Versteckspiele Gottes

In Märchen und alten Sagen wird das oft erzählt. Der „liebe Gott“ oder „die Götter“ machen einen Ausflug in irdische Regionen. Inkognito natürlich. Sie begegnen den Menschen und stellen sie auf die Probe. Sie belohnen – oder strafen. Da helfen dann keine Ausreden: Ach, wenn ich dich erkannt hätte…

Märchen? Sagen? Im Kern des christlichen Glaubens steckt eine ganz ähnliche Geschichte. Allerdings kommt unser Gott nicht nur zu Besuch. Wir sagen: Gott wird Mensch! Dieses „Inkognito“ ist denkbar schlecht zu durchschauen. Am Ende dieser Menschengeschichte Gottes ist es ein fürchterlich zu Tode Gemarterter. Der hängt am Kreuz. In ihm „Gottes Sohn“ zu erkennen: Das erfordert Durchblick.

Viel leichter ist es auch am Anfang der Geschichte nicht. Da gibt es ein kleines Kind armer Eltern. Geboren in einem Stall, in einem Kaff am Rande der großen Geschichte. Kleiner konnte Gott sich nicht machen, besser sich nicht verstecken.

Am Ende der biblischen Kindheitsgeschichte die „Darstellung im Tempel“, das Tagesevangelium des 2. Februars. Die armen Eltern bringen – wie es Brauch ist – ihr kleines Kind zum Tempel. Und siehe da: Das Inkognito wird durchschaut! Ein alter Mann schaut durch alles Kleine, alles Ärmliche und Erbärmliche hindurch. Er erkennt in einem Allerwelts-Baby seinen Erlöser, seinen Retter, seinen – wie es wörtlich in der Geschichte heißt – „Trost“.

Mein Lieblingsmaler Rembrandt hat das Wunder dieser Begegnung und noch mehr dieser Erkenntnis in einem großartigen Bild zu erfassen gesucht. Der alte Mann Simeon. Das Kind, das er mit seinen steifen Armen nicht fassen, nicht halten, nicht begreifen kann. Licht geht von ihm aus. Wir meinen, das Bekenntnis des Simeon zu hören: „Meine Augen haben das Heil gesehen“. Aber der alte Mann sieht gar nicht hin. Was er erkennt und bekennt: Auf der Oberfläche der Wirklichkeit ist es nicht zu finden. Dr. Herbert Fendrich

Abteilungsleitung - Stellvertretender Dezernent

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