"Wir müssen unser Leben nachhaltig ändern"

Eine Umkehr zu einem nachhaltigen Leben mahnte Abtprimas Notker Wolf OSB auf dem Jahresempfang des Bischofs von Essen und der "Wolfsburg" in Mülheim an. Nachhaltigkeit sei eine ethische Grundhaltung, eine Lebensweise, die von einer Verantwortung aus Freiheit getragen werde.

Abtprimas Notker Wolf OSB sprach auf dem Jahresempfang in der „Wolfsburg

Eine Umkehr zur Nachhaltigkeit mahnte Abtprimas Notker Wolf, Rom, höchster Repräsentant des Benediktinerordens, am Montagabend, 14. Januar, in Mülheim an. „Wir müssen etwas ändern, vor allem uns selbst, und nicht gedankenlos in den Tag leben“, betonte er auf dem Jahresempfang des Bischofs von Essen und der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“. Müllberge, Umweltschäden, Naturkatstrophen, Atommüll, Reaktorunfälle, Schuldenberge, Kursstürze an den Börsen oder Lebensmittelskandale seien alarmierende Zeichen, dass es so nicht weitergehen könne. „Es ist höchste Zeit, unser Leben und unseren Lebensstil nachhaltig ändern“, betonte Wolf, derzum Thema „Zeit für den Wandel. Nachhaltig leben – für eine gute Zukunft“ sprach.  

Vor den über 300 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Kirche und Gesellschaft machte der Abtprimas deutlich, dass für ihn Nachhaltigkeit mehr als eine wieder herzustellende ökonomisch-ökologische Balance bedeute. „Nachhaltigkeit hat eine ethische Dimension, die sämtliche Bereiche unseres Lebens umfasst“, so Wolf. Sie betreffe das private Leben genauso wie das Gemeinwesen. „Wir selbst haben unser Schicksal und unsere Zukunft in der Hand. Wir sind die Handelnden, haben die Freiheit, jeden Tag richtige oder falsche Entscheidungen über unsere Zukunft zu treffen“, gab der Festredner zu bedenken Es gehe um „eine Freiheit in Verantwortung und eine Verantwortung aus Freiheit“.


Nachhaltigkeit ist eine Lebenskunst

Wolf warnte vor dem Irrglauben, dass alles machbar sei, warnte vor Arroganz und Bevormundung. Mit Blick auf die Entwicklungshilfe dürfe es nicht darum gehen, anderen vorzuschreiben, was ihnen gut tut und allein Geld zu verteilen. „Wir müssen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten, damit der Mensch würdevoll leben kann“, so der Abtprimas, der auch vor der „Gier des Menschen“ warnte. Stattdessen wünscht sich Wolf „mehr Demut, eine Tugend der Sparsamkeit, das Ja zur Geschöpflichkeit und eigenen Begrenztheit“. Der Mensch müsse die Welt als ein „Geschenk Gottes“ erkennen, in der er schöpferisch tätig sein könne. „Wir dürfen die Welt nicht ausbeuten, sondern müssen verantwortlich mit den Ressourcen umgehen“, so Wolf, „und unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Dem Glauben an ein permanentes Wachstum erteilte er ebenso eine Absage wie dem ungezügelten „Streben nach Mehr“. Nachhaltigkeit sei eine Lebenskunst. „Es geht letztlich um ein gutes und zufriedenes Leben, um ein menschliches Miteinander“, so Wolf.


Aufklärung von Missbrauchsfällen wird offensiv fortgesetzt

Dass die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche auf allen Ebenen weiterhin offensiv fortgesetzt werde, unterstrich Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck in seiner Ansprache. „Die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem Direktor des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, Professor Dr. Christian Pfeiffer, der von der Deutschen Bischofskonferenz mit der wissenschaftlich-systematischen Aufarbeitung des Themas ‚Missbrauch‘ beauftragt worden war, ist allein die Folge eines persönlichen Zerwürfnisses mit dem Projektleiter, der sich trotz langer und geduldiger Einigungsversuche nicht auf Regelungen einlassen wollte, die von uns Bischöfen im Sinne der Wahrung von Persönlichkeitsrechten und datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingefordert wurden“, betonte der Bischof.

Er beklagte, dass in den vergangenen Tagen die Fähigkeit und Bereitschaft der Kirche zu Offenheit und Transparenz erneut öffentlich angezweifelt werde. „Das schmerzt mich und viele andere sehr“, so Overbeck. Der Wechsel des Projektpartners sei nicht gleichzusetzen mit der Beendigung der kriminologischen Aufarbeitung. Das Bistum Essen sei allen Hinweisen auf einen möglichen sexuellen Missbrauch nachgegangen und habe alle Schritte gemäß der Verfahrensordnung eingeleitet und umgesetzt. Auch habe man sich zu einem umfassenden Präventionsprogramm verpflichtet. Der Bischof bekräftige erneut, dass das Ruhrbistum wie auch andere Diözesen allen Opfern „menschliche, therapeutische, seelsorgliche und materielle Hilfe“ zusichere. Es gehe vor allem um eine Anerkennung der erlittenen Not, der Schmerzen und des zugefügten Leides.


Christliches Profil katholischer Krankenhäuser stärken

Eine große Herausforderung ist für Bischof Overbeck die Umbruchsituation in der Krankenhauslandschaft. „Die Krankenhäuser stehen unter enormem Effizienz- und Kostendruck“, so Overbeck. Um dem notwenigen Strukturwandel in den Krankenhäusern im Ruhrbistum mit einem „zukunftsorientierten Gestaltungsanspruch zu begegnen, sei 2011 die Kosmas und Damian GmbH gegründet worden. Dabei gehe es nicht allein um eine Entflechtung der Krankenhäuser, sondern auch um eine Schärfung und Stärkung des christlichen Profils der katholischen Krankenhäuser. Die „Wolfsburg“ werde gemeinsam mit der Kosmas und Damian GmbH ein Programm erarbeiten, das sowohl die ethische Fortbildung der einzelnen Berufsgruppen im Krankenhaus in den Blick nimmt und Prozesse im Hinblick auf eine katholische Profilbildung optimieren soll.
Was die Medizinethik betreffe, die im Programm der „Wolfsburg“ einen festen Platz habe, sei ein breiter gesellschaftlicher Diskurs notwendig. Nicht nur die High-Tech-Medizin werfe neue ethische Fragen auf. „Themen wie die Zuweisung von Organspenden, Therapieverzicht, Rationierung medizinischer Leistungen und die damit verbundene Gerechtigkeitsfrage, die Wahrheit am Krankenbett, klinische Forschung und Sterbebegleitung sind nur einige Fragen, in die wir Katholiken unsere Sicht in den ethischen Diskurs und in die Praxis einzubringen haben“, betonte Overbeck.


Dass sich die „Wolfsburg“ als ein „Raum des Sprechens“ verstehe, als ein Ort, an dem „in Freiheit und intellektueller Redlichkeit über die Optionen des Glaubens und andere Optionen“ gesprochen werde, hatte zu Beginn Akademiedirektor Dr. Michael Schlagheck betont. Dazu gehöre auch eine „produktive Neugier auf die vielfältigen Lebensdeutungen“. Es mache immer wieder Freude, mit vielen unterschiedlichen Menschen im Gespräch zu sein. (do)


Ansprache von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck

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