von Cordula Spangenberg

Trotz greifbarer Ergebnisse bleibt noch viel zu tun

Verantwortungsträger der deutschen Kirche legen Rechenschaft ab über den Dialogprozess „Im Heute glauben“

„Wir müssen reden“, befanden die deutschen Bischöfe im Jahr 2011, nachdem kurz zuvor der Skandal vertuschten sexuellen Missbrauchs in der Kirche öffentlich geworden war. Ziel des eilig einberufenen Gesprächsprozesses zwischen Bischöfen, Priestern und Laien: Verloren gegangenes Vertrauen in die Kirche zurückzugewinnen und Ideen für deren Zukunft zu entwickeln. Der fünfjährige Dialogprozess „Im Heute glauben“ ist im Februar diesen Jahres zu Ende gegangen. Auf einer Fachtagung am Donnerstag und Freitag dieser Woche in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg in Mülheim überlegten die Beteiligten nun, wie es weitergehen soll mit der neu entstandenen Gesprächskultur innerhalb der Kirche. Vor Publikum wurde der Stand der Dinge bei einer öffentlich zugänglichen Abendveranstaltung in der „Wolfsburg“ diskutiert. Für die Deutsche Bischofskonferenz saß Dr. Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart, auf dem Mülheimer Podium. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken wurde vertreten durch dessen Präsidenten Prof. Thomas Sternberg. Von Seiten der Theologie war der Bonner Fundamentaltheologe Prof. Hans-Joachim Höhn angereist. Und das Bistum Essen als Gastgeber vertrat Generalvikar Kaus Pfeffer.

Fortschritt oder Nachholen eines Defizits?

Das Gute zuerst: Der Prozess hat greifbare Ergebnisse gebracht, nämlich laut Abschlussdokument der Deutschen Bischofskonferenz „eine höhere Beteiligung von wiederverheirateten Geschiedenen am Leben der Kirche, die Revision des Kirchlichen Arbeitsrechtes und die Selbstverpflichtung, den Anteil von Frauen in kirchlichen Leitungspositionen deutlich zu erhöhen“. Dieses Ergebnis wurde von den Podiumsteilnehmern in Mülheim nicht in Frage gestellt. Bischof Fürst ordnete diese Bilanz dem üblichen Tempo kirchlicher Entwicklungen zu: „Wir können uns zum Glück fast nicht mehr vorstellen, dass es selbst im Jahr 2000 noch undenkbar war, in der Deutschen Bischofskonferenz über wiederverheiratete Geschiedene oder den Diakonat der Frau zu reden.“ Der Kölner Journalist und Vorsitzende der Gesellschaft Katholischer Publizisten Joachim Frank, der das Gespräch moderierte, fragte allerdings dazu: Könne man die bisherigen Ergebnisse tatsächlich als Fortschritt werten oder eher als Nachholen eines Jahrzehnte währenden Defizits?

Was die üblichen katholischen „Reizthemen“ wie Zölibat, Mitbestimmung und die Frauenfrage angehe, habe sich unter Deutschlands Katholiken eine gewisse Resignation breit gemacht, beobachtet deren oberster Laien-Vertreter Sternberg: „Die Kämpfe der ‚Alt-68er‘ in der Kirche sind vorbei. Wer mit seiner Vorstellung von Mitbestimmung in der Kirche nicht wahrgenommen wird, lässt sich das heute nicht mehr gefallen: Der geht einfach.“ Also müsse man dafür sorgen, dass sich die Leute mit ihrem Lebensgefühl wieder in der Kirche beheimatet fühlen könnten. Sternberg warnte zudem vor der Ernüchterung, die entstehe, wenn ein aufwändiger Dialogprozess – wie etwa in den 90er Jahren in Münster – wenig erkennbare Veränderung hervorbringe.

Alltagstaugliche Projekte zeigen: In der Kirche geht es voran

Damit der aktuelleZukunftsbildprozess im Bistum Essen keinen Frust nach sich ziehe, bemühe man sich hier um sehr konkrete Projekte, erklärte Essens Generalvikar Pfeffer: So würden ehrenamtliche Christen für den kirchlichen Bestattungsdienst qualifiziert, Hochzeitsteams kümmerten sich um junge Menschen, die ohne Pfarreianbindung katholisch heiraten wollten, und die Kirchenzeitung, die sich an kirchlich gebundene Leser richtete, sei aufgegeben worden zugunsten der Gratis-Zeitschrift „BENE“ für alle Kirchensteuerzahler.

Für den dennoch allerorts spürbaren Frust der Menschen an der Kirche sieht der Fundamentaltheologe Höhn eine tiefergehende Ursache, die seiner Ansicht nach auf die Tagesordnung einer katholischen Bundessynode gehört: „Es gibt ein großes Bedürfnis nach Gotteserfahrung. Wir glauben, wir hätten dafür die Botschaft, und stoßen doch nur auf müde Ablehnung.“ Dabei dürfe man nicht die Frage ausklammern, welche Erfahrungen es schwer machten, an Gott zu glauben. Auch Generalvikar Pfeffer, der lange Jahre in der Jugendseelsorge gearbeitet hat, sieht an dieser Stelle ein gravierendes Problem: „Können wir über unseren Glauben mehr sagen als angelernte Floskeln? So erreichen wir Jugendliche überhaupt nicht.“

Der Papst sagt: „Jetzt seid ihr dran.“

Ob Franziskus als charismatischer Papst hilfreich ist beim „Aggiornamento“ kirchlichen Lebens – dessen Anpassung an die heutige Welt -, darüber war man auf dem Podium unterschiedlicher Meinung. Während Theologe Höhn den Papst die befreiungstheologisch geprägten 80er Jahre wieder auflegen sieht, für die es heute keine Resonanz mehr gebe, hält Laienvertreter Sternberg Franziskus zugute, dass er als erster Papst auf die Idee gekommen sei, die Gläubigen zu Ehe, Familie und Sexualethik zu befragen. Für Bischof Fürst ist hilfreich, dass Franziskus die Frage des Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen zurück an die Bischöfe gereicht habe mit der Aufforderung: „Jetzt seid ihr dran.“ Fürst wünscht sich, dass die deutschen Bischöfe in dieser Frage schnellstens zu einer gemeinsamen Linie finden: „Wenn uns das nicht gelingt, mache ich das selbst.“

Nach Ende der Fachtagung am Freitagmittag haben die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZDK) eine gemeinsame Pressemitteilungen zur gesamten zweitägigen Tagung in der "Wolfsburg" veröffentlicht, die unter anderem auf der Internetseite der DBK abgerufen werden kann.

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