von Cordula Spangenberg

„In Sachen Ökumene bewegt die Basis oft mehr als die Theologie“

"Wenn alte Wunden niemanden mehr jucken" war der Akademieabend in der "Wolfsburg" überschrieben. Ökumene - so der Tenor - ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden.

Die Ökumene wird heute nicht mehr durch theologische Themen wie Abendmahlslehre oder Ämterverständnis gebremst, sondern dadurch, dass für Protestanten ihr individueller Glaube im Zentrum steht, für Katholiken dagegen der Gemeinschaftssinn ihrer Kirche. Zu diesem Zwischenstand kam eine ökumenisch besetzte Diskussionsrunde am Montagabend, 12. Juni, in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim. Entsprechend dem Titel der Veranstaltung „Wenn alte Wunden niemanden mehr jucken“ entwickelten die Diskutanten im Laufe des Abends wenige Differenzen und viele Gemeinsamkeiten.

Dem evangelischen Religionssoziologen Prof. Detlef Pollack aus Münster fiel es schwer, „eine Lanze für den Protestantismus zu brechen“. Dr. Andreas Püttmann, Politologe und Katholik aus Bonn, sagte, er glaube nicht mehr an „die Gesundschrumpfung der Kirche“. Stattdessen entwickelten beide das Bild zweier Kirchen, deren Mitglieder angerührt sind von der Botschaft Jesu und sich im Übrigen in einander nahe stehenden Kirchen zu Hause fühlen.

Der Essener Weihbischof Wilhelm Zimmermann, als Bischofsvikar zuständig für Ökumene und interreligiösen Dialog, beobachtet bei seinen Besuchen in den Pfarreien des Ruhrbistums, dass die beiden wirksamsten Trennungsgründe – die Ämterfrage und das Sakramentenverständnis – von den meisten Christen nicht mehr verstanden würden. Zwar seien von der Theologie erarbeitete ökumenische Meilensteine um der Wahrhaftigkeit willen wichtig, meint Zimmermann. Aber selbst eine bahnbrechende gemeinsame Erklärung zu den Grundwahrheiten des Glaubens, wie sie etwa im Jahr 1999 als „gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ zwischen Lutherischem Weltbund und römisch-katholischer Kirche in Augsburg unterzeichnet worden war und einen wichtigen Ausgangspunkt für die Kirchenspaltung aus der Welt geschafft habe, rühre heute keinen Gläubigen mehr. „In Sachen Ökumene bewegt die Basis oft mehr als die Theologie“, resümierte Zimmermann.

Den Streit an der Basis hält der evangelische Christ Pollack sogar für eine Stärke der katholischen Kirche: „Ich bewundere die Katholiken dafür, dass sie sich so an ihrer Kirche reiben. Das hält die Sache lebendig. Protestanten brauchen das nicht; aber wo der Glaube unbestimmt wird, verliert er an Kraft.“ Auch Püttmann stimmte dem Weihbischof insofern zu, als sich nicht die Masse der Christen für die Lehre interessiere, sondern vor allem die theologischen Eliten: „Die aber müssen weiter Theologie treiben. Denn eine Hochkultur, zu der die profilierte Ökumene ja gehört, ist nicht zu Billigpreisen zu haben, sondern fordert intellektuelle Anstrengung.“

Lässt man also die Theologen einen wissenschaftlichen Konsens finden, während die Basis beider Kirchen sich im Alltag selbständig den Weg zueinander bahnt, um die Kirchentrennung zu überwinden? Für den Politologen Püttmann ist die Einheit der Kirchen jedenfalls kein zwingendes Ziel: „Die Verschiedenheit unserer Kirchen gibt uns mehr Möglichkeiten, die Menschen anzusprechen. Man wird auf uns gemeinsam schauen.“ Katholiken seien aufgehoben in einer großen, kulturell vielfältigen Weltgemeinschaft; für Protestanten sei dagegen letzte Instanz das Gewissen statt einer Lehrautorität, so die Einschätzung Püttmanns. Für den Religionssoziologen Pollack ist wichtiger als die konfessionelle Frage, dass beide Kirchen sich nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigten, sondern ihrem Auftrag nachkämen, die Not der Menschen zu lindern. Kritik aus der Zuhörerschaft gab es allerdings dafür, „die Gräben künstlich zu erhalten“, anstatt festzustellen, wo man auf einem Grund stehe, um dann zum Beispiel ein gemeinsames Abendmahl zu ermöglichen.

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