von Cordula Spangenberg

Rollenklischees sind in der Schule fehl am Platz

Ob Jungen benachteiligt werden, diskutierte eine Expertenrunde mit NRW-Schulministerin Löhrmann in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“

Junge Menschen so stark zu machen, dass sie zum Beispiel nicht für Radikalisierungen empfänglich sind, hält NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann für ein wichtiges Ziel der Erziehung in Schule und Elternhaus. Eine solche identitätsstiftende Erziehung könne sowohl in gemeinsamen als auch in geschlechtergetrennten Schulklassen oder punktuell in getrennten Lerngruppen für Mädchen und Jungen gelingen. Löhrmann äußerte sich am Dienstagabend in Mülheim auf Einladung der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ und des Dezernates für Schule und Hochschule des Bistums Essen in einer Diskussion über die Frage nach einer Benachteiligung von Jungen in der Schule.

Nicht allein das Geschlecht, sondern viel mehr die soziale Herkunft der Schüler und der Standort der Schule entschieden den Schulerfolg, erklärte die Dortmunder Schulentwicklungsforscherin Dr. Ilse Kamski. Gefahr für die Bildung drohe immer, wenn sich ein Rollenverständnis verfestige: „In den 70er Jahren waren katholische Mädchen vom Land benachteiligt, heute sind es bildungsferne Jungs mit Migrationshintergrund aus Ballungsgebieten.“ Im Querschnitt der rund 2,3 Millionen Schüler in NRW schnitten jedoch tatsächlich die Jungen schlechter ab als die Mädchen, wiederholten öfter ein Schuljahr oder beendeten die Schulzeit ohne Hauptschulabschluss.

Um unterschiedlichen Entwicklungsschritten und Interessen von Jungen und Mädchen gleichermaßen gerecht zu werden, geht das katholische Mariengymnasium in Essen-Werden deshalb den Weg der parallelen Monoedukation. Im Jahr 2010 wurden in der einstigen Mädchenschule getrennte Klassen für Jungen und Mädchen bis zur Stufe 9 eingerichtet, erst im Kurssystem der Oberstufe gibt es gemeinsamen Unterricht. Schulleiterin Dr. Christiane Schmidt berichtete über den Leidensdruck mancher Kinder beim Aufnahmegespräch: „Die Grundschuljungen haben den Eindruck: Immer sind wir die Bösen. Und die Mädchen beschweren sich: Wir müssen uns zwischen die lauten Jungs setzen.“ Getrennter Unterricht entlaste und fördere die Kinder in diesen Entwicklungsjahren. „Außerdem haben wir seither drei Schülerbands und eine differenzierte Licht- und Tonanlage“, ergänzte Schmidt augenzwinkernd.

Dass in Kindertagesstätten über 90 Prozent Frauen arbeiten und auch an den Schulen die Lehrerinnen in der Mehrheit sind, macht den Jungen die Sache nicht leichter, denn natürlich brauchen sie männliche Vorbilder. Deshalb hat die Katholische Elternschaft Deutschlands (KED) es sich zum Ziel gesetzt, den Lehrer- und Erzieherberuf für Männer attraktiver zu machen. KED-Bundesvorsitzende Marie-Theres Kastner sprach in Mülheim von einer Quote von 40 Prozent an männlichen Pädagogen, die der Verband anstrebe: „Denn Männer und Frauen denken unterschiedlich, und das ist gut so.“ Auch Schulministerin Löhrmann sagte: „Beharrlich hält sich bis in die Besoldungsstufen das gesellschaftliche Muster, es sei weniger anspruchsvoll, mit den kleinen Kindern zu arbeiten, als an Schulen und Hochschulen zu lehren. Wir arbeiten daran, das zu ändern.“

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