von Cordula Spangenberg

Die Ehe – Leistungsschau des Glaubens?

Die Journalistin Christiane Florin warf im Medienforum des Bistums Essen einen zugleich kritischen wie respektvollen Blick auf die Ehe als „riskantes Sakrament“

Ob die katholische Kirche reformfähig sei, zeige sich nach Einschätzung der Journalistin und Politikwissenschaftlerin Christiane Florin an ihrem Umgang mit der Unauflöslichkeit der Ehe. Denn letztlich gehe es in der kirchlichen Ehefrage ähnlich wie in der Politik um Macht und Deutungshoheit der Profis: Ob die Ehe als Güter- und Fortpflanzungsverbund oder als Gefühlsgemeinschaft zu gelten habe.

Bei der Vorstellung ihres Buches „Die Ehe – Ein riskantes Sakrament“ im gut besuchten Medienforum des Bistums Essen stellte die Journalistin, die sich seit 2010 professionell mit Themen rund um die Religion beschäftigt, gleich klar, dass sie selbst als verheiratete Frau und Mutter zweier Kinder aus kirchlicher Sicht nicht als „Profi“ in Sachen Ehe gelten könne. Denn die Ehe-Profis der Kirche seien in der Regel unverheiratet.

Heiraten aus Lust am Liebesrisiko

„Die Liebe hat einen guten Ruf, die Ehe leider nicht“, sagt Florin. Dabei sei die lebenslange Monogamie eigentlich seit 2000 Jahren ein Erfolgsmodell der Stabilität und mit 18 Millionen Ehen immer noch die häufigste Lebensform für Paare in Deutschland. Heute werde allerdings kaum noch aus Konvention geheiratet, sondern angesichts der hohen Scheidungsquoten „aus Lust am Liebesrisiko“. Wer würde sonst, fragte Florin, freiwillig in einen Zug steigen, dessen Modell mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit aus der Kurve fliege? Dessen ungeachtet heiraten jährlich rund 44.000 Paare in Deutschland in einer katholischen Kirche und gehen damit eine in guten wie schlechten Tagen unauflösliche Ehe ein.

Die Ehe als Gefühlsverbund sei freilich riskant, findet Christiane Florin. Stabiler, wenn auch nicht glücklicher seien Ehen als unauflösliche Güter- und Fortpflanzungsverbünde gewesen, wie sie etwa in den 50er und 60er Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gelebt wurden. „Viele Katholiken schauen mit Verklärung auf diese Zeit, in der alles noch ‚klar und geordnet‘ war.“ Allerdings hat Florin allerhand Ehe-Geschichten aus ihrer eigenen Herkunftsfamilie parat, an denen abzulesen ist, dass viele dieser gut katholischen Ehen nur deshalb Bestand hatten, weil der soziale Druck so hoch war und der Bestand der Ehe als „Leistungsschau des Glaubens“ galt. „Für den Katholizismus“, resümiert Florin, „ist Glück keine Kategorie. ‚Durchhalten‘ war die Parole noch in den 80er Jahren.“ Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, habe für die Unauflöslichkeit der Ehe gar die lobenden Worte gefunden, sie sei „eine Absage an die Tyrannei der Gefühle“.

Die Gegenwehr der Konservativen zeigt: Da hat sich etwas verändert

Dank des nachsynodalen Schreibens „Amoris laetita – Über die Liebe in der Familie“, das Papst Franziskus vor genau einem Jahr veröffentlichte, hat sich das Verhältnis zwischen dieser Art kirchlicher Lehre und dem wirklichen Leben verändert. Franziskus habe sich als Seelsorger in das Alltagsleben der Menschen versetzt: „Sich in die Augen schauen, bitte und danke sagen, den Tag mit einem Kuss beginnen, aber auch: Männlichkeit, Hausarbeit und Hingabe passen gut zusammen.“ Was der Papst da rate, sei zwar nicht „der neueste Stand der Paarberatung“, aber „schön konkret“ und geradezu revolutionär angesichts der Macht, mit der die Kirche oft den Katechismus durchsetze, findet Florin.

Zwar hat sich die öffentliche Aufmerksamkeit für „Amoris laetitia“ vor allem auf die Frage der Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete verengt. Doch im Ergebnis schaffe Franziskus neue Fakten: Barmherzigkeit für Katholiken in zweiter Ehe sei jetzt Teil der Lehre und setze dem Rechtfertigungsdruck des Einzelnen gegenüber seiner Kirche ein Ende. „Die heftige Abwehrreaktion konservativer Kreise der Kirche dokumentiert, dass sich hier tatsächlich etwas verändert hat“, urteilt Florin.

Vielleicht bewege die Kirche sich aber doch zu spät: „Wer wendet sich heute in einer Ehekrise an einen Priester? Die Ehe-Lehre, die Praxis im Beichtstuhl, die Macht über Betten und Gewissen – das hat viele Christen verletzt.“ Eigentlich müsse die Kirche dafür kämpfen, in diesen Fragen überhaupt noch gehört zu werden. „Franziskus weiß das genau und bietet sich als Gesprächspartner an.“

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