb Katholiken und Protestanten an diesem Abend mit dabei sind: „Wir demonstrieren, weil wir die Schöpfung eines jeden Menschen achten“, sagt Jacobs. Und Heun ergänzt: „Im Geist der Liebe zu reden und zu handeln, das ist unser Weg.“

Schon der Andrang zu diesem kurzen, erst vor wenigen Tagen angesetzten Gottesdienst ist für die evangelischen und katholischen Organisatoren überwältigend, schon zu Beginn des Gebets ist die Marktkirche mehr als gut besucht. So gut, dass schon bald niemand mehr hinein darf und sich vor dem Eingang eine Traube von Menschen sammeln, die zumindest hören möchten, was drinnen passiert. Das Gebet ist denkbar unspektakulär: still, ruhig und leise – und vielleicht gerade deshalb in der Empfindung vieler ein angenehmer Kontrast zu Hass und Hetze, die in den vergangenen Tagen auf den Bildschirmen so präsent waren und viele an diesem Abend zu Demonstranten werden lassen. Auch Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) ist in der Kirche mit dabei. Dort umrahmen der Ökumene-Klassiker „Sonne der Gerechtigkeit“ und der Kanon „Herr, gib uns deinen Frieden“ Bitten und Gedanken um ein friedliches, gedeihliches Miteinander – in dieser Stadt, in diesem Land und in aller Welt.

Richtig laut wird es auch später auf der Demonstration nur selten. Wer nicht gerade hinter dem Lautsprecher-Wagen herläuft, ist Teil eines bunten, fröhlichen, aber entschlossenen Stadtspaziergangs, aus dem hier und da ein Sprechchor schallt – der aber meist bald wieder verstummt. Einzig das Demo-Motto „#wirsindmehr“ schafft es am Ende, zu einem von allen geteilten Slogan zu werden. Die Antifa, wegen der manch Zeitgenosse schon die gesamte Veranstaltung ins linksradikale Spektrum verorten wollte, ist gerade in Klassenstärke mit dabei, daneben eine Fahne der Sozialistischen Arbeiterjugend, „Autonome“ oder politisch ähnlich radikal eingestellte Vertreter treten gar nicht sichtbar in Erscheinung.

Bunte Plakate von Diözesanrat oder Caritas

Stattdessen durchmischen die bunten „Friede sei mit euch“-Fahnen des Essener Diözesanrats die Szene oder das große „Sach Wat“-Plakat, mit dem der Caritasverband im Bistum Essen für Toleranz wirbt. In ökumenischer Eintracht führen Dompropst Thomas Zander und die evangelische Superintendentin Marion Greve gemeinsam mit Vertretern des organisierenden Bündnisses „Essen stellt sich quer“ die Demonstration an. Und bevor der Abend mit einem kleinen Konzert endet, schließt Pastor Heun die Rednerliste mit einem eindrucksvollen Beitrag. Heun wirbt jenseits der Events für ein nachhaltiges Engagement für Freiheit und Menschenwürde und gegen Rassismus – zum Beispiel in seinem Stadtteil Steele, wo seit einigen Wochen die selbsterklärte Ordnertruppe „Steeler Jungs“ mehr für Angst als für Ordnung sorgt. Und er nimmt die Christen bei diesem Engagement in die Pflicht, schließlich habe Jesus selbst dazu aufgefordert nicht nur seinen Nächsten, sondern sogar seine Feinde zu lieben. „Wir sind mehr, die auf den Hass mit Liebe antworten“, gibt sich Heun am Ende des Abends optimistisch.

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen