Was erwarten die Menschen vom Bischofsamt?

Ein nachdenkliches Gespräch über Kirche und Bischof in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“

Ein nachdenkliches Gespräch über Kirche und Bischof in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“

Wandertag des Volkes Gottes, an welcher Stelle geht der Bischof: Voran, in der Mitte oder hinten? Die meiste Zeit gehe er sicherlich in der Mitte der Gemeinde, sagte Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck beim zehnten „Dialog mit dem Bischof“ in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“. Aber er müsse auch immer wieder an die Spitze, um dort die Richtung vorzugeben, und nach hinten, um den Langsamen zu sagen: „Jetzt mal los!“

Zur Frage, was die Menschen vom Bischofsamt erwarten, hatte Akademie-Direktor Dr. Michael Schlagheck neben Bischof Overbeck den Pastoraltheologen Prof. Matthias Sellmann und den Kirchenhistoriker Prof. Wilhelm Damberg, beide aus Bochum, zum Gespräch gebeten. Noch im 19. Jahrhundert habe es eine „anarchische Vielfalt kirchlicher Bewegungen“ gegeben, erläuterte der Historiker Damberg. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg seien Bischofsamt und Bistum zu einer zentralen Institution der Ortskirche ausgebaut worden. Theologe, oberster Seelsorger, Priester, Behördenleiter, Arbeitgeber – an die Arbeitsplatzbeschreibung eines Bischofs würden äußerst hohe Bedingungen gestellt, „und ich würde mir sehr überlegen, ob ich mich dort bewerben wollte“, sagte Damberg augenzwinkernd.

Für Overbeck ist das Bischofsamt eine der herausforderndsten Aufgaben der Gesellschaft: „Ich tue das gern.“ Amt und Kirche würden sich stark verändern angesichts ständig neuer Erkenntnisse der Psychologie, Theologie, Biologie und Soziologie: „Diese Komplexität muss ich wahrnehmen, in das aktuelle Bild von Kirche aufnehmen und anderen weitergeben.“ Angesichts solch starker Veränderungen sei es höchste Zeit, sich als Bischof zurückzunehmen, statt jedes Thema kommentieren zu wollen. Neu sei auch, dass die deutschen Bischöfe es sich leisteten, öffentlich nicht einer Meinung zu sein. Natürlich verfüge er als Bischof über Macht, bestätigte Overbeck: „Ich versuche das Amt nicht im Funktionärsstil auszuüben, sondern es mit Persönlichkeit zu füllen. An die Grenzen meiner Macht gerate ich, wo ich Menschen für die Begegnung mit Gott öffnen möchte.“

Auch der Pastoraltheologe Sellmann sieht das Bischofsamt vor umwälzenden Veränderungen: „Die ganze katholische Kirche mit ihren Chefs wird gerade aus ihrer Komfortzone gezogen und dazu genötigt, öffentlich Rechenschaft abzulegen für ihr Handeln, ihre Kirchenfinanzen und ihre Morallehre.“

Ob nicht auch die Öffnung des Priesteramtes für Verheiratete eine Lösung sei, um kirchliches Leben in Gang zu halten, fragte ein Zuhörer. Overbeck zeigte sich nachdenklich: Er wisse noch nicht, unter welchen Verhältnissen das Priesteramt sich am besten darstelle, und halte sich deshalb mit einer Einschätzung zurück. Und Sellmann gab dazu zu bedenken, theologisch spreche zwar viel für lebenserfahrene, verheiratete Priester, die sogenannten ‚viri probati‘. „Aber die Gemeinde lebt nicht vom Priester. Ich bin auch dann vollständiger Christ, wenn im großen Umkreis kein Priester, Hauptamtlicher und keine Kirche zu finden sind.“ (cs)

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