von Thomas Rünker

Eine junge Hüterin für den 1000-jährigen Essener Domschatz

Ab Mitte September übernimmt die 38-jährige Andrea Wegener die Leitung der Domschatzkammer. Die Essener Kunsthistorikerin arbeitet bereits seit zehn Jahren für das Mittelalter-Museum in der Essener Innenstadt.

Der über 1000 Jahre alte Essener Domschatz bleibt in Frauenhand. Die Goldene Madonna, der siebenarmige Bronze-Leuchter, kostbare Kreuze, Reliquiare und Handschriften, die Jahrhunderte lang von den Äbtissinnen im Essener Frauenstift angeschafft, genutzt und gepflegt wurden, erhalten eine neue Hüterin: Die 38-jährige Essener Kunsthistorikern Andrea Wegener übernimmt nach einigen Monaten der kommissarischen Leitung ab Mitte September die volle Verantwortung für den Essener Domschatz. Was sie am Essener Domschatz fasziniert, und was sie für die Zukunft des Mittelalter-Museums in der Essener Innenstadt plant, erläutert sie im Interview.

Frau Wegener, Sie sind schon seit zehn Jahren für den Essener Domschatz tätig – woher kommt diese enge Verbundenheit?

Ich habe in Düsseldorf mit dem Schwerpunkt mittelalterliche Kunstgeschichte studiert und wollte immer schon in einem Museum arbeiten – da lag für mich als Essenerin und Katholikin die Domschatzkammer nahe. Nach ersten Studenten-Jobs hatte ich dann 2008 die Gelegenheit, bei „Gold vor Schwarz“ mitzuarbeiten – der Domschatz-Ausstellung auf der Zeche Zollverein. Das war toll: Hautnah und ohne Vitrine mit den Original-Objekten zu arbeiten, die ich bis dahin nur aus der Theorie kannte. Das hat mir unseren Schatz unglaublich nahe gebracht. Umso lieber bin ich dabei geblieben – und dass ich diese Schatzkammer bald leiten darf, ist ein absoluter Traumjob.

Was ist das Besondere am Essener Domschatz?

Formal haben wir die weltweit bedeutendste Sammlung ottonisch-salischer Goldschmiedekunst. Das darf man sich als Essener und Ruhrgebiets-Bewohner gerne immer wieder bewusst machen. In dieser Blütezeit des Stifts – Mitte des 10. bis Mitte/Ende des 11. Jahrhunderts – kamen die Äbtissinnen aus dem ottonischen Kaiserhaus und haben den Essener Schatz entsprechend prunkvoll ausgestattet. Daneben beeindruckt mich aber vor allem die inhaltliche Dimension unseres Schatzes: Hier geht es nicht nur um Kunst – alles wurde zur Ehre Gottes hergestellt und erzählt uns zudem ganz viel über die Persönlichkeiten der Stifterinnen. Oft kommt in den Stücken zum Beispiel eine große Wertschätzung der Stifterinnen gegenüber dem Wirken ihren Vorgängerinnen zum Vorschein.

Wo steht ihr Lieblings-Stück im Domschatz?

Im Untergeschoss unsere Hauses. Dort fasziniert mich immer wieder das Mathilden-Kreuz – gerade wegen der erwähnten Wertschätzung für frühere Generationen: Äbtissin Theophanu hat dieses große, goldene Vortragekreuz im 11. Jahrhundert in Auftrag gegeben, um damit auch ihre Vor-Vorgängerin Mathilde zu ehren.

So eine 1000 Jahre alte Kirchengeschichte interessiert die Leute?

Auf jeden Fall, das zeigen unsere Besucherzahlen. Wichtig ist mir, dass wir auch in Zukunft mit unseren Ausstellungen und Führungen immer am Puls der Zeit bleiben und die mittelalterliche Geschichte von Essen und dem Ruhrgebiet immer wieder neu erzählen. Die erfolgreiche Playmobil-Ausstellung war da ein guter Anfang. Gerade mit Blick auf Kinder und Familien möchte ich mit meinem tollen Team hier gerne das Erbe meiner langjährigen Vorgängerin Birgitta Falk antreten – und ihre Initiativen auf meine Art weiter entwickeln. Der historische Blick über die Industriegeschichte hinaus tut Essen gut, und bei dieser Identitätsstiftung sind wir mit der Schatzkammer am Dom gern weiter mit dabei.

Dabei können Sie als neue Chefin mit viel Essener Schatz-Erfahrung gleich voll durchstarten – was bringt das zweite Halbjahr?

Jede Menge: Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten an der Fassade der Anbetungskirche können wir im Herbst endlich mit der Restaurierung des gotischen Holz-Kruzifixes im Atrium beginnen. Daneben werden wir den vor wenigen Tagen veröffentlichten Kurz-Führer zum Essener Dom im Herbst durch eine eigene Broschüre in Leichter Sprache ergänzen. Zum 70-jährigen Bestehen des Münsterbauvereins im November arbeiten wir derzeit an einer kleinen Foto-Ausstellung, die Bilder der Kriegszerstörungen am Dom aktuellen Aufnahmen gegenüberstellt. Und nicht zuletzt planen wir schon jetzt für die Kommunionkinder-Tage 2018, bei denen wir an drei Terminen im Januar wieder Hunderten Jungen und Mädchen aus dem gesamten Ruhrbistum unseren Dom erklären – diesmal jedoch mit einem völlig neuen inhaltlichen und organisatorischen Konzept.

Pressestelle Bistum Essen

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