Verantwortlich mit der Grundordnung umgehen

Die Diskussion über den so genannten "Dritten Weg" stand im Mittelpunkt der Vollversammlung des Diözesanrates der katholischen Frauen und Männer im Bistum Essen. Hier ging es um die Frage, ob die Arbeitnehmerrechte im kirchlichen Dienst neu gefasst werden müssen.


Diözesanrat diskutierte „Dritten Weg“

Müssen Arbeitnehmerrechte im kirchlichen Dienst neu gestrickt werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich die Vollversammlung des Diözesanrates der katholischen Frauen und  im Bistum Essen am vergangenen Mittwoch, 25. April.

Der Vorsitzende des Diözesanrates und Chef der Arbeitsagentur in Bochum, Luidger Wolterhoff, moderierte dazu eine  Gesprächsrunde im Caritashaus in Essen, bei der es um kritische Fragen zum so genannten „Dritten Weg“ ging. Bei dieser Form des Arbeitsrechts sind die Arbeitsgrundlagen im kirchlichen Dienst nicht allein auf der Basis von Tarifverträgen geregelt, sondern werden durch paritätisch besetzte Gremien beziehungsweise durch die Grundordnung des kirchlichen Dienstes mitbestimmt.

Zu der Diskussionsrunde zählten die ver.di-Vertreterin Maria Tschaut, sowie Hubert Brams als Personalleiter der Katholischen Kliniken Ruhrhalbinsel in Essen. Aus dem Bischöflichen Generalvikariat war das Podium mit dem Personaldezernenten Stefan Hergemöller und Berthold Rose, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung, besetzt.

Als Hauptdiskussionspunkt kristallisierte sich das Thema der Loyalitätsobliegenheiten heraus, nach denen die Lebensform der Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst den moralischen Grundlagen der Kirche entsprechen sollte.

Rose sprach eine Schwachstelle im System des „Dritten Weges“ an: „Es macht uns wütend, dass nicht geklärte Inhalte der Kirche im Arbeitsrecht einfach ausgeblendet werden“, so Rose. Bei Themen wie gleichgeschlechtlicher Ehe oder unverheiratet Zusammenlebenden käme es immer wieder zu schwer nachvollziehbaren Einzelfallentscheidungen und damit zu einer großen Unsicherheit unter den Mitarbeitenden.

Die Gewerkschaftlerin Maria Trautsch machte deutlich, dass es für sie untragbar sei, dass Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst „ihr Privatleben häufig unter dem Schleier halten“ müssten. Es gebe bestimmte Lebensbereiche, die privat seien und nichts mit dem beruflichen Umfeld zu tun hätten. In bestimmten Regionen habe die Kirche zudem das Monopol von Arbeitsplätzen. „Es ist unwürdig, dass nur Menschen, die bestimmte Kriterien erfüllen, überhaupt für einen Arbeitsplatz zugelassen werden“, sagte Trautsch.

Personaldezernent Stefan Hergemöller betonte: „Wir haben eine große Verantwortung im Umgang mit der Grundordnung, aber wenn wir sie missachten, haben wir ein Problem mit der Rechtsprechung was den Dritten Weg angeht.“ Notwendig sei ein „gesunder Blick“ auf die kirchliche Grundordnung.“

In dieser Hinsicht sei es wichtig, so MAV-Vorsitzender Rose, beispielweise Ärzten für Situationen, in denen sie umgehend handeln müssen, klare Regeln an die Hand zu geben. „Es kann keine Lösung sein, dass Menschen die Hilfe verweigert wird, weil der Arzt unentschlossen ist und um seinen Arbeitsplatz bangt“, so Rose.

Hubert Brams verteidigte die Praxistauglichkeit des Dritten Weges. „Bei uns sind Grundordnung und Leitbild umgesetzt“, so der Personalleiter. Die MAV suche immer wieder erfolgreich nach Lösungen für Einzelfälle. Brams betonte zudem, dass es elementar sei, bei der Auslegung der Grundordnung niemanden zu diskriminieren. „Es darf kein Unterschied bei der Hierarchie gemacht werden“, sagte Brams. Die Richtlinien müssten genauso auf Chefärzte wie auf das Pflegepersonal angewendet werden. Auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel dürfe die Grundordnung jedoch nicht zu strikt sein, „sonst stehen wir irgendwann alleine da“, so der Personalchef.

Sowohl Hergemöller als auch Brams betonte, dass die Arbeitnehmerrechte im kirchlichen Dienst insgesamt stark ausgeprägt seien, die Beschäftigten teils große Vorteile hätten und die Tarife häufig höher lägen als im Öffentlichen Dienst. Darüber hinaus, so Brams, würden aus dem hohen Wert der Ehe und Familie großzügige Dienstbefreiungen hergeleitet. Damit seien Mitarbeiter im kirchlichen Dienst in vielerlei Hinsicht besser gestellt als jene im öffentlichen.

Nach Ansicht von Rose ist das Arbeitsentgelt nicht das Problem. „Aber vieles in unserer Gesellschaft ist in seiner Entwicklung einfach weiter als die Grundordnung“, sagte der Mitarbeitervertreter. Die Sicht der Grundordnung auf das menschliche Zusammenleben habe mit der Lebenswirklichkeit der meisten Katholiken nicht mehr viel zu tun, so Rose. „Warum hält man trotzdem daran fest? Warum ändern wir sie nicht, damit alle dahinter stehen können?“, fragte er.

Weitgehende Einigkeit herrschte bei dem Aspekt, dass die Grundordnung samt ihrer Interpretationsspielräume zeitnah auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz abschließend geklärt werde müsse, weil Kirche ohne ein festes Fundament und eine klare Linie im Bereich der Arbeitnehmerrechte massiv an Glaubwürdigkeit verlieren würde. (ml)

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