„Es gibt mehr als nur den Blick auf die Gegenwart“

Frei zu werden für ein Leben, das von einer weiter reichende Perspektive - dem Himmel - geprägt ist, dazu rief Weihbischof Vorrath am Festtag Mariä Himmelfahrt auf. Die Aufnahme Mariens in den Himmel gebe eine Hoffnung, die frei mache, für andere da zu sein, das Leben auf der Welt zu verändern und Menschen verachtender Gewalt entgegenzutreten.

Predigt von Weihbischof Franz Vorrath am Fest Mariä Himmelfahrt

Das Leben des Menschen besteht nach Ansicht von Weihbischof Franz Vorrath aus mehr als der Sorge um die Gegenwart. „Der menschliche Weg kann nur gelingen, wenn er sich nicht ohne eine Ziel, ohne eine übergeordnete Marschroute vollzieht“, betonte er am Mittwochabend, 15. August, im Pontifikalamt im Essener Dom. Daran wolle das Fest „Mariä Himmelfahrt“ erinnern.

Die Medien seien Tag für Tag voller Berichte über Tragödien, drohende Katastrophen, über Verbrechen und Gewalt. „Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass nur die richtigen ‚bad news‘ – die schlechten Nachrichten – einen reißenden Absatz finden“, so Vorrath. Bilder wie etwa von der Schießerei in einem amerikanischen Großkino oder von dem entsetzlichen Amoklauf in Norwegen würden immer den gleichen Reflex nach sich ziehen: Bestürzung, Kopfschütteln und Entsetzen. „Unsere Blicke wenden sich solchen Szenarios gebannt zu“, betonte Vorrath. Verunsicherung mache sich breit. Es werde nach Ursachen und Konsequenzen gefragt. Der Mensch werde, ohne es bewusst wahrzunehmen, durch eine solche katastrophen-orientierte Berichterstattung erzogen. „Diese suggeriert uns immer wieder: Erwarte das Schlimmste, die Welt ist doch unberechenbar und schlecht! Das nächste Desaster lauert schon an der nächsten Ecke“, so der Weihbischof.

Er erinnerte daran, dass der Festtag Mariä Himmelfahrt deutlich mache, dass es mehr gebe als das Leben des Menschen auf der Erde. Das „Glaubensgeheimnis“, das die Katholische Kirche mit diesem Fest bekenne und das schon immer zum Glaubensgut der Christenheit gehörte, sei 1950, fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, von Papst Pius XII. feierlich als Dogma verkündet worden. „Mit Leib und Seele“ sei die Gottesmutter Maria „nach Vollendung ihres irdischen Lebenslaufes zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen worden“.

Manche hielten dieses Dogma für überflüssig. Doch der große Psychologe  und Symbolforscher, der Protestant C.G. Jung, habe das Glaubensgeheimnis von der Aufnahme Mariens in den Himmel eine geniale Antwort der Kirche genannt. „Jung sah in diesem Marienfest und –dogma eine große Zustimmung zum Leben auf dieser Erde, zum Menschen mit Leib und Seele, der in all seiner Verletzlichkeit und mit all seinen Niederungen eine Aufnahme in den Himmel vor sich hat und nicht auf dem Müll der Geschichte landet“, betonte Vorrath.

In Maria sei nicht nur zu erkennen, „wie unser Leben im Hören auf Gottes Wort gelingen kann, sondern auch, zu welchem Ende uns Gott bestimmt hat. Er will uns aufnehmen in etwas, was man früher ‚seine Herrlichkeit‘ nannte“, so der Weihbischof. Dem Menschen bleibe mehr als nur der „Blick vor seine Füße“, mehr als nur der Blick auf die Gegenwart, auf Gefahren, Katastrophen und Drohkulissen, von denen die Medien täglich berichteten. „Wir sind aufgerufen, eine Sphäre in den Blick zu nehmen, die uns bei der täglichen Bilderflut vorenthalten bleibt: den Himmel“, betonte Vorrath. Marias Vorbild wolle ermutigen, sich frei zu machen für ein Leben, das aus mehr bestehe als aus der Sorge um das Jetzt. „Wir werden zu einem Leben ermutigt, das aus Vertrauen gespeist wird und eine weiter reichende Perspektive einnimmt“, so der Weihbischof. Dabei gehe es jedoch nicht um eine Weltflucht. „Die Aufnahme Mariens in dem Himmel erfüllt uns mit einer Hoffnung, die uns frei macht, für andere da zu sein und das Leben auf dieser Welt zu verwandeln, indem wir gegen alle menschenverachtende Gewalt das wahre Bild vom Menschen hochhalten“, schloss Vorrath. (do)


Predigt von Weihbischof Franz Vorrath

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