von Stefanie Ball (KNA)

Hongkongs Kardinal Zen Ze-kiun wird 85 Jahre alt

Der Ruhestand betrifft nur sein Amt - nicht aber seine kritische Stimme. Kardinal Zen Ze-kiun aus dem Essener Partnerbistum Hongkong weiß selbst, dass er streitlustig ist, und das will er auch bleiben.

"In meinem Alter ist es schwierig, seinen Charakter noch zu ändern", sagt Hongkongs Kardinal Joseph Zen Ze-kiun. An diesem Freitag wird der emeritierte Bischof 85 Jahre alt in dem Partnerbistum von Essen. Seine feste Stimme, sein klarer Blick, die Energie, mit der er die Arme hochreißt, wenn er über die Annäherung zwischen dem Vatikan und dem kommunistischen Regime in Peking redet, die er für falsch hält, lassen nichts von seinem Alter erkennen. Nur manchmal sitzt er zusammengesunken am Tisch, die Schultern nach vorn gebeugt. "Ich weiß nicht, warum sie mir nicht glauben", sagt er dann, und es klingt ein bisschen fassungslos.

Seit der Vatikan vor ein paar Monaten Verhandlungen mit China aufgenommen hat, um nach Jahrzehnten des Schweigens wieder offiziell die Beziehungen aufzunehmen, hat sich der ehemalige Bischof von Hongkong wiederholt geäußert. Kritisch. Zwar räumt auch er ein, dass die Kirche zu Kompromissen bereit sein müsse. "Aber es gibt Grenzen. Wir können dem Regime in Peking nicht gefällig sein."

Zen kann für sich in Anspruch nehmen, das Land zu kennen, das er so kritisch sieht: Er wird am 13. Januar 1932 in Shanghai geboren. Seine Eltern sind als junge Erwachsene zum Katholizismus übergetreten. 1948 flieht Zen vor den chinesischen Kommunisten nach Hongkong. Der Vater wollte eigentlich selbst Priester werden. Später hofft er, dass sich einer seiner Söhne in den Dienst der Kirche stellt - trotz der Verfolgung, der Christen im kommunistischen China ausgesetzt sind.

Zen schreckt das nicht ab. Er tritt zunächst in Hongkong dem Orden der Salesianer Don Boscos bei. 1961 wird er zum Priester geweiht. Kurz darauf geht er nach Rom und Turin, um Theologie und Philosophie zu studieren. Zurück in Hongkong beginnt er seine Lehrtätigkeit, die bis heute andauert. Von 1989 bis 1996 erhält er sogar die Erlaubnis, an verschiedenen chinesischen Seminaren zu unterrichten. Auch in Shanghai lebt er zeitweise.

2002 wird Zen von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zum Bischof der Sieben-Millionen-Einwohner-Metropole Hongkong ernannt. Längst ist er da als Kritiker Pekings bekannt. In den folgenden Jahren prangert er immer wieder die Verfolgung von Chinas Christen an und setzt sich für die Menschenrechte ein. Als ihn Benedikt XVI. im März 2006 zum Kardinal ernennt, sehen darin viele ein politisches Zeichen. Doch Zen wiegelte ab: "Ich glaube nicht, dass der Heilige Vater Politik im Kopf hatte, sondern dass er sich um das Wohl der Kirche und der Menschen in China kümmert. Er möchte eine chinesische Stimme haben, die wirklich sagen kann, was Sache ist."

Für den emeritierten Kardinal ist die Sache klar - damals wie heute: Die Chinesen "wollen alles - sie wollen eine Kapitulation". Seine Kritik, mehr noch, seine Furcht vor einer Annäherung beruht nicht zuletzt auf den Erfahrungen, die er während seiner Lehrtätigkeit in China gemacht hat. "Ich habe gesehen, wie die Priester behandelt werden, wie sie unterdrückt werden."

In China gibt es eine offizielle Staatskirche, die "Patriotische Vereinigung". Oberste Instanz ist die Regierung in Peking, nicht der Papst in Rom. Zen warnt, die Kirche dürfe sich nicht staatlich kontrollieren lassen. Wenn er solche Sätze sagt, spricht da kein Revolutionär. Doch manche werfen ihm genau das vor; sie meinen, er wolle katholische Geistliche in China gegen den Vatikan in Stellung bringen. Dabei scheint der schmächtige Mann mit dem grauen Haar tatsächlich nur zutiefst besorgt. Zen glaubt schlicht nicht, dass die Sache für den Vatikan ein gutes Ende nehmen wird - "weil Peking nicht zu Zugeständnissen bereit ist".

Während er das sagt, läuft er durch den Säulengang des Studienhauses der Salesianer in Hongkong. Das Gebäude, das 1931, kurz vor seiner Geburt, erbaut wurde, ist sein Zuhause, seit er die Leitung des Bistums abgegeben hat. Er wohnt also wieder dort, wo er vor vielen Jahren als junger Mann seine Kirchenkarriere begann. Und von hier soll ihn die Welt weiter als "einsamen Rufer in der Wüste" hören.

Stichwort: Das Bistum Hongkong

Hongkong ist etwa 1.104 Quadratkilometer groß und zählt rund 7 Millionen Einwohner. Etwa 10 Prozent von ihnen sind Christen. Die Diözese Hongkong zählt über 460.000 Katholiken, darunter mehr als 110.000 Filipinas, die als Hausangestellte in Hongkong arbeiten.  Bischof ist seit 2009 John Tong Hon (70). Er ist Nachfolger von Kardinal Joseph Zen Ze-kiun (78).

Das Bistum Hongkong zählt 51 Pfarrgemeinden, 70 Diözesanpriester, 236 Priester, die 16 verschiedenen Ordensgemeinschaften angehören, sowie 15 Diakone. Aufgrund der Situation in China  haben fast alle Ordensgemeinschaften eine Niederlassung in Hongkong. Dadurch ist der Anteil an Ordensfrauen (496) und Ordensmännern (60) relativ hoch. Zur Zeit bereiten sich 20 junge Männer auf das Priesteramt vor, 10 von ihnen aus dem Bistum Hongkong und 10 aus verschiedenen Ordensgemeinschaften. Die Statistik weist 5346 Taufen, 4.079 Firmungen und 7.248 Katechumenen aus. Rund 2.000 ehrenamtliche Frauen und Männer engagieren sich in der Katechesearbeit.

Zu den Bildungseinrichtungen der Diözese gehören 32 Kindergärten und 242 Schulen, die von über 202.000 Kindern und Jugendlichen besucht werden. Von den knapp 3.000 Lehrerinnen und Lehren  sind nur 25 Prozent katholisch.(Stand: März 2010)

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