von Thomas Rünker

Franz Grave ist seit 30 Jahren Weihbischof

Das Ruhrgebiet mit seinen schönen und schwierigen Seiten hat den Essener Seelsorger zeitlebens geprägt. Heute engagiert sich der 85-Jährige Priester in der Mülheimer Pfarrei Mariae Geburt.

Grave war der erste gebürtige Essener, der im Ruhrbistum zum Bischof geweiht wurde

Vor zehn Jahren zog sich Grave aus dem aktiven Bischofsdienst zurück

Heute ist er Seelsorger in der Mülheimer Pfarrei St. Mariae Geburt

Als er vor 30 Jahren im Dom geweiht wurde, war Franz Grave der erste echte Essener Bischof. 30 Jahre nach Gründung des Ruhrbistums übergab der gebürtige Sauerländer Franz Hengsbach am 3. Mai 1988 dem einstigen Ruhrpott-Kind aus Essen-Frohnhausen Bischofsstab und Mitra. Bis heute zeichnet Grave das besondere Gepräge der Menschen im Ruhrgebiet aus, zwischen harter Arbeit, großer Lebensfreude – und einem oft sehr bodenständigen Glauben. „Ich bin froh und dankbar, dass ich im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen bin“, sagt der 85-jährige Geistliche heute. Durch seine Eltern, aber auch durch Priester habe er früh sowohl die Arbeit als auch die Schönheiten der Region kennengelernt.

Das Lesen macht dem Senior mittlerweile ein paar Probleme – und im Dialog bittet Grave den Gesprächspartner nah an seine rechte Seite, damit er ihn besser verstehen kann. Doch bei seiner Arbeit hindern ihn diese Handicaps kaum. Beten, Zuhören, Beraten – dafür braucht es vor allem einen wachen Geist. Als Bischof ist Grave vor zehn Jahren aus dem aktiven Dienst ausgeschieden. Seitdem ist er in St. Mariae Geburt in Mülheim aktiv. „Als ganz normaler Seelsorger“ – so wie damals, als er nach seiner Priesterweihe 1959 in der Duisburger Pfarrei St. Laurentius seine erste Kaplanstelle antrat. An der Grenze zwischen Beek und Bruckhausen, unweit des riesigen Stahlwerks, hat er „soziale Probleme kennengelernt wie danach nie wieder“ erinnert er sich. Mit dem schon damals beginnenden Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie hielten Armut und Arbeitslosigkeit Einzug in die Region. „Das waren bleibende Erfahrungen, mit zeitlicher Fernwirkung“, sagt Grave.

Das Ruhrgebiet auf dem Weg in eine erfüllte Zukunft

So engagiert sich Grave bis heute – fast wie zu seinen Zeiten als Weihbischof – für Projekte, die Jugendlichen mit schwierigen Startchancen eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen. Hier zahlen sich die in vielen Jahren aufgebauten Kontakte in die Unternehmen und Gewerkschaften aus. Für viele Persönlichkeiten ist Grave nach wie vor ein gefragter Gesprächspartner. Das Ruhrgebiet sieht der Weihbischof dabei heute deutlich besser aufgestellt als früher. Die Region sei „auf dem Weg in eine erfüllte Zukunft“ sagt er. Die Zahlen geben ihm recht: Seit Anfang des Jahres liegt die Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet erstmals seit langem wieder im einstelligen Bereich.

„Der Bergbau mit seinen Ideen darf nicht absaufen“

Und dann endet in diesem Jahr auch noch der Steinkohlenbergbau an Rhein und Ruhr. Jahrzehntelang hat Grave den schrittweisen Rückzug von Zechen und Kumpeln begleitet, „jetzt ist klar: Es wird ernst“, so Grave. „Jetzt ist es eine Herausforderung für uns alle, dass der Bergbau mit seinen Ideen nicht absäuft“, sagt der Weihbischof in seiner bekannt klaren Sprache. Die Kultur des Bergbaus, seine Werte und Tugenden, die müssten in die Zukunft gerettet werden, fordert der Seelsorger und zählt Beispiele auf: „Die große Verlässlichkeit und Verantwortung, Präzision, Menschenfreundlichkeit und Mut – all das sind Eigenschaften, die kann man nicht nur im Bergbau gebrauchen“.

„Pfarreientwicklungsprozesse sind absolut notwendig“

In seiner Mülheimer Pfarrei sieht Grave, dass sich aktuell nicht nur die Wirtschafts-, sondern auch Kirchen-Struktur wandelt. „Pfarreientwicklungsprozess“ ist das Stichwort für die Entwicklung hin zu Gemeinden, in denen die Menschen vor Ort auch in Zukunft ein lebendiges kirchliches Leben finden, trotz sinkender Mitgliederzahlen und geringerer finanzieller Möglichkeiten. „Diese Veränderungsprozesse sind absolut notwendig“, betont Grave, auch wenn diese Entwicklungen „substanziell und schwierig“ seien. Wichtig ist ihm, „dass es nicht nur um Organisation geht“, hebt der Seelsorger hervor. „Es geht darum, wie wir das Evangelium in die nächste Generation tragen.“ Mit der äußeren Veränderung der Kirche müsse es auch „innere Veränderungen geben“. Schließlich seien die Christen dazu bestimmt, die Freude am Evangelium zu vermitteln.

Ausgesprochen positiv sei, dass das „Bewusstsein, der Frauen und Männer, die als Laien unsere Kirche gestalten, in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist“. Die Kirche dürfe die Laien nie als Not-Maßnahme sehen, sondern müsse diese „gerne fördern“, betont Grave und lässt keinen Zweifel daran, dass er gerade in dieser Frage stark von seinen Erfahrungen in Lateinamerika geprägt wurde. Bis heute hält der langjährige Chef der Hilfsorganisation Adveniat Kontakt nach Südamerika und in die Karibik – und hat von dort in jedem Jahr namhafte Vertreter zu den Lateinamerikawochen in Mariae Geburt zu Gast.

Und das 30-jährige Bischofs-Jubiläum? Das hat Grave am Donnerstag im kleinen Kreis mit seinen Geschwistern gefeiert. Bloß kein großes Aufheben – „schließlich habe ich erst im November meinen 85. Geburtstag groß gefeiert“. Und außerdem: Viel Zeit zum Feiern hätte er ohnehin nicht gehabt. Selbst an seinem Ehrentag halten ihn Termine in Sachen Kirche auf Trab.

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