von Cordula Spangenberg

„Was ich bin, verdanke ich auch den Jugendlichen“

Bruder Anno Müller verbindet in seinem Job in der Jugendhilfe Spiritualität und soziales Engagement. Am Sonntag, 16. September, feiert er sein silbernes Ordensjubiläum.

Dass die Arbeit mit belasteten Jugendlichen viel Idealismus erfordert, darüber kann der Amigonianer-Bruder Anno Müller aus Gelsenkirchen viele Geschichten aus eigenem Erleben erzählen. „Aber was ich bin, verdanke ich auch diesen Jugendlichen, die mich in Frage stellen. Denen kann man nichts vormachen, da muss man authentisch sein“, sagt der Ordensbruder, der seit 25 Jahren seine ganze Power einsetzt für junge Menschen, die unter schwierigen Bedingungen ins Leben starten. Am kommenden Sonntag, 16. September, um 10 Uhr feiert Bruder Anno in der Kirche St. Elisabeth in Gelsenkirchen und anschließend im Pfarrheim mit einem „Fest der Berufung“ sein silbernes Ordensjubiläum. Mit 18 Jahren - nach einem Jahr des Abwägens und Zweifelns und einer intensiven Nacht, die er als „Berufungserfahrung“ bezeichnet - schloss er sich damals der Gemeinschaft an. Warum er sich für diesen Weg entschieden hat? „Ich habe mein Leben als sehr beschenkt erlebt. Dieses Glück wollte ich weitergeben.“

Die lockere spanische Herzlichkeit der kleinen, 1889 gegründeten Gemeinschaft der Amigonianer, die heute 380 Brüder weltweit zählt, hatte Anno als Kölner Teenager begeistert, ebenso die Verbindung von sozialer Arbeit und spirituellem Leben. „In den 80er Jahren wollten wir alle die Welt mitgestalten – die einen in der Anti-Atom-Bewegung, die anderen waren auch geistlich auf der Suche.“

Nur sechs der weltweit 380 Brüder leben in Deutschland, seit 30 Jahren machen sie in Gelsenkirchen Kinder- und Jugendsozialarbeit. Für unzählige Kinder und Jugendlichen in der Stadt sind die Angebote der Amigonianer ein Glücksfall. Gelsenkirchen gilt als ärmste Stadt Deutschlands, 5000 Menschen holen sich dort wöchentlich Lebensmittel bei der Tafel, über 43 Prozent der Gelsenkirchener Kinder sind arm.

Bruder Anno, der auch Erfahrungen in Gefängnisseelsorge und Heimerziehung hat, zeichnet heute verantwortlich für die Jugendarbeit des Ordens in Gelsenkirchen. Fünf sozialpädagogische Fachkräfte arbeiten im seit 1989 bestehenden Jugendtreff im Stadtteil Feldmark in der Nachmittagsbetreuung und an der benachbarten Hauptschule, um die Jugendlichen beim Übergang von der Schule in den Beruf zu begleiten. In Gelsenkirchen-Schalke trägt der Verein der Amigonianer die Mittagsbetreuung in der Hauptschule, anschließend wechseln rund 30 Schüler ins Nachmittagsprogramm im Haus Eintracht. Dieser weitere Jugendtreff in einer ehemaligen Kneipe ist komplett privat finanziert, Bruder Anno treibt dafür die dringend benötigten Spendengelder ein: „In Schalke ist der Bedarf an Jugendhilfe so hoch, das ist ein Fass ohne Boden.“

13 studentische Lerntrainer fördern an der Gesamtschule in Gelsenkirchen-Horst 50 bis 60 Schüler; die Honorare werden aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung finanziert. Zudem gibt es zwölf Ehrenamtliche im Amigonianer-Projekt, die vor allem Hausaufgabenbetreuung leisten. Als eingetragener Verein sind die Amigonianer Soziale Werke kooperatives Mitglied im Caritasverband Gelsenkirchen und arbeiten seit 30 Jahren mit dessen Erziehungsberatungsstelle zusammen. Das sei für alle Beteiligten eine Win-win-Situation, sagt Bruder Anno: „Wir können dort auf dem kurzen Dienstweg auffällige Kinder vorstellen, und die Fachleute der Caritas kommen in unseren Jugendtreff, um dort den Eltern niederschwellige Erziehungsberatung anzubieten.“

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Viel Verwaltungsarbeit also für den umtriebigen Ordensmann, dessen Herz aber nach wie vor an der Begegnung mit den Kids hängt. Deshalb fährt er immer noch mit auf Ferienfreizeiten, betreibt ein Musikprojekt oder begleitet die Firmvorbereitung der Pfarrei.

Priester ist Bruder Anno auch, „aber fast als Hobby“, sagt er und lacht. Denn während der Woche ist er fest eingespannt in seine Aufgaben in der Jugendhilfe, da ist an eine Verpflichtung als Aushilfspriester für Pfarreigottesdienste nicht zu denken. Die spirituelle Grundlage, die ihm Kraft und Motivation für seine Arbeit mit den Jugendlichen gibt, versucht er jedoch auch den Mitarbeitern begreiflich zu machen. Und kürzlich hat er zwei Jahre als Novizenmeister in Südspanien eingeschoben, um drei junge Männer in die Verbindung von Spiritualität und sozialer Arbeit einzuführen – was man dafür brauche, sagt Anno, sei „Herzensbildung“.

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