Beten, singen und schreiben wie die Stiftsfrauen

Psalmengesang, Totengebet, Schreibübungen auf pergamentartigem Papier, goldene Schätze. Schülerinnen der Essener B.M.V.-Schule lernten auf einem von der Domschatzkammer durchgeführten Geschichts-Projekttag das Leben am früheren Essener Frauenstift kennen.

Ungewöhnlicher Geschichts-Projekttag für Schülerinnen der B.M.V.-Schule

„Ich will dich rühmen, Herr, meine Stärke….“ - Die 32  Mädchen der Klasse 7b der Essener B.M.V.-Schule sitzen auf dem Fußboden vor dem Grab des heiligen Altfrid in der Krypta des Essener Domes und proben mit Reintje Brenders, Mitarbeiterin der Domschatzkammer, den Psalm 18.  Gleich, so haben sie gerade zu ihrer Überraschung erfahren, werden sie gemeinsam die „Sext“, das Stundengebet zur Mittagszeit, beten und singen, genauso wie es die Stiftsfrauen und –schülerinnen viele Jahrhunderte lang im Essener Münster getan haben.

Nach einigen etwas unsicheren Versuchen klappt es schon ganz gut. Reintje Brenders stellt die Mädchen rechts und links vom Altar der Altfridkrypta zum „Stundengebet“ auf. „Das kurze Chorgebet ist zwar ein Baustein des Projekttages für den Jahrgang 7, aber es ist kein Theater, sondern ein wirklicher kleiner Gottesdienst“, das ist der Museumspädagogin der Domschatzkammer, Dr. Ina Germes-Dohmen, besonders wichtig. „Die Mädchen sollen diese alte Form des Gottesdienstes durch eigenes Beten und Singen und nicht durch ein Referat kennen lernen.“


Dem Schatz auf der Spur

Die Historikerin hat diesen Tag für die B.M.V.-Schule entwickelt und dabei  unterschiedliche Methoden für die Zugangsweise eingesetzt. Schon morgens erhalten die Schülerinnen in einer Führung alle wichtigen Basisinformationen über das Frauenstift und seinen Schatz. Anschließend stellen sie selbst Informationen zu verschiedenen Schatzstücken zusammen, und zwar zu solchen, die einen klaren Bezug zu einer Äbtissin oder Stiftsfrau haben. Dabei dokumentieren und  beschreiben sie die Objekte – Material, Größe, Alter, Funktion -, wie es in einem Museum üblich ist.

Der Nachmittag ist dem Leben der Stiftsfrauen gewidmet, ihrem Gebet für die Verstorbenen, den sieben Gebetszeiten, die den Tag strukturieren,  und der Heiligenverehrung. Dafür ist die Altfridkrypta ein idealer Raum. Die Schülerinnen entziffern zuerst mit Hilfe von Taschenlampen auf 1000  Jahre alten Steintafeln die Namen der Heiligen, deren Reliquien in den ehemals drei Altären aufbewahrt wurden. „Cyprianus“, „Dionisius“ und „Crispinianus“ – mühsam buchstabieren die Mädchen die ungewöhnlichen Wörter.


Schreibübungen mit Federkiel

Dann folgt die Einführung in den Psalmengesang. Nach dem Beten der „Sext“ geht es in den museumspädagogischen Raum der Schatzkammer.  Schreiben mit Federkiel und Tinte steht jetzt auf dem Programm, und das auch noch nach dem Vorbild der „Karolingischen Minuskel“. Diese Schrift wurde Ende des 8. Jahrhunderts im Umfeld Karls des Großen entwickelt und  zeichnet sich durch Klarheit und Einfachheit des Schriftbildes aus. Die Klasse ist konzentriert bei der Sache. Aber manche Mädchen sind mit ihren Ergebnissen auf den Übungsblättern gar nicht zufrieden. „Ganz schön schwierig, damit gleichmäßig zu schreiben: Gut, dass es heute den Füller gibt“, stöhnt ein Mädchen. Jede von ihnen erhält einen Psalmvers und ein pergamentartiges Blatt. Gemeinsam werden drei Psalmen abgeschrieben. „Auch in einem mittelalterlichen Skriptorium, wie wir es hier in Essen hatten, schrieben mehrere Personen an einer Handschrift“, erläutert Dr. Germes-Dohmen. Tintenkiller gibt es nicht. Wie im Mittelalter üblich, bleibt jeder Fehler stehen.

Geschichts- und Religionslehrerin Barbara Heitfeld, Referendarin an der B.M.V.-Schule, ist begeistert. Der handlungsorientierte Ansatz am Ende des Projekttages mit Singen und Schreiben gefällt ihr besonders gut. Auch Klassenlehrer Wilhelm Fischer, Fachmann für Mathematik und Physik, ist davon angetan, wie seiner Klasse hier Geschichte nahe gebracht wird.


Der „Stiftstag“ kann kommen

Wenn auch die beiden letzten 7. Klassen der B.M.V.-Schule an diesem  Angebot der Domschatzkammer teilgenommen haben, ist der „Probelauf“ für den neuen Projekttag abgeschlossen. Die Geschichtskollegen sind sich sicher, dass die Fachkonferenz Geschichte den „Stiftstag“  am Essener Dom nicht mehr aus dem Programm streichen wird. Auch die stellvertretende Schulleiterin, Angelika von Schenk-Wilms, ist begeistert: „Was die Domschatzkammer da für unsere Schulsituation ausgearbeitet hat und wie sie den Schülerinnen den Stoff vermittelt, bringt so viele Erkenntnisse und ganz persönliche Erlebnisse. Das kann man im Klassenraum nicht  umsetzen.“ (gedo/do)

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