Am Rande der City und doch mittendrin

Anlässlich des 750-jährigen Bestehens feiert die Pfarrgemeinde St. Gertrud in Essen am Sonntag, 7. November 2010, um 10.15 Uhr einen feierlichen Gottesdienst mit Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck. Anschließend findet im Gertrudissal ein Festakt statt.


Essener Pfarrei St. Gertrud feiert 750-jähriges Bestehen

Sie blickt auf eine fast 1000-jährige Geschichte zurück, zählt zu den ältesten Pfarreien der Stadt Essen. Dabei hatte sie rund 300 Jahre nicht einmal ein eigenes Gotteshaus. Am Sonntag, 7. November, feiert  die Katholische Pfarrgemeinde St. Gertrud in der City  mit Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck ihr 750-jähriges Bestehen.

Die erste Gertrudiskirche am Markt zu Essen - die heutige evangelische Marktkirche –  wurde 1054 erstmals urkundlich erwähnt. Äbtissin Theophanu hatte in ihrem Testament bestimmt, dass zu ihrem Gedächtnis Kerzen „ad sancta Gertrudii“ (in St. Gertrud) entzündet werden sollten. Vermutlich war der erste Kirchenbau an dieser Stelle um das Jahr 1043 entstanden, als Theophanu  von Kaiser Heinrich III. das Marktrecht erhalten hatte und eine kleine Kirche für die Marktleute erbauen ließ.
 
Auch wenn die benachbarte Münsterkirche ganz dem Gottesdienst des 823 gegründeten Damenstifts vorbehalten war, war sie doch zugleich die Pfarrkirche von ganz Essen. Denn die Kanoniker der Münsterkirche nahmen ihren seelsorglichen Dienst auch in den umliegenden „Filialkirchen“, „capellae“ genannt, wahr.  Für die in der Burgfreiheit, also im unmittelbaren Umfeld des Stiftes, lebenden Pfarrangehörigen waren das die Quintin-Kapelle, die wahrscheinlich älteste Kultstätte Essens, die 1817 abgerissen wurde und die St.-Johannis-Kapelle, die heutige Anbetungskirche an der Kettwiger Straße.  Für die in der Stadt und in den drei Bauernschaften Altenessen, Karnap und Katernberg lebenden Gläubigen war es die am Marktplatz gelegene Gertrudiskirche. So war St. Gertrud für die Bürger bald die eigentliche Stadtkirche. Doch erst 1260 entschied Äbtissin Berta von Arnsberg, St. Gertrud zur Pfarrkirche zu erheben und ihr einen eigenen Seelsorger zu bestellen.

Dank des mit kluger Hand regierten und einflussreichen hochadeligen Damenstifts nahm der Marktfleck am Hellweg eine gute Entwicklung, zumal das Stift 1344 das Recht auf Ausbeutung von Bodenschätzen (zunächst Silber, ab 1450 auch Kohle) erwarb. Davon profitierte auch die Pfarrei St. Gertrudis. Die Pfarrangehörigen ließen ihr in so großem Umfang „besondere Einkünfte und Revenüen“ zukommen, dass die Kanoniker beim Papst um die Inkorporation (Angliederung) der Gertrudiskirche vorstellig wurden, was ihnen 523 von Papst Clemens VII. auch gewährt wurde.

Mit dem wachsenden Wohlstand nahm auch das Selbstbewusstsein der Bürger und der Drang auf Selbstbestimmung zu. 1379 wurde Essen freie Reichsstadt, die Spannungen zwischen Stadt und Stift wuchsen weiter. Einen entscheidenden Einschnitt brachte die Reformation. Die Bestellung eines unbeliebten Ordensmannes zum Pfarrer von St. Gertrud im Jahre 1543 löste Protest und Kirchenbesetzung aus. Doch erst 1563 stellte sich der Rat der Stadt hinter die Bürger und führte am 1. Mai einen lutherischen Prediger an der Gertrudiskirche ein. Er amtierte zunächst neben dem katholischen Pfarrer, bis dieser am 11. November 1563 gewaltsam aus der Kirche verdrängt wurde. Danach hatte die Pfarrei St. Gertrud  - abgesehen von einer kurzen Episode während des Dreißigjährigen Krieges - ihre Kirche erst einmal verloren.

Doch auch ohne eigene Kirche bestand die katholische Gertrudispfarre weiter fort. Zur Feier des Gottesdienstes trafen sich die Pfarrangehörigen zunächst in der Johanniskirche, ab 1827 in der Münsterkirche.

In der Folgezeit erlebte Essen mit der Entwicklung des Steinkohlenbergbaus und der Eisenindustrie einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Zahl der Einwohner stieg kontinuierlich. Und die meisten der zugewanderten Fabrikarbeiter und Bergleute waren katholisch. Dies veranlasste 1863 einige katholische Bürger, in einer Denkschrift auf das „dringende Bedürfnis“ für eine „zweite große Kirche in Essen“ aufmerksam zu machen. Doch erst am 18. Juli 1887 konnte die neue neugotische Gertrudiskirche am Viehofer Platz,  am nördlichen Rand der Innenstadt,  geweiht werden.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Kirche bei schweren Luftangriffen schwer zerstört. Nur noch der Hauptturm und die Außenmauern waren erhalten geblieben. Zwischen 1950 und 1955 erfolgte der veränderte Wiederaufbau der Gertrudiskirche. Zunächst wurden die stehen gebliebenen Außenmauern durch eine Betondecke verbunden. So war Raum für eine „Unterkirche“ geschaffen, die im November 1950 erstmals als Gottesdienstraum genutzt werden konnte. Im zweiten Bauabschnitt folgte der Bau der neuen  „Oberkirche“.  Mit der Altarweihe am 28. März 1955 durch den Kölner Erzbischof Kardinal Josef Frings war der Wiederaufbau der Pfarrkirche St. Gertrud abgeschlossen.

Ihre enge Verbindung zur Münsterkirche und dem am 1. Januar 1958  gegründeten Ruhrbistum  besteht bis heute. So fand 1961 in der „zweistöckigen Gertrudiskirche“ die erste Diözesansynode des Bistums Essen statt. Die ehemalige Unterkirche, die vor einigen Jahren in einen modernen Veranstaltungssaal umgebaut wurde, ist längst ein gefragter Ort  nicht nur für bistumsweite Veranstaltungen. (ul)

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