von Cordula Spangenberg

Politik erklären, Protestwähler verhindern

Als Signal für den Bund wertet die Gesprächsrunde in der „Wolfsburg“ die NRW-Landtagswahlen

In einer komplexen Welt müssten die Themen der anstehenden Wahlkämpfe auf Länder- und Bundesebene den Bürgern besser erklärt werden als bisher; andernfalls ließen sich die Wähler von den einfachen Lösungen populistischer Parteien locken. Zu dieser übereinstimmenden Einschätzung kamen die Diskutanten der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ am Mittwochabend, 8. Februar, bei einem Gesprächsabend zu den am 14. Mai anstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Auf dem Podium stellten sich Prof. Dr. Andreas Blätte, Direktor des Instituts für Politikwissenschaften der Universität Duisburg-Essen, und Dr. Richard Kiessler, ehemaliger Chefredakteur der NRZ und WAZ-Mediengruppe, den Fragen von Akademiedozent Tobias Henrix.

Viele politische Inhalte erreichten die Menschen im aktuellen Wahlkampf nicht, beobachtet Blätte. Das liege einerseits daran, dass Politiker ihre Entscheidungen nicht hinreichend verständlich erklärten. Andererseits schotteten viele Menschen sich in den „Filterblasen des Internets“ und in ihren eigenen Interessensgruppen so ab, dass sie Argumente von außen nicht mehr wahrnähmen. „Wenn wir diese Menschen nicht erreichen, wird die AfD mit Leichtigkeit ein Ergebnis von 10 Prozent einfahren“, warnte Blätte.

Demgegenüber gab Kiessler zu bedenken, viele dieser AfD-Sympathisanten seien allerdings reine „Denkzettel-Wähler“, die ihre Unzufriedenheit ausdrückten, ohne sich mit dem politischen Hintergrund zu beschäftigen. Besorgniserregend sei jedoch, dass in der „besonderen Situation 2017“ auch von Bewegungen im internationalen Raum Einfluss auf die deutschen Wähler zu erwarten sei – sei es durch die rechtspopulistische Freiheitspartei in den Niederlanden mit Geert Wilders, den französische Front National mit Marine Le Pen oder durch das Wirken von Donald Trump in den USA.

Dass politische Programme auf Dauer wenig Akzeptanz fänden, wenn sie den Bürgern anfangs nicht nachvollziehbar verständlich gemacht würden, erklärte Blätte am Beispiel der Agenda 2010, der deutschen Arbeitsmarktreform der Jahre 2003 bis 2005, aus der auch die Hartz IV-Gesetze hervorgingen: „Es geht nicht nur darum, Fakten zu einem neuen Gesetz darzustellen, sondern den Wählern zu erklären, wie die Entscheidung zu einem Gesetz sich historisch erklärt, und welchen Deutungshorizont sie hat.“ Bundeskanzlerin Merkels Slogan zur Flüchtlingskrise „Wir schaffen das“ gehe es ähnlich; immerhin habe er viele Deutsche mobilisieren können, aber keineswegs erklärt, in welche Richtung die Flüchtlingspolitik ziele.

Allerdings wollte Blätte dann doch eine Lanze für die Parteien brechen. Denn trotz ihrer „Gesprächsstörung“ gegenüber den Bürgern, wie Bundespräsident Joachim Gauck es formuliert hatte, seien die Parteien immer noch die beste Organisationsform der Demokratie, wenn man Bürgerbeteiligung ermöglichen wolle. Und auch Kiessler vertraut den politischen Strukturen: „Wir haben eine gefestigte Demokratie. Allerdings müssen wir sie gut pflegen.“

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