Ehrung für Professor Kaufmann und die Initiative „wellcome“

Den international renommierten Professor für Soziologie und Sozialpolitik, Dr. Franz-Xaver Kaufmann, und die ehrenamtlichen Teams der Initiative "wellcome" im Bistum Essen zeichnete Ruhrbischof Overbeck in Mülheim mit dem Heinrich-Brauns-Preis aus.


Bischof Overbeck verlieh den Heinrich-Brauns-Preis in Mülheim

Mit dem Heinrich-Brauns-Preis zeichnete Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck am Samstag, 21. April, Professor em. Dr. Dr. h.c. mult. Franz-Xaver Kaufmann und die ehrenamtlichen Teams derInitiative „wellcome“ im Bistum Essen aus. Dieser vom ersten Bischof des Ruhrbistums, Dr. Franz Hengsbach, gestiftete und mit 10.000 Euro dotierte Preis  wird an Persönlichkeiten verliehen, die sich in besonderer Weise um die Katholische Soziallehre und die christlich-soziale Bewegung verdient gemacht haben.

Im Festakt in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim würdigte Overbeck Franz-Xaver Kaufmann, ein international anerkannter Professor für Soziologie und Sozialpolitik der Universität Bielefeld, als einen Wissenschaftler, der weit über die Wissenschaft und über seine Disziplin hinaus „die öffentliche Debatte über Familienpolitik, Religions-, Christentums- und Kirchensoziologie sowie Sozialstaatsfragen bestimmt hat“. Mit Kaufmann, der in vielfältigen wissenschaftlichen und politischen Gremien tätig war und Ehrendoktor der Theologie der Ruhr-Universität Bochum ist, werde ein Fachwissenschaftler geehrt, „der seine Expertise in den Dienst des gesellschaftlichen und kirchlichen Gemeinwohls stellt“, betonte der Bischof. Der Soziologe habe als kritischer Kommentator aktueller Entwicklungen „für Orientierung in sozialen Wandlungsprozessen gesorgt und als ein mit fachlichem Außenblick ausgestatteter Beobachter des Weges der Kirche sehr viel zu ihrer Sprach und Anschlussfähigkeit beigetragen“, so Overbeck.

Geehrt wurden ebenfalls die ehrenamtlichen Teams im Bistum Essen der 2002 in Hamburg gegründeten Initiative „wellcome“, die unter Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel an rund 200 Standorten im Bundesgebiet jungen Familien in der Phase nach der Geburt ihres Kindes ganz praktische Hilfe anbietet. „Sie treten für eine gewisse Zeit an die Stelle, an der normalerweise herkömmliche Familiensolidarität erwartet werden würde, aber aus vielen Gründen nicht geleistet werden kann“, so der Bischof. Für diese Sozial- und Familienarbeit dankte der Bischof den Teams aus dem Ruhrbistum, die zurzeit in Oberhausen, Essen und Bochum mit rund 40 Ehrenamtlichen diese Hilfe leisten. „Sie geben Menschen Halt, die als junge Eltern mit ihren Kindern für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft sorgen“, unterstrich Overbeck. Die ehrenamtlichen Teams katholischer und evangelischer Christen, deren Arbeit von den Katholischen  Familienbildungsstätten im Ruhrbistum koordiniert wird, stehen nach Ansicht des Bischofs symbolisch auch für viele Engagierte, „die an vielen Stellen des Bistums einfach aus bürgerschaftlicher Mitmenschlichkeit und aus christlicher Nächstenliebe heraus Probleme lösen und unsere Städte zu wahren Lebensräumen machen“.


Familie geht alle an

Eingebettet ist die diesjährige Preisverleihung in die Familienkampagne 2012 des Bistums Essen, die unter dem Motto „Bindung macht stark“ steht. Und so unterstrich Overbeck in seiner Laudatio erneut, dass Familie alle angehe. „Familie ist ein Thema individuellen Lebensglücks und sozialer Gerechtigkeit zugleich“, so der Bischof. Das eine dürfe nicht gegen das andere ausgespielt werden. Overbeck mahnte, „ die Familienpolitik zugunsten der Kinder, Eltern, Großeltern und auch des gesellschaftlichen Gemeinwohls aus parteipolitischer Profilierung herauszuhalten.“ Er wies darauf hin, dass die für das Heranziehen künftiger Generationen nötigen Investitionen an Zeit und Geld vielfach bei den Eltern privatisiert blieben. „Viele Kinder zu haben kann also nicht nur ein aktuelles Armutsrisiko darstellen, sondern es können auch langfristig bei Eltern und Kinderlosen sehr ungleiche Vermögen und Versorgungsanwartschaften gebildet werden“, gab Overbeck zu bedenken.

Mit Blick auf die Kampagne 2012 betonte er, dass „überall dort, wo Menschen privat füreinander langfristig Verantwortung übernehmen, bereits sehr viel des so genannten katholischen Familienideals verwirklicht“ werde. Es solle deutlich werden, dass Bindung stark macht. „Wir wollen alle Bemühungen um ein gelingendes Familienleben wertschätzen und anerkennen, was Menschen füreinander tun und was sie füreinander motiviert“, so der Bischof. Das solle bei den zahlreichen Veranstaltungen, Projekten, Aktionen und auch bei dem großen Bistumsfest in Essen am 30. Juni deutlich werden.


Kinder haben keine Lobby

In seinem Festvortrag zum Thema „Geschichte und Zukunft bundesdeutscher Familienpolitik“ skizzierte Professor Dr. Kaufmann die Entwicklung der Familienpolitik seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Mit Blick auf die Gegenwart kritisierte Kaufmann, dass die „Rechte der Kinder und die Bedingungen ihrer gedeihlichen Entwicklung“ in der familienpolitischen Diskussion noch kaum eine Rolle spiele. „Während die Kinderrechte im Familienrecht, insbesondere auch im Scheidungsrecht eine zunehmende Rolle spielen, haben sie im Bereich Sozial- und Familienpolitik bisher wenig ausrichten können. Kinder haben keine Lobby“, betonte der Professor. Wahrscheinlich seien Eltern im Regelfall die „besten Anwälte ihrer Kinder, aber eben nur ihrer eigenen“, so Kaufmann. Damit lasse sich keine Politik machen.

Was die augenblickliche Diskussion um das Betreuungsgeld betrifft, wäre es nach Ansicht von Kaufmann eine „Anmaßung des Staates, für die frühkindliche Entwicklung allein auf Fremdbetreuung zu setzen“.  Nach Ansicht vieler Kinderpsychologen spreche zumindest für die ersten zwei Lebensjahre mehr für die Familienbetreuung als für die Regelbetreuung. (do)


Laudatio von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck

Vortrag von Professor Dr. Franz-Xaver Kaufmann

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