Macht muss sich immer selbst hinterfragen

Macht - die einen streben nach ihr, genießen sie, andere fürchten sie oder leiden unter ihrer Machtlosigkeit. "Wie gehen Kirche und Gesellschaft mit Macht um?" - diese Frage diskutierte Bischof Overbeck mit dem Religionssoziologen Michael N. Ebertz und Staatsminister a.D. Bodo Hombach in der "Wolfsburg".



Diskussion zum Umgang mit Macht in Kirche und Gesellschaft in der "Wolfsburg" 

Den „Beginn einer Machtverschiebung in der Kirche“ sieht der Freiburger Religionssoziologe Professor Dr. Michael N. Ebertz in dem vor wenigen Wochen erfolgten überraschenden Rücktritt von Papst Benedikt XVI.. „Dies könnte dazu führen, in Zukunft Amt und Person stärker zu trennen“, sagte er auf einer Podiumsveranstaltung in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim an der Ruhr. In der Reihe „Dialoge mit dem Bischof“ diskutiert er mit Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck und dem Staatsminister a.D. und langjährigen Geschäftsführer der WAZ Mediengruppe, Bodo Hombach, die Frage nach dem Umgang mit Macht in der Kirche und Gesellschaft.

Benedikt XVI. habe – so Ebertz – „mehr zur Entzauberung von Amt und Kirche beigetragen, als wir uns es vorstellen können“. Hombach wertete den Rücktritt als einen bemerkenswerten Schritt und ein „Zeichen von historischer Bedeutung“. Benedikt XVI. sei ein Papst gewesen, „der das Amt für wichtiger hält als den Stuhl“. Für Bischof Overbeck ist der Rücktritt ein Zeichen, dass kirchliche Macht endlich ist. „Es ist schon bemerkenswert, dass es als etwas Besonderes empfunden wird, wenn ein Papst etwas Normales tut“, so Overbeck.

Dass der neue Papst den Namen "Franziskus" des Ordensgründers der Minderen Brüder (Franziskaner) gewählt hat, der in Armut nach dem Vorbild Jesu lebte und mit den Armen und Kranken teilte, beinhaltet für Ebertz schon eine Spannung: „Der Papst hat damit ein Symbol der Machtlosigkeit gesetzt.“


Machtausübung braucht Glaubwürdigkeit

Dass Macht zum Guten wie zum Schlechten genutzt werden könne, darauf wies Hombach hin. Doch das Problem der Macht werde nie endgültig zu lösen sein. „Wir müssen es organisieren, kanalisieren und sozialisieren“, so Hombach. Dabei seien Medien wichtig für Machtkontrolle und Demokratie. „Sie haben Macht, indem sie der Politik, der Wirtschaft oder den Kirchen etwas androhen können“, meinte Ebertz. Entscheidend für ihn ist, dass Macht geteilt wird und sich wechselseitig kontrolliert. Beim Missbrauchsskandal habe die Kirche erkennen müssen, „dass ihr Anspruch, moralische Herrschaft in der Gesellschaft auszuüben, durch die Macht der Medien vom hohen moralischen Ross heruntergestürzt wurde“, betonte der Religionssoziologe. Ein immenser Statusverlust sei die Folge. Doch die Kirche lerne daraus. Dass bei der Ausübung von Macht Glaubwürdigkeit das Wichtigste sei, unterstrich hier Bodo Hombach. 

Bischof Overbeck wies auf die „geistliche Macht“ hin, die nach katholischem Verständnis durch die Weihe verliehen wird. Dazu zähle beispielsweise das Bischofsamt genauso wie die Spendung der Sakramente. Die geistliche Macht sei ins Irdische eingebettet. Diese Spannung müsse ausgehalten werden. „Es ist eine riesige Herausforderung, zum einen wegen der Verantwortung für die Menschen, zum anderen wegen der Verantwortung vor Gott“, so der Bischof.


"Konstruktionsmangel" der Kirche

Er machte außerdem deutlich, dass sich in der Kirche heute die Erwartungen häufig auf eine Person konzentrierten, von der oft Übermenschliches erwartet werde. Das betreffe einen Bischof genauso wie einen Pastor. In dieser Projektion auf eine Person sieht Ebertz einen „Konstruktionsmangel der Kirche“.  Die Amtsträger müssten durch Kontrolle und Beratung geschützt werden. Doch Bischöfe seien nach dem Kirchenrecht nicht beratungspflichtig. Dass ihm eine verbindliche Beratung wichtig sei und er diese auch in Anspruch nehme, das unterstrich Bischof Overbeck mit Nachdruck. Auch wenn Macht immer an den gebunden sei, der die Macht habe, gebe es in der Leitung eines Bistums Fragen, „die auch demokratische Relevanz haben“. Nach Ansicht Overbecks brauche Macht auch Kompetenz. „Wir müssen eine Machtform praktizieren, die sich immer selbst hinterfragt“, so der Bischof. So habe Benedikt XVI. durch seinen Rücktritt die Kirche als Institution über die Person gestellt.

Bei der Frage nach Formen von Demokratisierung in der Kirche betonte Overbeck, dass diese sich der Pluralität stellen müsse. So gehöre es für ihn zum Amt des Bischofs, „nicht nur zu reden, sondern mehr zu hören“. Die Kirche sei hierzulande keine Volkskirche mehr. Mit dieser „Ohnmacht“ müsse man jedoch konstruktiv umgehen, „und zwar in der Begegnung mit den Menschen von heute“. 

In der abschließenden Diskussion mit den zahlreichen Besuchern kreisten die Fragen um Macht, Verantwortung und Freiheit, nach der Macht des Glaubens, Gebetes und der Nächstenliebe, um das Vertrauen in die Institution oder um die wachsende Machtlosigkeit der Kirche in der Gesellschaft. „Die Kirche sollte auf ihre Macht, die sie aufgrund ihrer Werte, Erfahrung und Tradition hat, nicht verzichten“, war der Rat von Bodo Hombach. (do)

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