Kirchengemeinden müssen Mehrwertsteuer abführen

Durch eine Änderung des Steuerrechts werden künftig deutlich mehr Pfarreien als bislang umsatzsteuerpflichtig. Weil hier vieles noch unklar ist, rät der Steuerrechts-Experte des Bistums den Kirchenvorständen, die vierjährige Übergangsfrist zu nutzen.

Wenn katholische Kirchengemeinden beim Pfarrfest Würstchen verkaufen, eine Miete für ihren Gemeindesaal verlangen oder Gebühren für den Friedhof erheben, mussten sie sich um das Thema Mehrwertsteuer bislang nur selten kümmern – der Umsatz der allermeisten Pfarreien im Ruhrbistum lag unterhalb der entsprechenden Schwelle. Dies ändert sich jedoch ab dem kommenden Jahr, dann fällt die steuerliche Besserstellung von Kirchengemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts weg. Damit wird sich künftig auch jeder Kirchenvorstand im Bistum Essen mit der Mehrwert- oder Umsatzsteuer befassen müssen, darauf weist Dr. Rudolf Gewaltig, Steuerrechts-Experte im Bischöflichen Generalvikariat Essen hin. Im Interview erläutert er die Hintergründe und gibt Tipps, was Kirchengemeinden jetzt tun sollten.

Dr. Gewaltig, was bedeutet die Steuerrechtsänderung für Kirchengemeinden?

Mit der Änderung des Steuerrechts muss sich künftig jede Kirchengemeinde mit Umsatzsteuerfragen beschäftigen. Bislang waren Kirchengemeinden als Körperschaften des öffentlichen Rechts bis zu einem Jahresumsatz von 35.000 Euro von der Umsatzsteuerpflicht befreit. Dabei galt dieser Schwellenwert für jeden „Betrieb“ – aus Sicht des Steuerrechts war sowohl jedes Gemeindefest ein eigener „Betrieb“ als auch der Friedhof oder der Gemeindesaal. Blieb eine Kirchengemeinde in jedem dieser „Betriebe“ bzw. jeder dieser Einrichtungen unter einem Jahresumsatz von 35.000 Euro – und das war bislang im Ruhrbistum die Regel – dann gab es keine Umsatzsteuerpflicht.

Wie sieht die neue Regelung konkret aus?

Das Steuerrecht unterscheidet bei Körperschaften des öffentlichen Rechts nun zwischen Geschäften auf öffentlich-rechtlicher und auf privatrechtlicher Grundlage. Einnahmen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erwirtschaftet die Kirchengemeinde durch Aktivitäten, die direkt mit der Seelsorge zu tun haben und die so eben nur eine Kirchengemeinde anbieten kann. Dazu zählen zum Beispiel Gebühren für den Friedhof oder die Kostenbeteiligung beim Kommunionunterricht. Diese Einnahmen sind weiterhin umsatzsteuerfrei. Anders ist es zum Beispiel bei den Einnahmen aus Festen, der kurzfristigen Vermietung des Gemeindesaals, Kartenverkäufen für ein Orgelkonzert oder Anzeigen für das Pfarrmagazin. Auf diese „unternehmerischen Tätigkeiten“, die nicht exklusiv an die hoheitlichen Aufgaben als Kirchengemeinde geknüpft sind, fallen künftig 19 Prozent Mehrwertsteuer an.

Was raten Sie Kirchengemeinden?

Der Gesetzgeber hat eine vierjährige Umstellungszeit eingeräumt, in der noch das alte Recht gilt – diese sollte jede Pfarrei nutzen. Hierfür muss jedoch jeder Kirchenvorstand bis Ende des Jahres dem zuständigen Finanzamt erklären, dass die Kirchengemeinde diese Übergangsfrist für sich in Anspruch nimmt. In der kommenden Zeit erwarten wir zum einen, dass bislang strittige Fragen in der Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichem Bereich geklärt werden. Zum anderen stellen wir unser zentrales Buchungsprogramm um, so dass Kirchengemeinden künftig aus dem Programm heraus auch entsprechende Steuererklärungen abgeben können. Unter dem Strich bedeutet das neue Steuerrecht zwar eine gewisse Umstellung für die Kirchengemeinden. Wir hoffen jedoch, dass sich durch eine gute Nutzung von Möglichkeiten wie dem Vorsteuerabzug oder Befreiungstatbeständen und eine gute Planung die Mehrbelastung in Grenzen hält. Um hierfür noch zahlreiche Einzelfragen zu klären, ist es jedoch sehr wichtig, dass Kirchengemeinden die Übergangsfrist ausschöpfen.

Juristischer Referent - Stabsbereich Recht

Dr. Rudolf Gewaltig

Zwölfling 16, 45127 Essen

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen