von Thomas Rünker

Der Schatz ist ihr ans Herz gewachsen

Wenn Birgitta Falk nun die Leitung des Essener Domschatzes gegen die in Aachen tauscht, schwingt eine gehörige Portion Wehmut mit.

"Wir haben den Domschatz geöffnet"

Da mag der neue Job am Dom Karls des Großen noch so reizvoll sein – wenn Dr. Birgitta Falk in der kommenden Woche nach Aachen wechselt, um nach 14 Jahren in Essen nun den dortigen Domschatz zu hüten, nimmt sie nicht nur stapelweise Bücher, sondern sicher auch eine Portion Abschiedsschmerz mit an ihre neue Wirkungsstätte. Der Essener Domschatz ist der 55-jährigen Kunsthistorikerin ans Herz gewachsen. Egal ob die mit kunstvoller Emaille verzierten Vortragekreuze, eher skurril wirkende Arm- und Kopfreliquiare, Kelche, Schalen, Bischofsstäbe oder kostbare Handschriften – „ich habe hier zu jedem Objekt eine Beziehung“, sagt Falk, die seit 2005 auch die kleinere Schatzkammer an der Ludgerus-Basilika in Essen-Werden leitet. Gleichsam fachkundig wie liebevoll spricht sie über die Ästhetik, die Ausarbeitung oder die historische Bedeutung religiöser Bücher, Bilder, Schreine, von Münzen und Skulpturen. Allen voran die Goldene Madonna, „Essen sein Schatz“, wie die älteste Marienfigur der Welt in ihrem Heimatort genannt wird. Niemand kennt die 1000 Jahre alte Figur im linken Seitenschiff der Kathedrale so gut wie sie. 2005 leitete Falk die bislang letzte Restaurierung der mit dünnem Goldblech belegten Holzfigur. „Da stand die Goldene Madonna ein Jahr lang in unserer Werkstatt, ich bin täglich an ihr vorbei gegangen.“ Das prägte wohl eine Beziehung, in die neben Forscherdrang auch eine Unmenge an Herzblut geflossen ist.

Neue Räume und neue Zielgruppen

Unter Falks Führung ist das kleine – und heute sehr feine – Museum über die rund 1000-jährige Geschichte der Adelsfrauen im Essener Damenstift und die mittelalterlichen Wurzeln von Essen, dem Ruhrgebiet und dem heutigen Ruhrbistum zu einer überregional bekannten und beliebten Ausstellung geworden. „Wir haben den Domschatz geöffnet“, sagt Falk in der Rückschau – und das in vielerlei Hinsicht: Der Umbau von Schatzkammer und Domhof rückte das Museum 2009 stärker als zuvor in den Blick der Essener und ihrer Touristen. „Wir haben seitdem viel mehr Laufkundschaft“, sagt Falk. Außerdem hat das Schatzkammer-Team das Museum unter Falks Leitung durch spezielle Themenführungen, Sonderausstellungen und Angebote für besondere Zielgruppen immer wieder neuen Besucherschichten erschlossen. Egal ob im Jahr der Kulturhauptstadt 2010 oder zum jährlichen Kulturpfadfest – in der Essener Kulturszene ist die Domschatzkammer heute ein fester und anerkannter Partner. Davon zeugen zum Beispiel die Schau „Gold vor Schwarz“ 2008/2009 auf Zollverein oder die Ausstellung „Werdendes Ruhrgebiet“ im vergangenen Jahr.

Äbtissin Mathilde - auch als Playmobil-Figur

Dass die Exponate im Domschatz dabei immer auch eine religiöse Bedeutung haben, macht Falk an der Ausstellung über Essens bedeutendste Äbtissin Mathilde aus dem Jahr 2011 deutlich: „1000 Jahre nach ihrem Tod haben wir mit dem von ihr gestifteten Kreuz einen Gottesdienst gefeiert.“ Ein spiritueller Moment, an dem deutlich geworden sei, „wie sehr Geschichte bis in unsere heutige Zeit reicht“. In der ist Äbtissin Mathilde immer noch präsent: Nach dem großen Erfolg der Ausstellung „Mit Mathilde durch den Winter“, in der der Domschatz vor einem Jahr kindgerecht mit Playmobil-Figuren erklärt wurde, wird es in diesem Winter ein Wiedersehen mit der Äbtissin als Spielfigur geben. Ein spannendes Aufeinandertreffen uralter sakraler Kunst mit modernem Kinderspielzeug, das der Schatzkammer viele Besucher und überregionales Interesse der Fachleute bringt.

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Schulausflüge werden seltener

Während Kinder zu dieser Ausstellung oder den ebenfalls unter Falks Leitung eingeführten jährlichen Kommunionkindertagen zu Hunderten in Dom und Schatzkammer stürmen, wird das klassische Geschäft der Museumspädagogik immer schwieriger, berichtet Falk. „In Zeiten von G8 ist es für Lehrer unglaublich schwierig geworden, Exkursionen zu außerschulischen Lernorten zu machen.“ Wenngleich der Blick in die Besucherzahlen Falk insgesamt kaum Grund zum Klagen geben dürfte: Mit heute im Schnitt rund 20.000 Gästen im Jahr hat sich der Wert seit ihrem Start in Essen nicht nur mindestens verdoppelt, sondern auch insgesamt auf ein für ein Spezialmuseum ansehnliches Niveau gesteigert.

Das Riesenrad erschüttert die mitelalterlichen Kunstwerke Eines liegt der scheidenden Schatzkammer-Chefin dann aber doch noch am Herzen. „Wenn ich eines verbieten könnte“, sagt sie ruhig, aber entschieden, „dann wäre es das Riesenrad“. Pünktlich zu ihrer Verabschiedung am Freitag hat das Fahrgeschäft wieder seinen vorweihnachtlichen Platz am Dom bezogen. Dass sich dieses profane Karussell jährlich gut zwei Monate „neben dem wichtigsten kulturellen Schatz dieser Stadt“ dreht, ist für Falk nicht nur eine Geschmacksfrage, sondern ein sehr konkretes Ärgernis: „Auf- und Abbau verursachen jedes Mal so große Erschütterungen, dass unsere Objekte in den Ausstellungsvitrinen wandern“, klagt sie. Und gerade den hochwertigsten Stücken – etwa der weltweit bedeutendsten Sammlung ottonischer Emaille-Objekte – „gefallen Erschütterungen gar nicht“.

Mit Blick auf Aachen darf man Birgitta Falk also zumindest in dieser Hinsicht einen ruhigeren Job wünschen. (tr)

Pressestelle Bistum Essen

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