Weihbischof em. Franz Grave: „Ethik ist kein Luxusartikel“

Vor einer "Heiligsprechung des Geldes" und "Ökonomisierung des Lebens" warnt Weihbischof em. Franz Grave. Zur Überwindung der weltweiten Krise fordert er ein tragfähiges ethisches Fundament in der Finanz-und Wirtschaftspolitik.

Weihbischof em. Franz Grave zur Finanz- und Wirtschaftskrise

Ein tragfähiges ethisches Fundament in der Finanz- und Wirtschaftspolitik ist nach Ansicht von Weihbischof em. Franz Grave für die Überwindung der weltweiten Krise dringend notwendig. „Krisenbewältigung im Finanz- und Wirtschaftsbereich ist eine große sittliche Herausforderung“, betonte er in der Fastenpredigt in der Mülheimer Pfarrei St. Mariae Geburt. Allein mit neuen und zusätzlichen Rechtsvorschriften und Verordnungen sei das Problem nicht zu meistern.

Der Mensch selbst habe die Krise verursacht und bewirkt, „weil er selbst in der Krise steckt“, sagte der Weihbischof. So müsse die Finanz- und Wirtschaftskrise auch als „Teil einer Orientierungs- und Sinnkrise“ verstanden werden. Die Kirche wolle zwar keine Politik machen, aber sie müsse daran erinnern, dass die Finanz- und Wirtschaftswelt keine ethik-freien Zonen seien. „Ethik ist wahrlich kein Luxusartikel“, betonte Grave. Er sieht in der um sich greifenden Mentalität des „schnellen Geldes“ eine wesentliche Ursache der Finanzkrise. Geld und Einkommen machten allein nicht glücklich, auch wenn Geld zum Leben nötig sei. Nicht nur in den Entwicklungsländern gebe es soziale Not und Armut, sondern auch hierzulande. Hartz IV-Empfänger gehörten dazu. „Hier ist ein sozialer Ausgleich im Sinne der Gerechtigkeit dringend nötig“, unterstrich Grave. Die „freie Marktwirtschaft“ müsse immer „eine soziale“ sein.


Geld und Wirtschaft haben eine Dienstfunktion

Der Weihbischof warnte vor der „Heiligsprechung des Geldes“, das zum obersten Lebenswert erklärt werde. „Die Ökonomisierung des Lebens, in dem das Geld zum beherrschenden Lebenswert wird, stellt die menschliche Werteordnung auf den Kopf“, so Grave. Geld und Wirtschaft hätten eine „Dienstfunktion“, die ihnen wieder zugewiesen werden müsse. Sowohl die Wirtschaft als auch die Finanzmärkte seien für alle Menschen da. Solidarität vertrage keine Einengung. Grave: „Die Seele der Globalisierung ist die Solidarität für alle Menschen auf dem gesamten Globus.“ Geld müsse mit Ethik und Moral verbunden und durch sie eingegrenzt werden. Ansonsten seien Krisensituationen unausweichlich.

Auf dem Weg aus der Krise müsse auch die Frage der Verantwortung vor allem für den Finanzsektor neu gestellt werden. Zu verantwortlichem Handeln gehörten sowohl die Klärung der Schuldfrage und  als auch  Wiedergutmachung. „Die Enttäuschung ist groß, wenn am Ende die Allgemeinheit für die Bewältigung der Folgen aufkommen muss“, sagte Grave mit Blick auf die milliardenschweren Rettungsaktionen des Staates und warnte vor neuer Politikverdrossenheit. Es führe zu Enttäuschungen, wenn die Verursacher der Krise möglicherweise nicht für die Konsequenzen ihres Handelns haften. „Im Geiste echter Verantwortung müssen wir daran erinnern, dass menschliches Handeln rechenschaftspflichtig ist und dass jeder für sein Tun geradestehen muss“, so der Weihbischof. Die Verursacher müssten für die Schäden aufkommen und Wiedergutmachung leisten.  Darüber hinaus sei ein Christ mit seinem ganzen Leben Gott verantwortlich.


Solidarität zwischen den Generationen

Auch auf die extreme Staatsverschuldung wies Grave hin. Das Zahlenwerk habe für ihn eine unvorstellbare Größenordnung. „Wir legen damit den künftigen Generationen Schulden auf die Schultern, die wir für unseren Bedarf verursacht haben“, gab der Weihbischof zu bedenken.  „Wir verbauen mit unseren Ansprüchen heute den jungen Menschen die Zukunft von morgen.“ Das sei ein „Sich-Versündigen an der Zukunft“. Das verbreitete Besitzstandsdenken sei oft verdeckter Egoismus, der den „Geist der zwischen den Generationen notwendigen Solidarität“ ersticke. Wie Schulden politisch abgetragen werden, das sei Aufgabe der Politik. „Sie steht aber unter dem sittlichen Diktat der Gerechtigkeit, insbesondere der Generationengerechtigkeit“, betonte der Weihbischof. „Verantwortliches Handeln in Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ sind für ihn entscheidende Schritte auf dem Weg aus der Krise. (do) 

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