China braucht Religionsfreiheit und ein Religionsgesetz

Bischöfe und Priester sind spurlos verschwunden, wurden inhaftiert oder unter Hausarrest gestellt. Die Kontrolle des Staates ist erdrückend, sein Misstrauen gegenüber den Religionen groß. Von einer tatsächlichen Religionsfreiheit ist China nach Ansicht des Bischofs von Hongkong, Dr. John Tong, weit entfernt. Er fordert ein Religionsgesetz.

Der Bischof von Hongkong sprach in der „Wolfsburg“ in Mülheim

Äußerst kritisch hat sich der katholische Bischof von Hongkong, Dr. John Tong, am Mittwochabend, 25. Mai, zur Lage der Menschenrechte und der Religionsfreiheit in China geäußert. Im „Reich der Mitte“, in dem schätzungsweise zwölf Millionen Katholiken leben, garantiere die Verfassung zwar die „Freiheit des religiösen Bekenntnisses aller Staatsbürger“ und schütze der Staat laut Artikel 36 „normale religiöse Aktivitäten“,  doch es sei nie definiert worden, was darunter konkret zu verstehen sei.  „Viele Staatsbeamte scheinen bei der Umsetzung der entsprechenden Rechtsbestimmungen  den Geist der Rechtsstaatlichkeit zu unterminieren“, sagte der Bischof in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim.

Die Praxis sei weit von einer umfassenden Religionsfreiheit entfernt, die Einflussnahme und Kontrolle des Staates groß. So dürften Staatsratsministerien und –kommissionen Verfügungen, Anweisungen und Regeln erlassen, die etwa die Religionsausübung, Zulassung religiöser sozialer Organisationen sowie religiöse Aktivitäten betreffen. Seit den Olympischen Spielen 2008 in Peking gehe die chinesische Führung verstärkt dazu über, durch Verwaltungsvorschriften alle Bereiche der Gesellschaft zu kontrollieren, den religiösen Bereich eingeschlossen. Mit diesem Konzept der „Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Stabilität“ reagiere der Staat auf eine zunehmende Intoleranz in der Gesellschaft, die auf eine größer werdende Schere zwischen Arm und Reich sowie auf Korruption und Missmanagement zurückzuführen sei.

Misstrauisch beäugt werde der religiöse Bereich. Dementsprechend groß sei die Kontrolle. Die Kommunistische Partei Chinas schreibe vor, dass die Kirchen ihre Angelegenheiten autonom und unabhängig verwalten müssen. „Das bedeutet eine Unabhängigkeit von der Kontrolle jeglicher ausländischer Macht wie dem Vatikan, aber keine Unabhängigkeit von der Partei“, betonte Bischof Tong. Wer etwa eine Luftpostbrief an den Papst schreibe, werde am nächsten Tag wahrscheinlich Besuch vom öffentlichen Staatssicherheitsbüro bekommen. Offiziell wird von jedem offiziellen Kontakt zum Papst abgeraten. Was China letztendlich  brauche, sei ein Religionsgesetz, das das von der Verfassung garantierte Recht auf Religionsfreiheit gegen willkürliche Maßnahmen einzelner Behörden und Beamten schütze.


Verschwunden, inhaftiert, unter Hausarrest

Der Bischof berichtete über „viele Beispiele für Verletzungen der Religionsfreiheit von Katholiken in China“. Mindestens zwei Bischöfe und ein Priester seien seit Jahren verschwunden. Zwei weitere inhaftierte Bischöfe seien zwischen 2005 und 2009 gestorben. 60 Kleriker, darunter zehn Bischöfe, seien in Haft oder stünden unter Hausarrest oder Überwachung. In den ersten Monaten dieses Jahres seien drei Priester aus der Provinz Hebei verschwunden. Einer sei „schwer misshandelt und gefoltert“ worden.

Geistliche, vor allem der romtreuen, staatlich nicht anerkannten „Untergrundkirche“, würden gezwungen, der katholischen „Patriotischen Vereinigung“ beizutreten, die – so ein Schreiben von Papst Benedikt XVI. an die Katholiken Chinas aus dem Jahr 2007 – mit der katholischen Glaubenslehre unvereinbar sei. Auch Kleriker der so genannten „Offenen Kirche“ – der von der chinesischen Regierung anerkannten Kirche – würden „gezwungen, gegen ihre Überzeugungen und gegen ihren Willen zu handeln“, so Bischof Tong. So wurden einige gezwungen, an einer illegitimen Bischofsweihe in Chengde teilzunehmen oder in Messen mit illegitimen Bischöfen zu konzelebrieren.

Eine Verbesserung der Situation der Kirche in China ist nach Ansicht von Tong nur zu erreichen, wenn es gelingt, die Führung in Peking davon zu überzeugen, dass eine funktionierende Religionsfreiheit auch für das staatliche System von Vorteil sei. „Außenstehende sollen ihre Stimme für Menschenrechte und Religionsfreiheit in China erheben“, unterstrich der Bischof von Hongkong. Aber dabei sollten gleichzeitig die positiven Entwicklungen in China nicht verschwiegen werden.  Der Bischof sprach von einer „Win-Win-Situation mit entsprechenden Folgeeffekten“ für die Regierung und die Kirchen, wenn Menschenrechte und Religionsfreiheit beachtet würden.


Kaum Chancen für eine „Jasmin-Revolution“ in China

Eher skeptisch sieht Bischof Tong die Chancen einer chinesischen „Jasmin-Revolution“ nach dem Vorbild Nordafrikas. Die chinesische Wirtschaft sei erfolgreicher als jede andere Volkswirtschaft. Immer mehr Chinesen seien mit der materiellen Lage zufrieden. Außerdem bestehe die Kommunistische Partei Chinas aus 70 Millionen Patrioten. „Sie lieben ihr Land und wünschen sich seine weitere Entwicklung“, so Bischof Tong. Daran änderten auch Korruption und Machtmissbrauch nichts. Auch kontrolliere China das Internet „systematischer, als es Tunesien oder Ägypten tun könnten“. Zudem sei die Armee dem Kommunistischen Partei unterstellt. Die Loyalität gelte stärker der Partei als dem Land.

Notwenig ist für Bischof Tong vor allem eines: „Die Kommunistische Partei Chinas muss ihre Strategie und ihre Haltung zur Religion, die Katholische Kirche inbegriffen, überdenken.“ Die Leitprinzipien der Partei zur Religionen seinen seit Jahrzehnten unverändert, während sich andere Gesellschaftsbereiche rasch weiterentwickelt hätten. Spannungen zwischen Staat und religiösen Gruppen könnten nur aufgelöst werden, wenn die Behörden ihre „überaus misstrauische Haltung zur Religion“ änderten und „schrittweise die Kontrolle über religiöse Aktivitäten“ abgebaut würde.

Abschließend bat Bischof John Tong darum, weiterhin „für sein Land zu beten“ und sich für Menschenrechte und Religionsfreiheit in China einzusetzen. Dass dieses Engagement für einen Christen selbstverständlich sein sollte, hatte der Essener Weihbischof Ludger Schepers schon in seiner Begrüßung betont: „Es gilt die Unantastbarkeit der menschlichen Würde.“ Unterschiede im  Wert unterschiedlicher Menschen könne es nicht geben. Schepers: „Menschenrechte kennen keine Grenzen.“ (do)

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