Eine Stadt zum Überleben entsteht aus dem Nichts

Etwa 35.000 Flüchtlinge aus Syrien leben zur Zeit im Camp Domiz im Nordirak. Sie sind vor dem Bomben-, Raketen- und Granatenhagel in ihrer Heimat geflohen. Der Alltag im Camp ist hart, die Zukunft ungewiss. Die Caritas im Ruhrbistum hilft dort nach besten Kräften. Ihr früherer Referent Rudi Löffelsend war in Domiz und schildert seine Eindrücke.

Ein Besuch im Flüchtlingscamp Domiz/Nordirak

Rudi Löffelsend, bis 2010 Leiter der Stabsstelle Auslandshilfe und Öffentlichkeitsarbeit bei der Caritas im Ruhrbistum, reiste erneut mit einer Delegation im Auftrag der Auslandshilfe der Caritas in den Nordirak. Ziel war dort auch das ein Camp in Domiz, in dem bislang rund 35.000 Flüchtlinge aus Syrien Zuflucht gefunden haben. Hier leistet Diözesancaritasverband Essen gemeinsam mit Partnern Hilfe zum Überleben. Die Reiseeindrücke von Löffelsend machen deutlich, unter welch schwierigen Bedingungen die Menschen dort leben müssen. Sie sind geflohen vor dem Bomben, Raketen- und Granatenhagel in ihrer Heimat Syrien, das dabei ist, in einem blutigen Bürgerkrieg zu versinken.

Zum Camp-Chef in Domiz zu kommen, ist im November gar nicht so einfach. Schon die matschige Zufahrt ist überfüllt mit Menschen, Taxis und LKWs. Am Büro-Containerzentrum lange Schlangen, meistens Frauen mit Kindern. Erschöpfung ist in ihren Gesichtern der Frauen abzulesen, während die Schwere der Situation wohl nicht wahrnehmen: sie toben ausgelassen.  Im Büro des UNO-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR müssen sich die ankommenden Flüchtlinge aus Syrien registrieren lassen und sich dann bei der Camp-Leitung melden. Hier erhalten sie Decken und etwas zu essen und werden dem Aufnahmebereich zugewiesen.

Wir bahnen uns mühsam den Weg bis zum letzten Büro. Hier sitzt Niaz Barmani, der vom kurdischen Innenministerium beauftragte Camp-Chef, der sonst für Immigration zuständig ist. Barmani ist Jurist und war selbst Flüchtling. Auch er sieht erschöpft und überanstrengt aus: Man kann nie länger als zwei Minuten mit ihm reden. Entweder meldet sich sein Handy oder Leute betreten den Raum, verlangen nach einer Auskunft oder Entscheidung. Es geht zu wie in einem Taubenschlag. 

Aber nach einer Weile kommen wir doch noch an die Informationen, die wir brauchen, um eine Vorstellung von der aktuellen Situation in diesem Flüchtlingscamp zu bekommen. Zu Zeit leben hier offiziell 4.699 Familien, in getrennten Bereichen etwa 14.650 alleinlebende Männer, oftmals ehemalige syrische Soldaten. Insgesamt sind es rund 35.000 Flüchtlinge im Camp. 48.000 Flüchtlinge haben offiziell die Grenze überquert, aber es gibt eben auch viele illegale Übertritte.

Das Camp wächst ständig. Wir fahren mit Barmani durch das Lager, das nach und nach errichtet und erweitert wurde. Zur Zeit wird an der „sechsten Phase“ gebaut: 500 neue Zelte kommen hinzu. Für jedes gibt es ein kleines Häuschen mit einer winzigen Küche, einer Dusche und einer Toilette. Für die UN-Zelte wurden Fundamente gegossen, wegen des Regenwassers erhöht. Schwere Regenfälle haben in den vergangenen Wochen für viele Probleme gesorgt.


Eine Schule und Hospital in Containern

Jetzt kommt Struktur ins Camp. Auf einem Hügel entsteht aus Containern eine Schule. 24 Klassen wird es geben, im Zwei-Schicht-Betrieb. Es gibt 1.560 Schülerinnen und Schüler. Neben der Schule steht das Container-Hospital. Jetzt ist der deutsche Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) mit einem medizinischen Team vor Ort. Sie haben alle Hände voll zu tun. Es gibt eine Lagerpolizei und auch eine Feuerwehr, denn es gab schon mehrere Brände. Vorhanden ist aber nur ein einziger  Tankwagen. In Zelten untergebracht haben Geschäfte, kleine Imbissbuden und fliegende Händler warten auf Kunden.

Es ist Feiertag: der Geburtstag des Propheten. Wir besuchen den Chef der irakisch-kurdischen Einwanderungsbehörde, Mohamed Abdulla Hamo. Er hat uns in sein Wochenendhaus in den Bergen eingeladen, eine hohe Ehre – so wird uns gesagt. Er lebte selbst elf Jahre lang als Flüchtling in der Schweiz, bekam dort Hilfe von der Caritas und bittet jetzt um Mithilfe. Seine größten und dringendsten Wünsche sind spezielle Feuerwehrautos für das Camp, Unterstützung bei Planungsaufgaben und Ideen für eine Kläranlage.

Wir werden versuchen, dafür in Deutschland nach Kräften Hilfe zu mobilisieren. Außer dem ASB und dem UNHCR sind wir im Moment die einzige ausländische Organisation, die sich kümmert, berät und hilft. Wir konnten Wintersachen und Hygieneartikel übergeben und dank einer Spende der Dr. Heinz-Horst Deichmann Stiftung 2000 Kilogramm Waschmittel, 40.000 Windeln, 3.000 Paar Winterschuhe für Kinder, 3.000 Winterjacken, 3.000 Winterkleider und vieles mehr. Es waren Hilfsgüter im Wert von rund 50.000 Euro.

Es ist nicht abzusehen, dass sich die Lage in diesem Flüchtlingscamp in naher Zukunft entspannen wird. Die Menschen kämpfen um ihr Überleben. Wir wollen und werden sie nicht alleine lassen, werden helfen und nehmen neue Wünsche mit nach Deutschland. (rl/do)

Spenden werden weiterhin dringend erbeten:
Stichwort: „Syrische Flüchtlinge“
Spendenkonto 14 400 (Caritasverband für das Bistum Essen e.V.)
bei der Bank im Bistum Essen, BLZ 360 602 95.

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen