von Thomas Rünker

„Fehlt die Liebe, ist es nicht von Gott“

In der „Wolfsburg“ sprach der Theologe und Psychotherapeut Wunibald Müller über die guten und schlechten Seiten der Kirche und beschrieb, warum er trotz vieler Enttäuschungen immer noch katholisch ist.

Seine Kinder können nicht verstehen, dass Wunibald Müller immer noch in der Kirche ist. Nach vielen persönlichen Enttäuschungen, Streit mit Bischöfen und dem Vatikan und so vielen menschlichen Unzulänglichkeiten, die der Theologe und Psychotherapeut in der jahrelangen Arbeit mit Priestern kennengelernt hat, müsse das Maß doch voll sein, so die Vermutung. Warum er bislang trotzdem nicht ausgetreten ist, hat Müller in einem Buch beschrieben, und davon am Mittwochabend in der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim erzählt.

Die menschliche „Kruste“ um den heiligen Kern

Müller hat ein klares Schema: „Gott ist die Liebe“. Anders gesagt: „Fehlt die Liebe, ist es nicht von Gott“, gibt er den Zuhörern im vollbesetzten „Wolfsburg“-Auditorium gleich zu Beginn eine Art Prüf-Kriterium mit auf den Weg. Wie eine „Kruste“ habe sich die menschlich bedingte Unvollkommenheit der Kirche um ihren eigentlichen Kern herum gebildet. Immerhin: Manchmal bricht auch für Müller etwas von dieser „wahren“ Kirche durch: „Die Kirche ist meine Kirche, die aus der erfahrenen Nähe Gottes redet und handelt“. Dies geschehe zum Beispiel bei den Augustiner-Mönchen in Würzburg, wo jeder Mensch als ganz eigenes Individuum im Fokus stehe und zugleich eine Gottesdienstgemeinschaft gepflegt werde, in der wirklich jeder willkommen sei, so Müller. Auch die Tatsache, dass er überall auf der Welt Menschen erlebt habe, „die von Gott erzählen und Gott so immer wieder lebendig werden lassen“, sei für ihn ein Grund in der Kirche zu bleiben.

„Zweckfrei Taten der Liebe tun“

Doch Müller erwähnt auch die vielen Dinge, die das Verhältnis zwischen ihm und seiner Kirche arg strapaziert haben, die Dinge, die die „Kruste“ um den heiligen Kern der Kirche nur noch dicker machen. „Die Kirche ist nicht zuerst der Vatikan, die Bischöfe“, sagt Müller. In Gottesdiensten, gerade in der Messfeier, da werde für ihn deutlich, worum es in der Kirche gehe. Zudem sollten die Christen sich auch außerhalb der Gotteshäuser stärker als Christen zeigen: „Die Kirche bemüht sich um eine immer kleiner werdende Schar von Gläubigen, statt zweckfrei Taten der Liebe zu tun“, kritisiert Müller. Immerhin habe die Kirche nun „mit Papst Franziskus einen Vorsteher, der dazu aufruft, aus den Kirchen und den Pfarrhäusern hinaus zu gehen“. Franziskus betone die Liebe, lobt Müller.

Die Kirche als Institution

Immer wieder betont der 66-Jährige, der bis vor einem Jahr das „Recollectio“-Haus in der Benediktinerabtei Münsterschwarzach geleitet und dort Priester und Ordensleute in Lebenskrisen begleitet hat, dass es die Kirche als Institution brauche – schon als Garant, der die Frohe Botschaft Jesu über all die Jahrhunderte bewahrt habe. In dieser Institution „geschieht viel Segensreiches“, sagt Müller, „nur viele erleben die Kirche nicht so“. Als Beispiele für das, was aus seiner Sicht wenig segensreich läuft, nennt Müller die großen Themen seines Theologenlebens: die Rolle der Frau in der Kirche, die Pflicht zum Zölibat für Priester und der Umgang der Kirche mit Homosexualität. „Wenn es hier nicht zu Lockerungen kommt, verspielt Franziskus die Chancen, die in seinem Pontifikat stecken“, warnt Müller.

Neues Buch: "Der Letzte macht das Licht aus"

„Die Kirche wird da lebendig, wo verwirklicht wird, dass Gott die Liebe ist“, stellt Müller klar. Für die großen Kirchen sieht er da eher schlechte Chancen. „Die etablierten Kirchen werden zunehmend an Bedeutung verlieren“, betont der Autor, der zu diesem Thema im Herbst ein Buch mit dem Titel „Der Letzte macht das Licht aus“ veröffentlichen wird. Dabei sieht sich Müller nicht als Untergangsprophet, sondern als „Clown“, der aufzeigt, wo die Strukturen morsch sind und die wahren Glaubensinhalte verdecken. Letztlich sei die Kirche nur Vermittler der Botschaft, so Müller. Auch deshalb sei ihm „die Beziehung zu Gott immer wichtiger gewesen als die zur Kirche“.

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