Gesundheit auch durch ethisches Verhalten schützen

Aids ist keine "Strafe Gottes". Im Kampf gegen diese Krankheit fordert der Essener Weihbischof Franz Vorrath ein verstärktes Engagement der Kirche: Aufklärung, Beratung. Behandlung, aber auch ethische Bildung und Begleitung bei existenziellen Fragen. Auf einer Tagung in der "Wolfsburg" wurde das Thema "Aids - Kirche - Gesellschaft" diskutiert.

Weihbischof Vorrath fordert neue Akzente in der Aids-Prävention

Bei der Bekämpfung von Aids in Deutschland kommt es für den Essener Weihbischof Franz Vorrath darauf an, von einer Orientierung an technischen Lösungen abzurücken und stärker die Beziehungsebene in den Blick zu nehmen. Gesundheit, so Vorrath, der im Bistum Essen als Bischofsvikar für die Caritas zuständig ist, werde heute immer mehr als Ware betrachtet, nicht als ein Gut, dass es auch durch ethisches Verhalten zu schützen gilt. „Demgegenüber kann vor allem durch eine verstärkte Aufmerksamkeit für die Beziehungsebene und die ethische Dimension des Verhaltens eine Trendwende bei der Aids-Infektion und bei anderen sexuell übertragbaren Krankheiten erreicht werden“, betonte er im Rahmen einer Tagung mit dem Titel „Aids – Kirche – Gesellschaft“ in der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim.

Vorrath sprach sich für ein verstärktes Engagement der Katholischen Kirche aus, die mit ihren Krankenhäusern, mit den Diensten und Einrichtungen der Caritas, mit Schulen, Familien- und Erwachsenenbildung sowie Gemeinden und Pfarreien über beste Voraussetzungen für eine integrierte Strategie im Kampf gegen Aids verfüge. Damit meint er ein Konzept, in dem Aufklärung, Beratung und Behandlung, aber auch ethische Bildung sowie Begleitung in existentiellen und religiösen Fragen eng ineinander greifen.


Zahl der Neuinfektion sinkt nicht

Gemeinsam mit dem Bochumer Medizinprofessor Dr. Norbert Brockmeyer leitet Vorrath den „Gesprächskreis Kirche und HIV/Aids“, in dem Praktiker aus der kirchlichen Aidsarbeit, Ärzte, Seelsorger und Moraltheologen neue Perspektiven im Kampf gegen Aids entwickeln wollen. Dies ist nach Ansicht des Gesprächskreises auch notwendig, da die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland nicht abnehme. Außerdem bestehe die Gefahr, dass sich das Problem durch eine verstärkte Zuwanderung aus Afrika und Osteuropa in den nächsten Jahren verschärfe.

Brockmeyer, der als Dermatologe im Zentrum für sexuelle Gesundheit am St. Josef-Hospital in Bochum jährlich mehr als 1.300 HIV-Patienten in der infektiologischen Ambulanz betreut, wies darauf hin, dass Aids trotz einer beispiellosen medizinischen Erfolgsgeschichte auf absehbare Zeit nicht heilbar sei. Angesichts der weiter notwendigen Forschung könne er nicht nachvollziehen, dass es trotz aller Bemühungen nicht möglich sei, 1,3 Millionen Euro für die Fortführung einer dringend benötigten deutschen Patientendatenbank aufzubringen.

Mehrfach wurden im Verlauf der Tagung ethische und religiöse Fragen angesprochen, die mit dem Thema Aids verbunden sind. Auf dem Hintergrund der therapeutischen Arbeit mit HIV-Inifizierten berichtete der Psychoanalytiker Dr. Stefan Nagel aus Dresden, dass die Schuldfrage eine zentrale Rolle spiele. Ein Schlüssel für die Überwindung latenter Ausgrenzungsmechanismen gegenüber Homosexuellen sei der akzeptierende Umgang mit dem Fremden, dem Anderen. Eine solche Haltung, die auch mit Blick auf Migranten erforderlich sei, müsse von klein auf eingeübt werden.


Kondomfrage "entdramatisieren"

Der Freiburger Moraltheologe Professor Dr. Eberhard Schockenhoff erinnerte daran, dass die Deutung von Aids als „Strafe Gottes“ der Botschaft des Neuen Testaments widerspreche. Die Selbstgerechtigkeit, die sich hinter einer solchen Vorstellung verberge, führe genau zu der Ausgrenzung, die Jesus in seiner Hinwendung zu Kranken habe überwinden wollen. Gegen die immer noch vorhandenen Tendenzen der Diskriminierung von Homosexuellen müsse die Kirche deutlich machen, dass Werte wie Treue und Verantwortung grundsätzlich moralische Wertschätzung verdienen, unabhängig in welcher Form der Beziehung sie gelebt werden. Die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe sei aus kirchlicher Sicht dennoch nicht möglich. Für die Prävention sei es wichtig, dass die Katholische Kirche die Diskussion um die Kondomfrage „entdramatisiere“ und für eine „Haltung der Verantwortung“ werbe.

Über positive Erfahrungen im Gespräch mit Vertretern der Kirche berichtete Michael Schumacher, der Leiter der Aidshilfe Köln. Er warb dafür, die vielerorts bestehende Sprachlosigkeit aufzubrechen und im Wissen um die unterschiedlichen Positionen zusammen zu arbeiten, um in der Prävention voranzukommen. (vm/do)

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