von Thomas Rünker

Freiwilligendienste werben bei Politikern für mehr Anerkennung

Bundes- und Landtagsabgeordnete besuchen junge Leute im Freiwilligen Sozialen Jahr und Bundesfreiwilligendienst in ihren Einsatzstellen in Essen und Gladbeck. Freiwilligendienste im Bistum Essen wünschen sich mehr Wertschätzung für die Engagierten.

Die Freiwilligendienste im Bistum Essen vermitteln 380 verschiedene Einsatzstellen im Ruhrgebiet und im Märkischen Sauerland

Bei drei Besuchen machten sich jetzt die Bundes- und Landtagsabgeordneten Matthias Hauer (CDU), Michael Hübner (SPD) und Mehrdad Mostofizadeh (Bündnis 90 / Grüne) in Essen und Gladbeck ein Bild von den Freiwilligendiensten

Die Freiwilligen verdienen mehr Wertschätzung und ihre Dienste benötigen mehr Werbung, so der Tenor der Gespräche. Ein Vorschlag: Kostengünstige oder freie Bahnfahrkarten für die Freiwilligen

Altenheim statt Finanzausschuss, Behinderten-Werkstatt statt Landtags-Sitzung: Mehrere Bundes- und Landespolitiker aus dem Ruhrgebiet haben in den vergangenen Tagen einige der rund 380 Einsatzstellen der Freiwilligendienste im Bistum Essen besucht. Dabei standen Fragen der Wertschätzung für die jungen Leute, die meist nach dem Schulabschlusse ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) einlegen oder sich für einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) melden, ebenso auf der Agenda wie eine langfristige Absicherung der Finanzierung dieser Systeme.

Freiwilligendienste machen Lust auf Ausbildung in der Pflege

In der Essener Senioreneinrichtung Marienhaus traf der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer aktuelle und ehemalige Freiwillige, die in den Bereichen Haustechnik, Betreuung der Bewohner und Pflege tätig sind oder waren. Im Gespräch betonten sowohl die jungen Leute als auch die Leitung des Marienhauses, wie wichtig FSJ und BFD mittlerweile sind, um Menschen für einen Beruf in der Seniorenpflege zu interessieren und so dem Fachkräftemangel in dieser Branche entgegenzutreten. „Wir bilden selber aus“, erläuterte „Marienhaus“-Geschäftsführer Hubertus Volmer. Mit den Freiwilligen stünden ihm hierfür viel mehr mögliche künftige Pflege-Azubis zur Verfügung als anderen Einrichtungen. Junge Leute, die Haus und Tätigkeiten schon kennen – und von deren Qualifikation und Persönlichkeit sich die „Marienhaus“-Belegschaft in den Monaten des Freiwilligendienstes ebenfalls ein Bild machen konnte. So wie bei Chantal, die nach einem Jahr als Freiwillige jetzt im 1. Lehrjahr ist. „Ich war hier erst in der Betreuung im Einsatz, habe mir dann die Pflege mal angeschaut – und gewechselt.“ Nach Aussage der jungen Freiwilligen ein ziemlich typischer Weg: „Wenn man Freunden oder Verwandten vom Freiwilligendienst in einem Altenheim erzählt, denken alle beim Thema Pflege gleich an eklige Themen“, sagt die Freiwillige Hannah. „Dabei ist das Zwischenmenschliche zwischen den Bewohnern und uns hier total wichtig und schön – das spielt aber bei vielen Außenstehenden keine Rolle“.

Politiker Hauer verspricht, das Thema Wertschätzung – sowohl für die Freiwilligen, als auch für das Thema Pflege – mit in die politischen Gespräche in Berlin und in seinem Essener Wahlkreis zu nehmen: „Gerade Berufe, die eng mit Menschen zu tun haben, werden in unserer Gesellschaft zu wenig wertgeschätzt werden“, beklagte Hauer.

Mehr Werbung in Schulen und auf Messen nötig

Dass ein freiwilliges Jahr oft weit mehr als eine bloße Überbrückung ist, wurde auch bei einem Gespräch in Gladbeck deutlich. Dort trafen sich die Vertreter der Freiwilligendienste mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Michael Hübner und aktuellen und ehemaligen Freiwilligen aus den Bereichen Altenhilfe (Van-Acken-Haus) und Behindertenhilfe (St.-Suitbert-Haus). So berichteten die ehemaligen Freiwilligen, wie wertvoll für sie das Wissen und die Erfahrungen aus ihrem Einsatz nun im Studium seien – während mancher Mitstudierende sein Studium „mit ziemlich lebensfremden Vorstellungen“ von Studium und Arbeitswelt begonnen hätte. In einer Hochleistungsgesellschaft, in der vor allem gute Abschlüsse und schnelle Ausbildungszeiten zählten, werde das Jahr im Freiwilligendienst oft als verlorenes Jahr verurteilt, beklagten die Freiwilligen. Dabei erlebten sie die Zeit – egal in welcher Einsatzstelle – als ausgesprochen wertvoll und bereichernd. Gerade deshalb bräuchte es mehr Werbung, zum Beispiel in Schulen und auf Ausbildungs- und Berufsmessen, um FSJ und BFD bekannter zu machen. Hübner zeigte sich sehr interessiert an den vielen verschiedenen Facetten der Freiwilligendienste und sagte zu, sich auf Landes- und Bundesebene für das Thema einzusetzen.

Vorschlag: Vergünstigte Bahnfahrkarten auch für Freiwillige

Über die Arbeit von Freiwilligen in der Behindertenhilfe informierte sich der grüne Landtagsabgeordnete Mehrdad Mostofizadeh bei einem Besuch in der Werkstätte des Franz-Sales-Hauses in Essen-Kupferdreh. Der Freiwillige Roman berichtete von seinen anfänglichen Bedenken mit Blick auf die Arbeit mit Behinderten: „Da gab es eine Hemmschwelle, weil ich das vorher noch nie gemacht hatte.“ Roman wollte sich vor seinem Studium der Sozialpädagogik oder Sozialen Arbeit im Freiwilligendienst orientieren, hatte aber die Behindertenhilfe „nicht auf dem Schirm“. Jetzt habe er Einblick in die „für mich komplett andere Welt der Behindertenhilfe bekommen“, berichtet er dem Politiker. Mostofizadeh zollte dem jungen Mann „großen Respekt, gerade dafür, dass Sie in diesen für Sie so fremden Bereich gegangen sind“. Einige waren sich Roman, Mostofizadeh und die Leiterin der Freiwilligendienste im Bistum Essen, Birgitta Kelbch, dass es mehr Werbung und mehr Anerkennung für FSJ und BFD brauche. Auch aus aktuellem Anlass wollte Mostofizadeh zum Beispiel die Idee vergünstigter Bahnfahrkarten für Freiwillige – analog zu Bundeswehrsoldaten –, aber auch andere Formen der Anerkennung für die Dienste mit in seine politische Arbeit nehmen.

Stichwort: Die Freiwilligendienste im Bistum Essen

Die Freiwilligendienste im Bistum Essen sind eine gemeinsame Einrichtung der Jugendabteilung des Bistums, der Caritas und des BDKJ im Bistum Essen. Sie betreuen junge Menschen, die sich für einen Freiwilligendienst interessieren und vermitteln insgesamt 380 Einsatzstellen in katholischen Einrichtungen im Bereich des Ruhrbistums. Das Spektrum der Aufgaben reicht dabei von pädagogischen Tätigkeiten, über Betreuung und Pflege, Fahr-, Hol und Bringedienste, Haustechnik- und Verwaltungstätigkeiten bis zu hauswirtschaftlichen und gärtnerischen Aufgaben. Sowohl im FSJ als auch im BFD gibt es keinen festen Starttermin, Bewerbungen sind laufend möglich und die Einsatzzeiten variieren zwischen sechs und zwölf Monaten. Weitere Infos: freiwilligendienste.bistum-essen.de

Kontakt zu den Freiwilligendiensten im Bistum Essen

Sachgebietsleiterin — Freiwilligendienste

Birgitta Kelbch

Alfredistraße 31
45127 Essen

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen