Eine „Sozialambulanz“ für Reisende und Gestrandete

Sie ist eine "Kirche am Bahnhof" und eine "Sozialambulanz" für Reisende und Gestrandete. In Duisburg besteht die Ökumenische Bahnhofsmission, getragen von der dortigen Caritas und Diakonie, jetzt seit 100 Jahren.

Ökumenische Bahnhofsmission in Duisburg besteht seit 100 Jahren

„Wir verstehen unsere Bahnhofsmission als Kirche am Bahnhof“, betonte der Leiter der Duisburger Diakonie, Stephan Kiepe-Fahrenholz, den zahlreichen Gästen bei der Feier des 100. Geburtstages der Ökumenischen Bahnhofsmission Duisburg. Diese sei immer ein Indikator für gesellschaftliche Verwerfungen gewesen, fasste Kiepe-Fahrenholz zusammen, was die beiden Leiter der Mission, Bodo Gräßer und Torsten Ohletz, in ihrem historischen Überblick über 100 Jahre Arbeit mit Reisenden und Gestrandeten am Duisburger Hauptbahnhof zu berichten hatten.

Begonnen hatte es mit den „jungen Frauen vom Lande“, die Anfang des letzten Jahrhunderts massenhaft in die Großstädte kamen und oft schon am Bahnhof den sprichwörtlichen Mädchenhändlern in die Hände fielen. Zu ihrer Rettung entstand am Ostbahnhof in Berlin 1894 die erste Mission. Der Dienst wurde ausschließlich von Frauen, streng nach Konfession getrennt, versehen. Über die frühen Jahre der Duisburger Mission nach der Gründung 1912 gibt es nur wenige schriftliche Zeugnisse, aber man weiß, dass nach dem Ersten Weltkrieg junge Männer des CVJM sich um die  Betreuung von Arbeitslosen, Soldaten und Flüchtlingen kümmerten.

1939 wurden alle Missionen geschlossen, weil die Nationalsozialisten an den strategisch wichtigen Bahnhöfen keine Gruppen dulden wollten, deren Regimetreue zumindest fraglich war. Ebenso ging es den Bahnhofsmissionen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR im Jahr 1956. Seit den sechziger Jahren bieten die Missionen zunehmend auch Reisehilfen für Menschen an, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Jüngster Ableger dieses Aufgabenbereiches ist das Programm „Kids on Tour“, in dem seit 2003 allein reisende Kinder unterwegs betreut werden.

Die Missionen waren schon seit 1910, wenn auch manchmal notgedrungen, Vorreiter der ökumenischen Zusammenarbeit. Festredner und Diakonie-Bundesvorstand der Bahnhofsmissionen Klaus Teschner erinnerte anschaulich an die Hemmnisse beim allmählichen Zusammenwachsen: „Es gab Zeiten, da gab es zwar gemeinsame Plakate, aber auch evangelische Kühlschränke und katholischen Kaffee.“

Für die Zukunft wünschte er, dass die Mitarbeiter der Bahnhofsmissionen auch weiter als eine Art von „Sozialambulanz“ funktionieren können. Sie sollten sich für zuständig erklären und „nächste Hilfe“ leisten, wenn zum Beispiel ein verlegener Bahnpolizist „eine ganze Fuhre Elend“, bestehend aus einer hilflos alkoholisierten Mutter und ihrem schlafenden Baby, in die Missionsräume rollt. Und sie sollten dabei nicht an ihrem zuweilen arg strapazierten Menschenbild verzweifeln, sondern es durch ihr Gottesbild immer wieder korrigieren und auffrischen lassen. Teschner plädierte dafür, an dem Namen „Bahnhofsmission“ unter allen Umständen festzuhalten, weil dieser aus Sicht eines Werbefachmanns eine starke und gut eingeführte Marke sei, für deren Aufbau man viel investiert habe. (mr/do)

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