von Thomas Rünker

Ruhrbischof will über Sexualmoral, Macht und Hierarchie diskutieren

Bischof Overbeck ist „zutiefst erschüttert und traurig über das unermessliche Leid, das unzähligen Menschen zugefügt worden ist“. Er werde sich „auch über unser Bistum hinaus entschieden dafür einsetzen, die Ergebnisse der Studie und die Empfehlungen der Wissenschaftler sehr ernst zu nehmen“, schreibt er in einem Brief an die Kirchengemeinden.

Bischof Overbeck hat allen Gemeinden einen Brief geschrieben, in dem er seine Erschütterung und Trauer über die Folgen des Missbrauchsskandals für die Opfer ausdrückt.

Als Konsequenz möchte er über die Sexualmoral und über Macht- und Hierarchiefragen in der Kirche diskutieren und schließt auch grundsätzliche Veränderungen nicht aus.

Öffentliche Podiumsdiskussion mit dem Bischof und Mitgliedern der Forschergruppe der Missbrauchsstudie am 6. November in der "Wolfsburg".

Als Konsequenz aus der katholischen Missbrauchsstudie will Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck auch über die Sexualmoral sowie über Macht- und Hierarchiefragen in der Kirche diskutieren. Dabei schließt er auch grundsätzliche Veränderungen nicht aus. „Ich versichere Ihnen, dass ich mich auch über unser Bistum hinaus entschieden dafür einsetzen werde, die Ergebnisse der Studie und die Empfehlungen der Wissenschaftler sehr ernst zu nehmen“, schreibt Overbeck in einem Brief an die Kirchengemeinden des Bistums Essen, der am Wochenende in allen Gottesdiensten verlesen wird. Dazu gehörten „vor allem auch die alarmierenden Hinweise, dass einige Vorstellungen und Aspekte unserer katholischen Sexualmoral sowie manche Macht- und Hierarchiestrukturen sexuellen Missbrauch begünstigt haben und immer noch begünstigen“, so der Bischof. „Wir müssen darüber in der Bischofskonferenz, aber auch in unserer gesamten Kirche offen und angstfrei reden, damit wir die richtigen Konsequenzen ziehen.“ Er sei bereit, sich „allen kritischen Anfragen zu stellen“, schreibt Overbeck. „Ich wünsche mir sehr, dass wir in einem offenen Dialog herausfinden, welche grundsätzlichen Veränderungen in unserer Kirche erforderlich sind, damit sexuelle Gewalt und sexueller Missbrauch bei uns keinerlei Nährboden mehr finden.

Studie „bescheinigt unserer Kirche ein großes Versagen“

Die Deutsche Bischofskonferenz hatte eine umfangreiche wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, um den 2010 öffentlich gewordenen Missbrauchsskandal anhand interner Akten über Priester seit dem Kriegsende bundesweit zu untersuchen. Diese Studie wird den Bischöfen am Dienstag, 25. September, auf ihrer Vollversammlung in Fulda vorgestellt. In dieser Woche waren erste Details bekannt geworden, weshalb sich Overbeck nun mit einem Brief an die Gemeinden wendet. Bereits am Donnerstag hatte Generalvikar Klaus Pfeffer in einer E-Mail an alle Bistums-Mitarbeiter sein Entsetzen über die Ergebnisse der Studie deutlich gemacht. Overbeck schreibt in seinem Brief an die Gemeinden: „Mit Ihnen bin ich zutiefst erschüttert und traurig über das unermessliche Leid, das unzähligen Menschen zugefügt worden ist.“ Die Studie bescheinige „unserer Kirche ein großes Versagen, weil viele Verantwortliche zu wenig oder nichts getan haben, um Verbrechen zu verhindern, aufzudecken, aufzuklären und zu ahnden.“ Er könne den Zorn vieler Menschen verstehen, so Overbeck: „Unsere Kirche erhebt einen hohen moralischen Anspruch. Gerade in früheren Jahrzehnten haben viele Katholiken manche sexual-moralischen Forderungen als überzogen, belastend und bedrängend erlebt.“ Umso schrecklicher sei, wenn sich nun zeige, „in welch einem Ausmaß Amtsträger unserer Kirche moralisch versagt haben“. Die Kirche habe „schwere Schuld auf sich geladen“. Nun sei sie es „den Opfern schuldig, dass wir alles tun, damit solches Leid ein Ende hat und nie wieder geschehen kann“.

„Die Gefahren sind bei weitem nicht gebannt“

Trotz vielfältiger Anstrengungen der Kirche hinsichtlich einer möglichst guten Präventionsarbeit seien „die Gefahren bei weitem nicht gebannt“, betont der Bischof. „Wir müssen befürchten, dass es unter uns nach wie vor sexuellen Missbrauch gibt und geben kann. Darum werde ich weiterhin alles tun, damit solche Verbrechen in der Kirche unmöglich werden.“ Konkret bittet Overbeck die Kirchenmitglieder um „Ihre Unterstützung und Ihr Mittragen der vielfältigen Maßnahmen, die wir bereits begonnen haben und weiterführen wollen.“ Vor allem aber bitte er „um das Gebet für die Opfer sexuellen Missbrauchs, denen durch Priester und andere Verantwortliche der Kirche unsägliches Leid zugefügt wurde.“

„Wir erleben eine sehr dunkle Stunde unserer Kirchengeschichte, die hoffentlich zu einer Reinigung und Erneuerung führen wird“, schreibt Overbeck mit Blick auf die Missbrauchsfälle in Deutschland, aber auch in der katholischen Kirche in anderen Ländern. Der Vatikan hatte Mitte der Woche ein Treffen von Papst Franziskus mit den Leitern der nationalen Bischofskonferenzen zu diesem Thema angekündigt. Der Papst habe erkannt, „in welcher Krise wir uns befinden“, so Overbeck.

Am Dienstag, 6. November, wird Overbeck bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion in der Bistums-Akademie "Die Wolfsburg"in Mülheim mit den beiden Professoren Andreas Kruse und Eric Schmitt aus dem Forscherteam der Missbrauchsstudie sowie mit der Präventionsbeauftragten des Bistums, Andrea Redeker, über die Studie informieren und diskutieren. Alle Anmelde-Informationen stehen in der Veranstaltungs-Einladung.

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen