„Es wächst zusammen, was zusammen gehört“

Positive Schritte auf dem Weg der Versöhnung und Annäherung zwischen der Römisch-katholischen und Orthodoxen Kirche gibt es nach Ansicht von Kardinal Walter Kasper. Doch der Weg sei "steinig und mühsam", sagte er in der "Wolfsburg".

Kardinal Walter Kasper zu Gast in der Wolfsburg

Die volle Kirchengemeinschaft zwischen der Römisch-katholischen und der Orthodoxen Kirche ist nach Ansicht von Kardinal Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, in naher Zukunft nicht zu erwarten. „Das wird noch ein langer, steiniger und mühsamer Weg“, sagte er auf der Festakademie aus Anlass des 75. Geburtstages des emeritierten Bochumer Theologieprofessors Dr. Hermann-Josef Pottmeyer in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim. Die Geschichte von tausend Jahren lasse sich nicht kurzfristig umkehren. Keine Kirche könne ihre verbindliche Tradition zur Disposition stellen.

„Die Trennung zwischen Ost und West ist das Ergebnis einer lange dauernden Entfremdung“, so Kardinal Kasper in seinem Vortrag zum Thema „Das Petrusamt in den Gesprächen zwischen orthodoxer und römisch-katholischer Kirche“. Die Kirche in Ost und West habe sich zwar als eine Kirche verstanden, jedoch in verschiedenen Ausformungen. Das Ökumenismusdekret des II. Vatikanischen Konzils „Unitatis redintegratio" stelle zu Recht fest, dass das von den Aposteln übernommene Erbe in Ost und West „in verschiedenen Formen und auf verschiedene Weise übernommen und daher von Anfang an in der Kirche hier und dort verschieden ausgelegt wurde, wobei auch die Verschiedenheit der Mentalität und der Lebensverhältnisse eine Rolle spielten" (UR 14).  Kasper: „Man verstand sich schon rein sprachlich nicht mehr, man lebte immer mehr in kulturell, politisch und auch kirchlich in verschiedenen Welten – und tut dies teilweise bis heute.“

Die ökumenische Bewegung des 20. Jahrhunderts habe – so der Kardinal -  gegenüber dem über 1000 Jahre dauernden Entfremdungsprozess einen Versöhnungsprozess eingeleitet. „Es wächst nun wieder zusammen, was zusammen gehört. Wir können nur hoffen, dass die Versöhnung nicht ebenso lange dauert wie die vorhergehende Entfremdung“. so Kasper.  Als sich 1964 Papst Paul VI. und der Ökumenische Patriarch Athenagoras in Jerusalem begegneten,  sei dies nach fünf Jahrhunderten die erste Begegnung zwischen einem Papst und einem ökumenischen Patriarchen gewesen. Die gegenseitigen Besuche von Papst und Patriarchen und von hohen Delegationen sowie der regelmäßige Austausch von Briefen zu den großen Festtagen seien die Regel geworden.

Von 1980 bis 1990 sei es zunächst darum gegangen, sich zu versichern, „dass trotz der langen Trennung die Grundpfeiler der Brücke zwischen Ost und West standgehalten haben“. Die gemeinsame Grundlagen in der Lehre von der Eucharistie, den Sakramenten, dem Priestertum seien herausgestellt worden. Anschließend habe man  beabsichtigt, die kontroverse Primatslehre in Angriff zu nehmen. Doch durch den Fall der Berliner Mauer und den Zusammenbruch der Sowjetunion sei eine grundlegend neue Situation entstanden. Die durch das kommunistische Regime als illegal erklärten katholischen Ostkirchen konnten wieder aus den Katakomben hervorkommen und in das öffentliche Leben zurückkehren. „Das führte zu Spannungen und Konflikten, anfangs teilweise auch gewalttätiger Art, mit den orthodoxen Kirchen, besonders in der Ukraine und in Rumänien. Das Problem des so genannten Uniatismus meldete sich also zurück“, so der Kardinal. Die politische Wende habe den Dialog in eine schwere Krise gestürzt.


Primat und Synodalität gehören zusammen

Viel Mühe und Geduld seien notwendig gewesen, „um das Schiff wieder flott zu machen“. Auch das neue Pontifikat von Papst Benedikt XVI., der als Kenner der Vätertheologie von den orthodoxen Kirchen lebhaft begrüßt worden sei und dem das Gespräch mit der Orthodoxie persönlich am Herzen liege, habe entscheidend zu einer positiven Wende beigetragen. Der Dialog wurde wieder aufgenommen. Erstmals sei die Frage der universalen Kirche und die entscheidende Differenz, die Frage des Primats Roms angegangen, aber noch nicht gelöst worden.  „Wichtig aber bleibt, dass der Primat im Zusammenhang der Synodalität gesehen werden muss“, betonte Kardinal Kasper. Hier erinnerte er an einen Satz des damaligen Professors Ratzinger aus dem Jahre 1976: „Rom muss vom Osten nicht mehr an Primatslehre fordern, als im ersten Jahrtausend formuliert und gelebt wurde". Die alte Kirche, vor allem die Zuordnung von Primat und Synodalität, könne aber nach wie vor ein Modell sein, das unter den veränderten geschichtlichen Bedingungen des dritten Jahrtausends „für die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft maßgebend und hilfreich“ sein könne.

„Ökumene ist kein Papier. Ökumene ist geistliche Gebetsgemeinschaft und Freundschaft“, betonte Kardinal Kasper. Der ökumenische Dialog sei nicht nur kulturelle und soziale Zusammenarbeit, sondern habe die „Einheit aller Christen im Glauben, in den Sakramenten und im kirchlichen Amt“ zum Ziel. Die Spaltung in Geduld auszuhalten, das sei eine Herausforderung. „Aber im Dialog mit der Orthodoxen Kirche ist etwas gewachsen, davon bin ich überzeugt“, meinte Kardinal Kasper. (do)

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