Kirche befindet sich in neuer „Marktsituation“

Nach Ansicht des Pastoraltheologen Bucher ist die katholische Kirche eine "Absteigerreligion". Völlig veränderte Bedingungen seien dafür verantwortlich, dass die Kirche sich in einer neuen "Marktsituation" befinde, so der Theologe beim Essener "Kreuzganggespräch".


Pastoraltheologe Bucher bei den Essener Kreuzganggesprächen

Das Christentum in Europa ist nach Ansicht des Pastoraltheologen Rainer Bucher eine „Absteigerreligion“ und muss schmerzliche Demütigungserfahrungen hinnehmen. „Die katholische Kirche ist eine Macht, die zusammenbricht“, erklärte Bucher am Dienstagabend, 3. Juli 2012,  beim Essener „Kreuzganggespräch“ . In seinem Vortrag „… wenn nichts bleibt, wie es war. Zur prekären Zukunft der katholischen Kirche“ bezeichnete Bucher die gegenwärtige Krise innerhalb der Kirche als „das Ende eines langes Abstiegsweges“ aus dem 19. und 20. Jahrhundert, der unumkehrbar sei.

„Es ist vorbei mit lebenslanger Mitgliedschaft, mit unverbrüchlicher Gefolgschaft und einer umfassenden katholischen Biografie“, erklärte der Theologe vor gut hundert Gästen  bei der Veranstaltung im Rahmen des Dialogprozesses „Zukunft auf katholisch“ im Bistum Essen. Wenn die katholische Kirche weiterhin so defensiv und unkreativ reagieren würde, bestehe die Gefahr einer Marginalisierung, warnte Bucher. Als kritische Themen in der Negativspirale nannte er den Missbrauchsskandal, die Geschlechterfrage und die Lage der Priester. „Wir lernen zurzeit viel, und es ist nicht schön, was wir über uns erfahren.“

Nach Buchers Analyse befindet sich die katholische Kirche nach  jahrhundertelanger Machterfahrung jetzt in einer völlig neuen „Marktsituation“ und muss sich gegenüber anderen Angeboten behaupten. Mit Blick auf den Gemeindealltag sprach er von einem „individuellen Nutzenkalkül“ vieler Menschen. Sie würden zwar weiterhin Kirchensteuern zahlen, aber nur für Taufen, Trauungen oder Beerdigungen in die Kirche kommen: „Die religiösen Praktiken sind in die Freiheit des einzelnen gegeben.“ Lösungen für die Krise sieht der Pastoraltheologe im Programm des Zweiten Vatikanischen Konzils, denn es biete eine „Software für das Funktionieren von Kirche in der jetzigen Situation“. Als wichtigste Grundlagen nannte er zwei hier entwickelte Prinzipien. Zum einen dürften Andersdenkende nicht weiter ausgegrenzt werden, zum anderen müsse sich die Wahrheit der kirchlichen Botschaft an ihrem Handeln zeigen. Als vier innerkirchliche Konfliktpunkte nannte Bucher das Verhältnis von Priestern und Laien, von Haupt- und Ehrenamtlichen, von Männern und Frauen sowie das Verständnis der Gemeinde von drinnen und draußen. Es sei wichtig, den Erneuerungsprozess so zu gestalten, „dass beide Seiten ihn als kreativ und gut erleben“, betonte der Theologe. (epd | ja)

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