"Priestersein hilft gegen Alzheimer"

Als Wilhelm Zimmermann 1980 zum Priester geweiht wurde, da schwebte ihm vor, irgendwann mal als Pastor in einer überschaubaren Stadtteil-Gemeinde zu wirken. Doch alles ist etwas anders gekommen. Jetzt leitet er Deutschlands größte Pfarrei.

Propst Wilhelm Zimmermann leitet die größte Pfarrei Deutschlands

Als Wilhelm Zimmermann 1980 zum Priester geweiht wurde, da schwebte ihm vor, irgendwann mal als Pastor in einer überschaubaren Stadtteil-Gemeinde zu wirken. Doch alles ist etwas anders gekommen. Denn heute sieht sich der Seelsorger vor einer Herausforderung ganz anderer Dimension: Er leitet Deutschlands größte katholische Pfarrei. St. Urbanus in Gelsenkirchen-Buer, auf derem Pfarrgebiet die Arena auf Schalke liegt, zählt mehr als 40.000 Katholiken und damit sogar rund 5.000 mehr als das gesamte Bistum Görlitz.

Den Superlativ "verdankt" Propst Zimmermann der Neustrukturierung, zu der sich das Bistum Essen wegen rückläufiger Zahlen bei Kirchenmitgliedern und Priestern gezwungen sah. Vor zwei Jahren entstand aus ehemals 16 eigenständigen Pfarreien im Norden der Stadt eine einzige - allerdings mit sieben Gemeinden. Fünf Kirchen wurden aufgegeben, einige Kindergärten geschlossen, pastorale Mitarbeiter mussten gehen - eine schmerzliche Entwicklung. Aber dennoch ist Zimmermann weit davon entfernt, in Resignation zu verfallen. "Wir mussten immer wieder neu anfangen", meint der 61-Jährige auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Umbrüche im Ruhrgebiet. Nach wie vor übt Zimmermann seinen Priesterberuf gerne aus. Für den interessieren sich mittlerweile nur wenige, weshalb Papst Benedikt XVI. das derzeit laufende Priesterjahr ausgerufen hat.

"Veränderung" und "Bewegung" - das sind Schlüsselbegriffe für den gebürtigen Gelsenkirchener, der erst Einzelhandelskaufmann lernte, dann zur Theologie wechselte und unter anderem Jugendpfarrer des Bistums und Geheimsekretär des ersten Ruhrbischofs, Kardinal Franz Hengsbach, war. Auch in der heute säkular geprägten Umwelt will er "Eckpfeiler für die Botschaft Christi in dieser Region" schaffen. Dabei räumt Zimmermann ein, dass die jüngsten Veränderungen nicht immer leicht gewesen seien. Als Chef von etwa 60 Mitarbeitern spürt er durchaus die Verantwortung, insbesondere wenn es um die nach wie vor notwendige Reduzierung von Personal geht. Mit Blick auf die betroffenen Familien drückt dann schon die Frage: "Wie würdest du damit umgehen, wenn du deinen Arbeitsplatz verlieren würdest?"

In der konkreten pastoralen Arbeit fühlt der Geistliche aber Rückenwind. Denn die neue Struktur bedeutet für ihn vor allem eins: Nicht mehr alles selber machen zu müssen und in einem großen Team zu arbeiten. "Aufgaben delegieren können" lautet ein Kernsatz von ihm. So kümmere sich nun überwiegend ein Mitarbeiter um Verwaltung und Finanzen. Das "wird nicht mehr von mir gemacht", so Zimmermann.

Regelmäßig treffen sich die rund 20 Seelsorger der Großpfarrei, machen gemeinsame Ausflüge, reden über dienstliche Details und mitunter auch über private Probleme. "Wann habe ich den benachbarten Pastor früher mal angerufen?", blickt Zimmermann zurück. Inzwischen sei man sich "persönlich viel näher" und unterstütze sich mit Rat und Tat. "Das verändert den Lebensstil", betont der Geistliche. Und er mahnt zugleich: "Priestersein bedeutet nicht, allein zu leben." In diesem Sinne sei auch eine gemeinsame wöchentliche Gebetszeit in der zur Pfarrei gehörenden Ordensgemeinschaft der Serviten geplant.

Einen großen Stellenwert im "Bistum Buer" - diese Formulierung wählte jüngst eine örtliche Zeitung - räumt Zimmermann nicht zuletzt den Ehrenamtlichen ein. Bei einer Protestveranstaltung gegen den Abriss einer Kirche war er heilfroh, dass ihn jeweils ein Mitglied des Pfarrgemeinderates und des Kirchenvorstandes zu der hitzigen Diskussion begleiteten. Der eigens entwickelte Pastoralplan für St. Urbanus nennt als Ziel, Ehrenamtliche für kreative Mitarbeit zu gewinnen, ohne dass aber "die gesamte Arbeit von einzelnen geleistet wird".

Ähnlich gestaltet sich die Aufgabenteilung unter den Hauptamtlichen. So kümmert sich nicht Zimmermann, sondern der Seelsorger einer Filial-Gemeinde schwerpunktmäßig um die Jugendarbeit, ein anderer mehr um die karitativen Dinge, wieder ein anderer um Verbände. Da bleiben auch Reserven für neue Initiativen: So hat die Gemeinde in Gelsenkirchen-Hassel, ein Stadtteil mit vielen muslimischen Migranten, Kontakte zur Moscheegemeinde geknüpft. Gerade solche Umbrüche findet Zimmermann spannend und zukunftsweisend. Sein scherzhaft gewendetes Fazit: "Priestersein hilft gegen Alzheimer."(Andreas Otto, kna)

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