von Thomas Rünker

Der wache Blick auf die Nöte der Nachbarschaft

Beim Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe „Denkbar“ stand in der Bochumer Hustadt die Präsenz von Kirchengemeinden und anderen katholischen Einrichtungen in ihrem Stadtteil im Fokus. „Wir sind nicht sozial, weil es dem Glauben dient“, betonte Pater Wilfried Pauly vom "Brunnenprojekt".

Stadtteilarbeit für die Gemeinschaft - nicht zur Missionierung

An den Theken des Ruhrgebiets soll ja schon so manch gute Idee geboren worden sein – und gelegentlich entstand daraus mehr als nur eine Bierlaune. So etwas soll auch an der „Denkbar“ passieren, der neuen Veranstaltungsreihe, die das Bistum Essen am Mittwochabend in Bochum gestartet hat. Ein wenig nüchterner als in der Kneipe, aber mit der gleichen Offenheit hatten sich die rund 70 Besucher im Evangelischen Gemeindezentrum der Hochhaussiedlung Hustadt um einen zumindest stilisierten Tresen versammelt und diskutiert, wie Kirchengemeinden in der Nachbarschaft ihrer Stadtviertel präsent sind.

Weg von der „wohlgemeinten Fürsorge“

Maria Lüttringhaus, freiberufliche Fachfrau für Quartiersmanagement und Gemeinwesenarbeit hielt den ehren- und hauptamtlichen Vertretern vieler Kirchengemeinden aus dem Ruhrbistum dabei auf gleichsam charmante wie deutliche Weise einen Spiegel vor. Sie beschrieb Gemeinden, die lieber beschaulich Gottesdienst feiern, als sich um die Menschen in ihrer Nachbarschaft zu kümmern, und Gremien, die sich vor allem mit sich selbst anstatt mit den Menschen in ihrer Umgebung beschäftigen. Zugleich gebe es in vielen Gemeinden wichtige Angebote für die Stadtteilarbeit, betonte Lüttringhaus, etwa Seniorentreffs, Spielegruppen oder Gruppenstunden für Jugendliche. Sie empfahl den Christen indes einen Haltungswechsel: Weg von der „wohlgemeinten Fürsorge“ hin zu einem wachen Blick auf die Menschen und deren Probleme. „Viele Angebote greifen nicht, wenn wir nicht wissen, was die Leute wollen.“

Christen sollten hinausgehen und hören, was die Themen der Menschen sind – um darauf mit Angeboten der Gemeinde zu reagieren, warb Lüttringhaus. Dabei sollten sich die Gemeinden aufrichtig davon verabschieden, nur nach Möglichkeiten zu suchen, wieder mehr Menschen in die Kirche zu bekommen. „Kirche ist da, wo die Leute sind!“ Um die Achtsamkeit für die eigene Umgebung zu schärfen, empfahl Lüttringhaus, vor jeder Sitzung eines Gemeindegremiums zunächst von jedem Mitglied „einen Tipp und ein Thema“ zu erfragen – ein Thema, das derzeit im Stadtteil besonders diskutiert wird, und einen Tipp, der in diesem Stadtteil konkret weiterhilft.

„Wir sind nicht sozial, weil es dem Glauben dient“

Pater Winfried Pauly und sein Team des sozialpastoralen „Brunnenprojekts“ pflegen einen solch wachen Blick auf die Hustadt. Der Redemptoristen-Pater berichtete an der „Denkbar“ von seiner Nachbarschaftsarbeit in der Hochhaussiedlung, die im Wesentlichen aus „Zeit haben“ bestehe. „Wir gehen dorthin, wo die Menschen sind.“ Das könne der Spielplatz genau so sein wie das Elternfrühstück an der Grundschule. „Da werde ich eingeladen – nicht, weil ich Priester bin, sondern weil aufgefallen ist, dass ich interessiert bin“, sagt Pauly. Und als der Raum für das Elternfrühstück nach einem Wasserschaden gesperrt war, kam der Treff übergangsweise im Brunnenprojekt unter – der ehemaligen Hausmeisterwohnung der Hochhaussiedlung, in der Pater Pauly und sein Team ihr Quartier haben. Wie Lüttringhaus stellt auch Pauly klar, dass seine Nachbarschaftsarbeit wenig mit Missionierung zu tun hat, „wir sind nicht sozial, weil es dem Glauben dient“. Außerdem „müssen wir Gott nicht in die Welt bringen – er ist doch längst da“. Anders als in vielen Pfarreien käme das Team des Brunnenprojekts „nicht über die Angebote in Beziehung zu den Menschen“, vielmehr ergäben sich aus den Beziehungen womöglich Angebote – wie zum Beispiel der Werkraum des Brunnenprojekts.

Gladbecker Pfarrei bleibt in allen Stadtteilen präsent

Dass ein wacher Blick auf die Nachbarschaft indes nicht nur besonderen Projekten wie in der Hustadt vorbehalten ist, sondern auch eine gewöhnliche Pfarrei umtreibt, machte Klemens Hasenberg vom Pfarrgemeinderat in St. Lamberti, Gladbeck, deutlich. Im Zukunftsszenario für das Jahr 2030 hat die Pfarrei deutlich festgelegt, dass sie – trotz aller Kürzungen – weiterhin in allen Stadtteilen präsent sein wird. Wie dies strukturiert und organisiert wird, steht indes noch zur Diskussion. Von daher dürfte Hasenberg – wie alle Gemeindevertreter an diesem Abend – die ein oder andere Idee von der „Denkbar“ mit nach Hause genommen haben.

Eindrücke der "Denkbar" in Bochum

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Zwei weitere „Denkbar“-Termine

Zwei weitere „Denkbar“-Termine sind in diesem Jahr geplant. Am Mittwoch, 15. Juni, geht es in der Duisburger Gemeinde St. Barbara um das Thema Ehrenamt. Und am Mittwoch, 21. September, dreht sich der Abend im Bochumer Gemeindezentrum St. Maria Magdalena um die Frage, in welchen Kirchen die Christen künftig Gottesdienst feiern möchten. Info und Anmeldung telefonisch (Tel.: 0201.2204-583) oder per E-Mail.

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Pfarreibegleitung und Entwicklung sozialraumorientierter Pastoral

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