von Cordula Spangenberg

Gründen im Ruhrgebiet: Wenn Probleme zu Chancen werden

Der Rat für Wirtschaft und Soziales im Bistum Essen ging in der „Wolfsburg“ den großen Gestaltungsfragen der Region nach.

Viele Hochschulabsolventen sind ein großes Potential für die Region.

Es muss mehr in die Schulbildung investiert werden.

Aus dem Verkehrskollaps kann auch eine Gründer-Idee entstehen.

Große Chancen für junge Gründer, wenn auch keine schnellen Lösungen für einen Strukturwandel im „Zukunftsland NRW“ erkannte eine prominent besetzte Runde aus Wirtschaft, Forschung und Kirche am Donnerstag, 3. Mai 2018, in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim. Bildung, Lebensqualität und Teilhabe standen dabei im Mittelpunkt der abendlichen Diskussion, die der Rat für Wirtschaft und Soziales im Bistum Essen unter Vorsitz seines Sprechers Thomas Schlenz als Jahresveranstaltung ausgerichtet hatte. Schlenz hat sein Amt als Arbeitsdirektor bei der thyssenkrupp Steel Europe AG Anfang des Jahres niedergelegt, bleibt aber Sprecher des bischöflichen Rates.

Die gute Nachricht: Die Hochschullandschaft im Ruhrgebiet hat sich in kurzer Zeit stark entwickelt und zieht auch überregional junge Menschen an, „ein Riesen-Potential“, findet Prof. Dr. Axel Schölmerich, Rektor der Ruhr-Universität Bochum. Er verweist beispielhaft auf den Studiengang IT-Sicherheit mit 800 Studierenden in Bochum, aus dem bereits 16 neu gegründete IT-Unternehmen vor Ort hervorgegangen seien.

„Einfach anfangen!“, sagt dazu Dr. Christan Lüdtke, Berliner Gründer eines Beratungsunternehmens für Digitalisierung und nun „Gründerkoordinator“ im Ruhrgebiet. Aus Berlin hat Lüdtke die Erfahrung mitgebracht, dass die Gründerszene sich dort auch ohne ordnungspolitische Unterstützung entwickelt hat: „Die Leute probierten neue Geschäftsfelder aus, sie scheiterten, lernten daraus für das nächste Start Up-Unternehmen. Heute hat Berlin ein robustes Gründersystem.“

Während die Hochschulen an der Ruhr die Bildungselite im Blick haben, schauen Wirtschaft und Kirche auf Arbeitnehmer und Familien vor Ort, die den bestehenden Strukturproblemen nach wie vor ausgesetzt sind. In Fragen der Schulbildung sei das Land NRW seit dem Jahr 2010 erkennbar abgefallen, weil zu wenig investiert worden sei, kritisiert Prof. Dr. Thomas Bauer, Vorstandsmitglied des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in der „Wolfsburg“.

Mit Blick auf die Bildungsverlierer der Region teilt auch der Essener Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck diese Sorge: „Die bildungspolitische Herausforderung ist bislang nicht gelungen.“ Viele junge Menschen könnten für sich und ihre Familien weder Lebensgrundlage noch Altersvorsorge erwirtschaften, eine schnelle Lösung sei nicht in Sicht, so der Bischof. So sei es auch Aufgabe der Kirche, die Eltern zu unterstützen, etwa mit den zwei katholischen „24-Stunden-Kitas“ in Bochum und Essen – innerhalb der Kirche nicht unumstritten, aber nach Auffassung Overbecks aktuell notwendig, damit Alleinerziehende oder Eltern in Schichtarbeit den Lebensunterhalt der Familie erwirtschaften könnten.

Gemeinsam ist jungen Uni-Absolventen wie eingesessenen Ruhrgebietlern der Wunsch nach attraktiven Stadtquartieren, guter digitaler Anbindung und einer vernünftigen Verkehrspolitik. Das von Akademie-Dozent Tobias Henrix an die Wand geworfene Bild eines Stau-Anzeigers für das Ruhrgebiet zeigte anschaulich, woran Podiumsgäste und Zuhörerschaft der „Wolfsburg“ gemeinsam leiden. Für junge Gründer auf der Suche nach ihrer Idee sah Gründerkoordinator Lüdtke jedoch eine ganz andere Perspektive: „Whow, die Staus sind eine Riesen-Herausforderung, Dinge anzupacken und zu verändern.“ (cs)

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen