Die Vielfalt der Religionen schätzen lernen

Der interreligiöse Dialog ist Bestandteil der Sendung der Kirche. Das unterstrich Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, Hamburg, bei der Präsentation des "Handbuches Christlich-Islamischer Dialog", das jetzt erschienen ist. Eine durchweg positive Bilanz der nun 50-jährigen Begegnung zwischen Christen und Muslimen zogen die Beteiligten in Essen.



Präsentation des „Handbuches Christlich-Islamischer Dialog“

Den interreligiösen Dialog als Bestandteil der „Sendung der Kirche“ zu verstehen, dazu rief Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, Hamburg, am Mittwoch, 3. Juni, in Essen auf. „Christus schafft eine Brücke zu allen Menschen. Er schließt andere nicht aus, er schließt sie ein“, sagte Jaschke, der in der Bischofskonferenz die Unterkommission für den interreligiösen Dialog leitet, auf einer Veranstaltung zur Präsentation des „Handbuches Christlich-Islamischer Dialog“, das jetzt erschienen ist.

In seiner Zwischenbilanz der nun 50-jährigen Begegnung zwischen Christen und Muslimen wies der Weihbischof darauf hin, dass auch heute Ziel des Dialoges sein müsse, „einander kennen zu lernen, Fremdheit zu überwinden und zu spüren, dass wir eine Familie sind“. Wichtig ist ihm dabei vor allem die Begegnung vor Ort. Was den interreligiösen Dialog auf weltpolitischer Ebene betreffe, sei dieser aufgrund politischer Blockaden ins Stocken geraten sei.

Jaschke warnte davor, den interreligiösen Dialog als Versuch zu verstehen, die Religionen in einen Topf werfen zu wollen. „Ich habe ein großes pastorales Interesse daran, dass Menschen ihre kulturellen und religiösen Wurzeln nicht verlieren“, unterstrich der Weihbischof vor den rund 80 Gästen. Religionen seien das Fundament einer bürgerlichen Gesellschaft. Ein wichtiges Anliegen ist Jaschke der Religionsunterricht, ein Unterricht, der nicht nur über Religionen informiere, sondern auch in sie einführe und so den Blick auf andere Religionen öffne.


Religion muss ein Raum der Liebe und Freiheit sein


Auch auf die Verfolgung von Christen wies der Weihbischof hin: "Wir erschrecken über religiösen Fanatismus, über Gewalt und menschenverachtenden Terror im Gewand der Religion: im Nahen und Mittleren Osten, in Ländern Afrikas. Gerade hier müssen sich die Religionen als Friedensmächte bewähren", sagte er. Die Verantwortlichen auf allen Seiten dürften nicht schweigen. Religion müsste ein „Raum der Liebe und der Freiheit“ sein. Auch wenn der christlich-islamische Dialog in Zukunft vor zahlreichen Herausforderungen stehe, „werden wir gute Wege finden und spüren, dass wir einander brauchen und voneinander lernen“, so Jaschke.        

Weiterhin gemeinsam an einem Klima zu arbeiten, das von der „Wahrnehmung und Achtung des Anderen“ gekennzeichnet ist, dazu ermunterte der Vertreter der Evangelischen Kirche im Rheinland, Kirchenrat Pfarrer Rafael Nikodemus, auf der von Abdul-Ahmad Rashid (ZDF) moderierten Veranstaltung. Der in den 1960er Jahren begonnene Dialog, der aus Sicht der Kirchen zunächst als „Türöffner“ für Muslime verstanden worden sei, habe sich bis heute zu einem „Dialog auf Augenhöhe“ entwickelt, sei bunt und vielfältig. Nikodemus wies darauf hin, dass Religionsfreiheit als Menschenrecht nicht verhandelbar sei. Er rief dazu auf, die gemeinsame Verantwortung in der Gesellschaft und in der Welt wahrzunehmen sowie die Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Dazu zähle beispielsweise auch die Aufarbeitung des NSU-Terrors oder das Thema „Salafisten“.


Dialog als Bereicherung

Dankbarkeit bekundete auch die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi, Hannover, für den christlich-islamischen Dialog. „Aber ich bin auch besorgt, ob diese Entwicklung den gesellschaftlichen Prozessen standhalten kann“, sagte sie. Ziel der christlich-islamischen Begegnung sei es, Gemeinsamkeiten zu entdecken, aber auch die Unterschiede und diese als solche anzuerkennen. Die Theologin rief dazu auf, die Vielfalt schätzen zu lernen und Muslime als Menschen wahrzunehmen, „die die gleichen Sehnsüchte und Wünsche haben“. Auch wenn aus dem Nebeneinander-Leben allmählich ein Miteinander-Leben werde, gebe es immer noch eine von Angst geprägte Wahrnehmung des jeweils Andren. Mohagheghi wünscht sich für die Zukunft, dass der Dialog nicht nur aus der Perspektive der Migration oder Sicherheit geführt wird. Das ist für die Theologin „keine seriöse Basis“. Ihre Erfahrung ist: „Dialog kann den eigenen Glauben festigen und zugleich eine Bereicherung sein, die darin besteht, aus dem Glauben des Anderen Wertvolles zu schöpfen.“

Dass in dem 50-jährigen Lernprozess, auf den sich Christen und Muslime eingelassen haben, „sich viel Hilfreiches entwickelt und den Dialog bereichert und vorangebracht“ hat, betonte Weihbischof em. Franz Vorrath. Der Vorsitzende des Arbeitskreises „Integration“ im  Bistum Essen dankte allen, die dazu beigetragen haben, dass der Dialog zwischen Christen und Muslimen an vielen Orten und auf vielen Ebenen „im guten Sinne Normalität und Tradition“ geworden ist. Das jetzt erschienene „Handbuch Christlich-Islamischer Dialog“ reflektiere anschaulich die bisherigen Erfahrungen und Ergebnisse. Das Buch mache Mut, „sich selber auf den Weg des Dialoges zu begeben“. (do)

    
„Handbuch Christlich-Islamischer Dialog. Grundlagen – Themen – Praxis – Akteure“. Herausgegeben von Volker Meißner, Martin Affolderbach, Hamideh Mohagheghi und Andreas Renz. Schriftenreihe der Georges-Anawati-Stiftung, Band 12, Freiburg 2014, Verlag Herder,  ISBN 978-3-451-33337-8.

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