„Was ihr hier macht – davon träumen wir noch“

Sergio Alfredo Gualberti, Erzbischof von Santa Cruz, ist zurzeit als Aktionsgast von Adveniat im Bistum Essen unterwegs. In diesem Rahmen stattete er auch dem "Förderkorb" in Gelsenkirchen einen Besuch ab.



Adveniat Aktionsgast Erzbischof Gualberti zu Gast im „Förderkorb“


Zwischen ihnen liegen im wahrsten Sinne „Welten“: Sergio Alfredo Gualberti, der Erzbischof-Koadjutor von Santa Cruz in Bolivien, und Holger Ott, Geschäftsführer der Jugendberufshilfeeinrichtung „Förderkorb“ in Gelsenkirchen. Beide setzen sich für junge Menschen ein, die am Beginn ihres Berufslebens stehen und arbeiten doch unter vollkommen unterschiedlichen Bedingungen. So scheint es zumindest auf den ersten Blick. Zurzeit ist der Adveniat-Aktionsgast Gualberti im Bistum Essen unterwegs und hat dort auch dem „Förderkorb“ einen Besuch abgestattet. Im Gepäck hat er Erfahrungen und Berichte von seiner Arbeit in Santa Cruz, aber auch Neugierde und Fragen über die Arbeit der deutschen Kollegen.

„Wir sind ein kleines, mittelständiges Unternehmen“, schmunzelt Geschäftsführer Holger Ott, wenn er über den „Förderkorb“ spricht, der mitten in der Gelsenkirchener Innenstadt, im Herzen des Ruhrgebietes liegt. Die Jugendberufshilfeeinrichtung berät, begleitet und fördert jährlich rund 1000 Jugendliche. Ein Team aus rund 30 Pädagogen, Handwerkern, Hauswirtschaftern und Verwaltungsangestellten kümmern sich in verschiedenen Projekten um die jungen Menschen. Dazu stehen ihnen zahlreiche Büro-, Seminar-, Computerräume und unterschiedliche Werkstätten sowie ein Hauswirtschaftsbereich zur Verfügung. „Das Ziel ist es, zusammen mit den Jugendlichen zu erarbeiten, wo ihre Kompetenzen liegen und welche Perspektiven sie haben“, erzählt Holger Ott.


Vom Staat gibt es nur wenig Unterstützung


Von diesen Bedingungen kann Bischof Gualberti nur träumen. Im Rahmen seiner Arbeit als Erzbischof von Santa Cruz betreut er ebenfalls Jugendliche beim Übergang ins Berufsleben. Die Kirche vor Ort vermittelt junge Menschen, die in einem ihrer Internate untergebracht sind, an örtliche Unternehmen und begleitet sie in den ersten Monaten dort. Doch das gestaltet sich oft als schwierig, da die Jugendlichen aus kaputten Elternhäusern kommen. Sie sind entweder als Waisenkinder aufgewachsen oder in das Internat gebracht worden, weil ihre Eltern im Gefängnis sitzen. „Der Staat gibt die Kinder bei uns ab und vergisst sie dann“, erzählt der Bischof. 7 Bolivians pro Tag, umgerechnet etwa 1 Dollar, bekommt die Kirche pro Kind für den Unterhalt. Das reicht nicht einmal für Kleidung und Essen – von Schulmitteln ganz zu schweigen. Eine Kooperation mit dem Staat – so wie etwa der „Förderkorb“ staatliche Zuschüsse bekommt – wäre in Bolivien nicht denkbar. „Das Miteinander von Staat und Kirche gestaltet sich dort eher schwierig. Bei uns zeigen sich vor allem die Kirchen für die Ausbildung der Jugendlichen verantwortlich“, so Gualberti. „Wir haben Glück, dass es viele Unternehmen mit einem sozialen Gewissen gibt. Sie unterstützen uns zum Beispiel mit Lebensmitteln“.

Doch was in der Regel zu kurz kommt, ist die Bildung: Einige der Heime haben angeschlossene Schulen – andere Kinder besuchen staatliche Bildungseinrichtungen. „Doch hier lässt die Qualität oft zu wünschen übrig. Selbst ein Abitur in der Tasche bedeutet noch nicht, dass die Schüler lesen oder schreiben können“, berichtet der Bischof.


„Ein gutes Zeugnis muss nichts bedeuten“


Eine Erfahrung, die im Übrigen auch Holger Ott mit dem deutschen Schulsystem gemacht hat: „Ein gutes Zeugnis sagt noch lange nichts darüber aus, wie selbstständig und fehlerfrei die Jugendlichen tatsächlich arbeiten können“, so der Geschäftsführer. „Vor allem Kenntnisse in Deutsch und Mathematik sind oft trotz guter Schulnoten mangelhaft“.

Was vor allem Bischof Gualberti Sorgen bereitet, ist der kleine Arbeitsmarkt in Bolivien. In Santa Cruz sind nur etwa 30 % der Bewohner in einen Arbeitsmarkt integriert. Alle anderen verdienen ihr Geld als „selbstständige Kleinunternehmer“, verkaufen Früchte oder waschen Autos. Hier sieht der Bischof auch die Grenzen seiner Handlungsmöglichkeiten. „Alle Bemühungen helfen nicht, wenn es nichts gibt, worauf wir die Jugendlichen vorbereiten können“, betont der Bischof.


Den Jugendlichen eine Perspektive geben


„Bei allen Unterschieden gibt es auch Gemeinsamkeiten“, darin sind sich der bolivianische Bischof und Holger Ott einig: „Wir machen Arbeit für eine Menschengruppe, die keine große Lobby hat. Wir geben den Jugendlichen eine Perspektive“, so der Geschäftsführer des „Förderkorbes“. Und Bischof Gualberti ergänzt: „Wir erhalten die Würde der jungen Menschen und geben ihnen Hoffnung auf eine Zukunft“. (ms)

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